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Ein ukrainischer Soldat sucht auf dem Feld eines kürzlich befreiten Dorfes am Rande von Cherson nach Minen.

© Foto: picture alliance/dpa/AP

„Ich dachte, ich müsste sterben“: Cherson untersucht nach Befreiung 430 Fälle von russischer Folter

Nach der Rückeroberung der südukrainischen Stadt durch die Ukraine wurden 63 Leichen mit Spuren von Misshandlung gefunden. Ein Menschenrechtler spricht von einem „noch nie gesehenen Ausmaß“.

Nach dem Ende der russischen Besatzung in Cherson sind bereits in anderen befreiten Regionen zahlreiche Fälle von schwerer Folter bekannt geworden. In einem Interview der Nachrichtenagentur „Associated Press“ (AP) erzählt Alesha Babenko, eines der Opfer, von Elektroschocks und täglichen Schlägen und Tritten ins Gesicht.

„Ich dachte, ich müsste sterben“, meint Babenko. Gemeinsam mit seinem 14-jährigen Neffen nahmen ihn russische Soldaten im September in Gewahrsam. Die beiden hatten Fotos von zerstörten Panzern an die ukrainische Armee geschickt.

Insgesamt werden in der Region momentan 430 Kriegsverbrechen untersucht. Der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyi spricht laut AP von allein 63 gefundenen Leichen, die Spuren von Folter aufweisen.

Menschenrechtsorganisationen berichten nach der Befreiung von ukrainischen Regionen immer wieder von verheerenden Kriegsverbrechen. Babenko und sein Neffe kamen noch vor dem Ende der Besatzung ihrer Heimat frei, weil sie ein Videogeständnis ablegten.

In dem Artikel der „Associated Press“ wird Babenko als „sichtbar traumatisiert“ beschrieben. Mit dem Erlebten im Kopf habe er bis zum Abzug der russischen Truppen nicht mehr das Haus verlassen können.

Ein weiterer Gefangener aus Cherson, ein ehemaliger Soldat, berichtet gegenüber AP ebenfalls von Elektroschocks an Kopf und Nacken und dem traumatischen Leben in den Gefängnissen. „Das Schrecklichste war, den ganzen Tag mit anhören zu müssen, wie andere Menschen gefoltert wurden“, erklärt er.

Er habe ein solches Ausmaß an Folter wie in Cherson bei all seinen Reisen zu „Folterkammern in unterschiedlichen Regionen“ des Landes „noch nie zuvor gesehen“, sagte auch der ukrainische Parlamentsbeauftragte für Menschenrechte, Dmytro Lubynez, am Donnerstag in einer Fernsehsendung. Es sei „einfach entsetzlich“, fügte er hinzu.

Noch heute gelten zahlreiche Bewohner der Region als vermisst, die von den russischen Truppen gefangen genommen wurden. Das genaue Ausmaß der Verbrechen kann laut Menschenrechtsorganisationen noch nicht genau beziffert werden. Es gilt jedoch als sehr wahrscheinlich, dass das Leid in Cherson dem in Städten wie Butscha nahe kommt. (mit AFP)

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