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Volker Kauder: Als Chef der Unionsfraktion im Bundestag muss der 63-Jährige seine Abgeordneten zusammenhalten, in Zeiten der Euro-Krise oft eine schwierige Aufgabe. Bevor er das Amt 2005 übernahm, war Volker Kauder Generalsekretär der CDU. Der Baden-Württemberger wird wegen seiner Nähe zu Angela Merkel gern als „rechte Hand“ der Kanzlerin bezeichnet. Auf seine Unterstützung kann sie sich jedenfalls verlassen. Der bekennende Christ repräsentiert den konservativen Flügel der CDU. Geprägt wurde er auch von den Evangelikalen, deren Glaubenskraft ihn beeindruckt.

© Thilo Rückeis

Unions-Fraktionschef Volker Kauder im Interview: „In Europa muss sich noch einiges ändern“

Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender von CDU und CSU im Bundestag, spricht im Tagesspiegel-Interview über eine Schuldenunion, Gesetze, die so schnell nicht kommen, und den Umgang mit der "Alternative für Deutschland".

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Herr Kauder, seit kurzem steht die FDP zur Einführung von Lohnuntergrenzen. Nun können Sie Mindestlöhne einführen, oder?
Wir sind darüber im Gespräch. Aber unsere Vorstellungen passen noch nicht ganz zusammen.

Für eine Einigung ist nicht mehr viel Zeit.
Das stimmt. Ich vermute auch, dass wir die Einführung eines tariflichen Mindestlohns eher in unser Regierungsprogramm aufnehmen, als dass wir bis Ende Juni noch ein Gesetz verabschieden.

Auch beim Rentengesetz konnten Sie sich mit der FDP nicht einigen. Sie haben einmal gesagt, eine Regierung sei dazu da, Vorhaben umzusetzen. Gilt das nicht mehr?
Das gilt natürlich noch. Und wir haben gerade ein weiteres großes Paket zur Regulierung der Finanzmärkte verabschiedet und auch in den noch verbleibenden drei Sitzungswochen des Parlamentes noch einiges vor. Ich nenne hier nur das Gesetz, mit dem wir die Krankenhäuser immerhin mit einer Milliarde Euro mehr ausstatten, um eine hohe medizinische Versorgung sicherzustellen. Wir wollen das Gesetz zur neuen Suche nach einem Atommüllendlager. Das sind wichtige Punkte. Ich gebe aber auch zu: In den letzten drei Wochen der Legislaturperiode werden nicht mehr die größten Kracher verabschiedet. Alle Parteien schärfen jetzt mehr oder weniger ihr Profil für den Wahlkampf.

Bei Rente und Mindestlohn liegt das nicht an der Zeit, sondern der Uneinigkeit der Koalitionspartner.
Wir sind bei einigen zunächst strittigen Themen vorangekommen. Aber zum Gesetzemachen braucht man nicht nur eine Mehrheit der Koalition im Bundestag, sondern auch Zustimmung im Bundesrat. Und dort haben wir keine Mehrheit.

Heißt das, Rot-Grün ist schuld daran, dass nicht mehr regiert wird?
Die Mehrheit der rot-grün regierten Bundesländer will uns – der Wahlkampf lässt eben grüßen – schlicht maximale Schwierigkeiten machen und stoppt nahezu alle unsere Gesetzesvorhaben. Ich will ein Beispiel nennen: Das Bundesverfassungsgericht hat uns dieser Tage öffentlich gemahnt, ein Urteil zur Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften bei der Grunderwerbssteuer umzusetzen, und alle Welt fragt sich, warum wir das nicht tun. Dabei haben wir das längst gemacht. Aber das Gesetz liegt seit Wochen im Vermittlungsausschuss und kann dort nur mit der Zustimmung von Rot-Grün verabschiedet werden. Statt das zu tun, wird uns jedoch von denen vorgeworfen, wir würden die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften verhindern. So ist das kurz vor Wahlen.

Warum sollte sich das nach der Bundestagswahl ändern? Sollte ihre Wunschkoalition gewinnen, steht Ihnen weiterhin eine rot-grüne Ländermehrheit gegenüber.
Unterschiedliche Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat gab es immer. In den rot-grünen Regierungszeiten hatten wir im Bundesrat die Mehrheit. Und regiert wurde trotzdem. Erinnern Sie sich: Zu dieser Zeit wurden die Hartz-Gesetze beschlossen. Und wenn ich in die nächste Legislaturperiode blicke, dann sehe ich eine ganze Reihe Vorhaben, die auch im Interesse von Kommunen und Bundesländern sein dürften. So planen wir die Übernahme der Eingliederungshilfen für Behinderte durch den Bund. Das wird die Kommunen deutlich entlasten. Außerdem müssen die Entflechtungsmittel für Aufgaben neu geregelt werden, die der Bund an Länder und Kommunen übertragen hat. Insgesamt geht es da um zweistellige Milliardenbeträge – und ich bin sicher, dass die Länder im Bundesrat nach der Wahl wesentlich kooperativer sein werden.

