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Noch kein wirklicher Schulterschluss. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt Swetlana Tichanowskaja am 14. Dezember zum Gespräch in Schloss Bellevue.

© Bernd von Jutrczenka / dpa

Aufstand gegen Lukaschenko: In Belarus ist kluge Vermittlung gefragt

Die Europäer tun bisher zu wenig, um die Freiheitsbewegung zu unterstützen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

In Belarus spielt sich seit vier Monaten nahezu Unglaubliches ab. Trotz aller Einschüchterungsversuche gehen dort Zehntausende gegen den autoritär regierenden Staatschef Lukaschenko auf die Straße. Die Menschen in Belarus wissen, dass sie dabei ihre Freiheit riskieren, vielleicht ihre körperliche Unversehrtheit oder sogar ihr Leben.

Aber von dieser Angst lassen sie sich nicht mehr lähmen, weil sie ein Ziel vor Augen haben: Sie wollen in einem freien, demokratischen Land leben, so wie es für andere Europäer seit langer Zeit selbstverständlich ist. Selbst das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte konnte die Demokratiebewegung in Belarus nicht stoppen. Der Freiheitswille vieler Menschen in diesem Land ist größer als ihre Angst. So reagieren sie mit neuen Protestformen und kleineren, dezentralen Aktionen auf die massiven Repressionen.

Zugleich hoffen sie darauf, dass das Ausland endlich den Druck auf Lukaschenko erhöht. Enttäuscht seien die Menschen in Belarus von der mangelnden Hilfe der EU, sagt die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die in diesen Tagen in Berlin und Brüssel um mehr Unterstützung für ihr Land wirbt. Tatsächlich bleiben die Taten der Europäer weit hinter ihren Solidaritätsbekundungen zurück.

Aus belarussischer Sicht kommt die westliche Hilfe zu spät

Die EU zögerte lange, bis sie Lukaschenko auf die Sanktionsliste setzte. Insgesamt haben 55 Regimevertreter Einreiseverbot in der EU. Vor zehn Jahren, als es schon einmal Sanktionen gegen Lukaschenkos Regime gab, waren es dagegen mehr als vier Mal so viele. Zwar hat die EU Unterstützung für die Zivilgesellschaft zugesichert, doch sie kommt aus Sicht der Menschen vor Ort zu spät. Auch die Bundesregierung muss die vom Parlament geforderten Hilfsprogramme erst noch in die Tat umsetzen.

Noch wichtiger wäre es allerdings, den Druck auf Lukaschenko zu erhöhen, damit endlich Verhandlungen mit der Opposition und Neuwahlen möglich werden. Eine Option wären Wirtschaftssanktionen gegen ausgewählte Staatsunternehmen. Bundesregierung und EU sind vor allem deshalb so zurückhaltend, weil sie – auch mit Blick auf Russland – den Eindruck vermeiden wollen, sie würden aktiv einen politischen Wandel in Belarus herbeiführen wollen. Doch wer sich in dieser Situation zurückhält und abwartet, hilft nur dem Regime – und ergreift damit indirekt doch Partei.

Die Menschen in Belarus müssen selbst entscheiden, wer sie künftig regieren soll und in was für einem Land sie leben wollen. Aber in der jetzigen Lage ist kluge Vermittlung gefragt. Um noch mehr Gewalt gegen friedliche Bürgerinnen und Bürger zu verhindern, sollte irgendjemand Lukaschenko dringend klarmachen, dass Repression kein Ausweg aus seinem Dilemma sein kann. Dafür müssen sich die Europäer, die der Freiheitsbewegung in Belarus zum Teil mit erschreckender Gleichgültigkeit gegenüberstehen, endlich einsetzen.

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