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Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützt Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer auf den letzten Metern des Landtagswahlkampfes.

© Reuters/Matthias Rietschel

In der AfD-Gefahrenzone: Annegret Kramp-Karrenbauer steht vor ihren ersten Schicksalswahlen

Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg entscheiden auch über die Zukunft der CDU-Vorsitzenden. An der für sie schwierigen Situation ist AKK auch selbst Schuld.

Von Robert Birnbaum

Annegret Kramp-Karrenbauer dürfte in der vorigen Woche ein paar Mal kräftig durchgeatmet haben. Wochenlang sah alles danach aus, als steuere die CDU in Sachsen am Sonntag auf ein Debakel ohnegleichen zu. Doch die letzten Umfragen für die Landtagswahlen signalisierten relative Entspannung: Bei allen Instituten zogen die regierenden Christdemokraten im Endspurt vor die AfD. Selbst die Demoskopen von Insa, denen ein besonders gutes Gespür für die schwer zu erfassenden AfD-Wähler nachgesagt wird, räumten der CDU einen Vorsprung von 29 zu 25 Prozent ein.

Kommt am Sonntag nicht alles anders, kann sich die Bundesvorsitzende beim unermüdlich kämpfenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer bedanken. Denn im einstigen CDU-Stammland Sachsen – weit mehr als in Brandenburg – entscheiden die Wähler nebenbei mit über Kramp-Karrenbauers politische Zukunftschancen.

Dafür trägt sie selbst kräftig Mitverantwortung. Nach gut neun Monaten im Amt wären die Ergebnisse der drei Ost-Wahlen in diesem Herbst für sie zwar ohnehin zur Messlatte geworden. Aber die Saarländerin hat es sich zusätzlich schwer gemacht, als sie zwei Wochen vor dem Wahltag gegen den ungebetenen Wahlkämpfer Hans-Georg Maaßen zu Felde zog.

Der Ex-Verfassungsschutzchef, der als Mitglied der ultrakonservativen „Werteunion“ auftrat und Kretschmer anempfahl, nicht auf die eigene Truppe in Berlin zu hören, ging vielen in der CDU-Spitze auf die Nerven. Kretschmer und der brandenburgische CDU-Chef Ingo Senftleben betonten, sie hätten den Mann nicht eingeladen. Doch beim Stichwort „Parteiausschluss“ Maaßens nicht sofort abzuwinken, war ein Stockfehler der neuen Vorsitzenden. In der eigenen Partei gibt es genügend Leute, die ihr den bei einem Triumph der AfD auch anhängen würden.

Die AfD ist keineswegs dezimiert

Aus der AfD-Gefahrenzone wäre die Vorsitzende übrigens auch bei einem halbwegs glimpflichen Wahlausgang nicht. In der Sachsen-CDU ist die Frage keineswegs endgültig geklärt, wie man es in einem Landtag mit schwierigen Mehrheitsverhältnissen mit Kooperationen mit der AfD hält.

Und auch ohne AfD-Durchmarsch bleibt Kramp-Karrenbauers Position unsicher. Nennenswert dezimiert hat sich die Rechtspartei seit dem Wechsel im CDU-Vorsitz schließlich auch nicht. Schwer zu sagen, ob der scharfe Abgrenzungskurs, den der CDU-Bundesvorstand auf Betreiben der Chefin vor Kurzem bekräftigt hat, zumindest einen weiteren Aufwuchs gestoppt hat. Selbst Angela Merkels weitgehende Wahlkampfabstinenz hat an der Zustimmung zur „Alternative“ nichts Messbares geändert.

Die Kanzlerin kam nur zu wenigen Wirtschaftsterminen und geschlossenen Veranstaltungen wie der eines Frauennetzwerks in Dresden. Bei der Ankunft brüllten ihr Pegida-Anhänger prompt wieder „Volksverräter“ entgegen. Merkel-Gegner sind auch in der Ost-CDU keine Seltenheit. Vertreter des konservativen Flügels bekamen bei Wahlkampfveranstaltungen zu hören: Wann ist Merkel endlich weg?

Die sachliche Antwort ist einfach: Bis zum SPD-Bundesparteitag am 6. Dezember jedenfalls absehbar nicht. Die große Koalition in Berlin dürfte selbst hohe SPD-Verluste in Sachsen, Brandenburg und Ende Oktober in Thüringen überstehen, solange die Nachfolge von Parteichefin Andrea Nahles nicht geklärt ist.

Merkel ist "keine Freundin" einer Minderheitsregierung

Danach kann es aber schnell gehen. Friedrich Merz steht nicht allein mit der Vermutung, dass die SPD zum Jahresende aus dem ungeliebten Bündnis aussteigt. Merkel bliebe dann vorerst geschäftsführend im Amt. Sie könnte sich auch entschließen, bis auf Weiteres eine Minderheitsregierung zu schließen. Die bestünde dann allein aus Ministern der CDU und CSU.

Anders als das Bild auf der Regierungsbank suggerieren würde, könnten die freilich nicht als „Union pur“ regieren. Sie müssten sich für jedes Gesetz die Mehrheit immer neu besorgen. Zur Belebung der Debatten trüge das zweifellos bei.

Allerdings könnte die Belebung aus Unionssicht nach hinten losgehen: Eine von aller Koalitionsrücksicht befreite SPD könnte sich zusammen mit anderen Oppositionsparteien Mehrheiten für eigene Vorstöße suchen. Vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen könnte das mit Grünen, Linken und der FDP gelingen – etwa beim Abtreibungs-Werbeparagrafen 219a oder in Datenschutzfragen.

Merkel ist denn auch erklärtermaßen „keine Freundin“ einer Minderheitsregierung. Sie wollte den Bundespräsidenten schon nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche zu Neuwahlen bewegen. Damals lehnte Frank-Walter Steinmeier ab. Diesmal wäre aber sehr viel schwerer zu begründen, warum nach dem Scheitern einer Regierung nicht die Wähler das nächste Wort haben sollten. Und Merkel hätte ein Mittel in der Hand, das Umdenken zu befördern: Sie könnte einfach zurücktreten.

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