Herr Kauder, wozu wollen Sie von den Wählern noch einmal mit einer Mehrheit im Bundestag ausgestattet werden?
Ich kann hier nicht das gemeinsame Regierungsprogramm von CDU und CSU referieren. Das wird noch geschrieben. Nur so viel: Wir stehen gut da in Deutschland. Das ist vor allem die Leistung der Bürger. Es ist aber auch das Ergebnis der richtigen Politik dieser christlich-liberalen Koalition. Deutschland muss auch in Zukunft vorn bleiben. Dazu bedarf es der Fortsetzung unserer Politik in Europa. In Europa muss sich noch einiges ändern, und es darf kein Europa der gemeinsamen Haftung und Schuldenunion werden. Deutschland muss darüber hinaus seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten, damit wir unseren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen. Das blendet Rot-Grün völlig aus. Natürlich ist auch ein größerer Zusammenhalt in der Gesellschaft ein Thema. Eine besonders große Aufgabe liegt aber im Bereich der Bildung. Dafür sind zwar die Länder zuständig. Aber wir sehen, dass insbesondere kleinere Länder enorme Probleme bei der Umsetzung der Hochschulpolitik haben.

Warum die Union die "Alternative für Deutschland" ignorieren sollte

Volker Kauder: Als Chef der Unionsfraktion im Bundestag muss der 63-Jährige seine Abgeordneten zusammenhalten, in Zeiten der Euro-Krise oft eine schwierige Aufgabe. Bevor er das Amt 2005 übernahm, war Volker Kauder Generalsekretär der CDU. Der Baden-Württemberger wird wegen seiner Nähe zu Angela Merkel gern als „rechte Hand“ der Kanzlerin bezeichnet. Auf seine Unterstützung kann sie sich jedenfalls verlassen. Der bekennende Christ repräsentiert den konservativen Flügel der CDU. Geprägt wurde er auch von den Evangelikalen, deren Glaubenskraft ihn beeindruckt.

© Thilo Rückeis

Die letzte Föderalismuskommission hat einen klaren Strich zwischen Bund und Ländern bei der Bildungspolitik gezogen.
Und das war nicht richtig. Deshalb muss in der nächsten Legislaturperiode eine neue Föderalismuskommission zusammenkommen und neue Gespräche führen. Ich bin zum Beispiel ganz klar dafür, das Kooperationsverbot für den Hochschulbereich in der Verfassung zu ändern. Wir brauchen eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern.

Soll der Bund auch im Schulbereich Mitspracherechte erhalten?
Im Hochschulbereich sehe ich die Notwendigkeit für eine enge Kooperation. Deutschland muss wissenschaftlich in Lehre und Forschung top sein. Das ist eine nationale Aufgabe. Außerdem studieren in den meisten Hochschulen nicht nur Studenten der jeweiligen Länder, weshalb es da eine länderübergreifende Verantwortung gibt. Die Länder könnten sich dann vielleicht stärker auf den Schulbereich konzentrieren, der natürlich ebenso wichtig ist.

Soll die Reform auf den Hochschulbereich begrenzt bleiben?
Ich denke, wir werden an einer weiteren Föderalismusreform nicht vorbeikommen. Ich werde mich jedenfalls dafür einsetzen. Und es wäre dabei sinnvoll, die gesamten Beziehungen von Bund, Ländern und Kommunen zu betrachten und – wenn nötig – neu zu justieren. Ich denke an die Verteilung von Aufgaben, aber auch die Verteilung etwa der Einkommensteuer zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Jetzt bekommen Länder und Kommunen zusammen mehr von der Einkommensteuer als der Bund, und trotzdem verlangen die Länder, dass der Bund bei jeder Einzelmaßnahme noch einmal Geld dazugibt. Da ist eine problematische Entwicklung im Gange. Auch über die Erfüllung von Aufgaben muss gesprochen werden. Es geht nicht, dass die Menschen zunehmend das Gefühl haben, dass der Staat in wichtigen Bereichen seine Aufgaben nicht mehr wahrnimmt.

Was meinen Sie?
Denken Sie an die Innere Sicherheit. Die Bürger akzeptieren nicht mehr, dass Banden durch Deutschland ziehen, einbrechen und man hinterher hören muss, dass kaum ein Einbruch aufgeklärt wird. Der Staat hat das Gewaltmonopol und hat die Sicherheit der Bürger zu garantieren. Es kann nicht so weitergehen, dass die Polizeipräsenz immer weiter zurückgefahren wird. Der normale Steuerzahler und Bürger kann erwarten, dass der Staat seine Sicherheit garantiert.

Herr Kauder, Sie haben in Baden-Württemberg Erfahrungen im Umgang mit einer Partei rechts der CDU, den Republikanern, gesammelt. Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?
Es gab Phasen, in denen wir uns sehr offensiv mit dieser Gruppierung auseinandergesetzt haben. Die Konsequenz war, dass sie danach im Parlament wieder fast zweistellig vertreten war. Daraus habe ich damals die Konsequenz gezogen, so wenig wie möglich über die Auftritte dieser Gruppierung zu sprechen. Das war übrigens eine gemeinsame Strategie aller demokratischen Kräfte in Baden-Württemberg. Das Ergebnis war, dass die Gruppierung nie wieder im Landtag vertreten war.

Sind das Lehren, die auch für den Umgang mit der AfD, der Partei „Alternative für Deutschland“, gelten?
Zunächst muss man sagen, dass die AfD nicht mit den Republikanern zu vergleichen ist. Die AfD bewegt sich nach dem, was wir wissen, auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates. Sie hat aber offenbar Probleme mit einigen Mitgliedern, die aus dem rechten Milieu stammen. Das muss man beobachten. Insgesamt gilt: Man darf diese Partei nicht unnötig interessant machen.

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