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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Update

„Immer mehr Patienten finden keine Praxis mehr“: So will Lauterbach den Hausärzten jetzt helfen

Viele Praxen seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit, sagt Verbandsvorsitzender Beier. Zur Abhilfe plant Gesundheitsminister Lauterbach, die Honorar-Obergrenze aufzuheben und Bürokratien abzubauen.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will den vielfach unter Dauerbelastung leidenden Hausarztpraxen mit einem Maßnahmenbündel helfen. Unter anderem sollen für die Hausärztinnen und -ärzte Honorar-Obergrenzen aufgehoben werden, hieß es aus Ministeriumskreisen in Berlin.

„Wir werden die Entbudgetierung machen, um das jetzt mal klarzumachen, bei den Hausärzten“, sagte der SPD-Politiker am Dienstagmorgen im ZDF-„Morgenmagazin“ vor einem Krisengipfel mit den Hausärzten. Hausärzte bekommen derzeit feste Summen für Behandlungen. Bemängelt wird, dass das Geld bereits vor Quartalsende aufgebraucht ist und Ärzte danach quasi unbezahlt weiterarbeiten.

Im Blick stünden auch Erleichterungen bei bürokratischen Anforderungen und Regelungen für Hausbesuche. Die Verbesserungen will Lauterbach bei einem Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der niedergelassenen Ärzteschaft und der Krankenkassen an diesem Dienstag in Berlin erörtern.

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„Wir werden dafür sorgen, dass viel weniger Menschen in die Praxen kommen müssen, dass entbürokratisiert wird und dass die Praxis auch attraktiver werden wird als Arbeitsort“, sagte der Gesundheitsminister. Er kündigte an, das entsprechende Gesetz noch im Januar vorzulegen.

Konkrete Schritte zur Entlastung von Praxen laufen bereits an oder stehen kurz bevor: „Bisher sind die Praxen überfüllt, weil viele Patienten in die Praxis kommen, um ein Rezept verlängern zu lassen oder eine Krankschreibung zu bekommen“, sagte Lauterbach. Das gehe bald telefonisch, die E-Rezepte könnten seit Jahresbeginn genutzt werden. „Und die elektronische Patientenakte wird kommen.“

Der Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, mahnte, es dürfe nicht bei Absichtserklärungen bleiben. Ohne konkrete gesetzgeberische Schritte in den kommenden Wochen und Monaten drohe sich die Situation zuzuspitzen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

„Konkret bedeutet das, dass immer mehr Patientinnen und Patienten keine Hausarztpraxis mehr finden, die sie noch aufnehmen kann und gleichzeitig die Wartezeiten immer länger werden“, erklärt Beier. Das Krisentreffen bei Lauterbach müsse ein Wendepunkt gegen ein drohendes Wegbrechen der hausärztlichen Versorgung sein.

Beier forderte, dass die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung nun tatsächlich kommen müsse. „Damit wäre sichergestellt, dass die Hausarztpraxen endlich auch für alle Leistungen bezahlt werden, die sie erbringen.“ Dies sei heute nicht überall der Fall. „Hier ist die Geduld der hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen langsam am Ende.“

Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen: „Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf.“ Der auch bei anderen Arztgruppen existierende Deckel bei der Bezahlung war im vergangenen Jahr bereits bei den Kinderärztinnen und -ärzten aufgehoben worden. Lauterbach hatte argumentiert, dass dies auch im Hinblick auf einen Mangel an Kinderärzten geschehe.

Bundesweiter Mangel an Hausärzten

In Teilen Deutschlands herrscht auch bei den Hausärzten ein eklatanter Mangel - vor allem in ländlichen Regionen. Hausärzte-Verbandschef Beier sprach von einer „ausgewachsenen Krise der hausärztlichen Versorgung“. Viele Praxen seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit. „Leider bekommen auch die Patientinnen und Patienten die Folgen inzwischen hautnah zu spüren.“

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Beier forderte auch einen spürbaren Abbau der immer weiter ausufernden Bürokratie. Auch Lauterbach hatte in einem Interview gesagt: „In den letzten Jahren hat sich eine enorme Bürokratie in den Praxen aufgebaut - das muss jetzt ein Ende haben.“ Seit Monaten arbeite sein Ministerium bereits an einem Gesetz zum Bürokratieabbau.

Forderung: Honorardeckel ganz aufheben

Forderungen nach generell mehr Geld erteilte Lauterbach hingegen eine Absage. Andere Ärzteverbände hatten gefordert, dass die Budgets, also die Gesamtgrenzen bei der Bezahlung der niedergelassenen Ärzte, generell abgeschafft werden sollten.

Diese Forderung wird auch von der Ärzteorganisation Virchowbund erhoben. Ihr geht es um die generelle Aufhebung der Honorardeckel, auch wenn die Beiträge dadurch steigen.

„Jetzt muss sich der Minister tatsächlich in diese Richtung bewegen“, sagte der Vorsitzende des Verbands niedergelassener Ärzte, Dirk Heinrich, am Dienstag im Deutschlandfunk. „Da reicht es aber auch nicht, wenn er nach einem Viertel der Strecke stehen bleibt und nur die Allgemeinärzte zum Beispiel entbudgetiert würden. Die Grundversorgung ist mehr als das, was Hausärzte tun.“

Natürlich werden die Kassenbeiträge dann leicht ansteigen müssen.

Dirk Heinrich, Vorsitzende des Verbands niedergelassener Ärzte

Auch „die Grundversorgung von Fachärztinnen und Fachärzten muss entbudgetiert werden“. Anderenfalls würden viele ältere Ärzte mit 62 oder 63 Jahren vorzeitig aufhören, warnte er. „Es gehen so viele Kolleginnen und Kollegen vorzeitig in Rente, dass die Versorgung in wenigen Monaten an vielen Stellen zusammenbrechen wird. Denn die neuen Kolleginnen und Kollegen stehen nicht zur Verfügung, und wenn die älteren nicht länger arbeiten, werden wir riesengroße Versorgungslücken in Deutschland bekommen.“

„Natürlich werden die Kassenbeiträge dann leicht ansteigen müssen.“ Die Patienten stünden hinter den Ärzten. „Die wollen ja die Versorgung haben, die wollen eben nicht monatelang oder jahrelang auf einen Termin warten.“

Politiker von FDP und Union ebenfalls für umfassende Aufhebung von Obergrenzen

Um die medizinische Versorgung in Deutschland zu stärken, fordern Vertreter der regierenden FDP und der oppositionellen Union auch die Aufhebung der Honorar-Obergrenze für Fachärzte. „Wir als FDP wollen, dass die Patienten in Deutschland zuverlässig und rasch hausärztlich versorgt werden“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

„Dafür müssen hausärztliche Leistungen, egal von welchem Arzt oder Ärztin sie erbracht werden, bezahlt werden. Dabei dürfen wir aber nicht stehenbleiben. Unsere Forderung ist klar: Andere Arztgruppen müssen rasch folgen“, so Ullmann weiter.

Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger sprach sich dafür aus, diese Option zumindest zu prüfen. „Ob auch andere Facharztgruppen entbudgetiert werden sollten, müssen wir zumindest diskutieren“, sagte Pilsinger.

Laut Berechnungen des Spitzenverbandes Fachärzte (SpiFa) aus dem vergangenen Jahr würde die bereits beschlossene Entbudgetierung bei Kinder-und Jugendärzten zusammen mit der Abschaffung des Honorardeckels bei Hausärzten rund 112,4 Millionen Euro pro Jahr an Zusatzkosten ausmachen, sagte der bayerische Bundestagsabgeordnete weiter. „Das muss uns die Sicherung der ambulanten Versorgung wert sein.“

Einnahmen der Arztpraxen

Ihre Einnahmen erzielen Arztpraxen zu mehr als 70 Prozent aus der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamts für 2021 lagen die durchschnittlichen Einnahmen bei 756.000 Euro. Dem standen Aufwendungen von 420.000 Euro gegenüber. Daraus ergab sich ein durchschnittlicher Reinertrag von 336.000 Euro je Praxis.

Der Reinertrag sei nicht mit dem Gewinn beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte gleichzusetzen, erläuterten die Statistiker. Er stelle das Ergebnis des Geschäftsjahres der gesamten Praxis dar, berücksichtige aber zum Beispiel nicht Aufwendungen für Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung der Praxisinhaber.

Kosten für Personal seien in den Aufwendungen enthalten. Nach Angaben des Virchowbunds sind auch Einkommenssteuer und Investitionen in medizinische Geräte daraus zu bezahlen. (dpa)

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