zum Hauptinhalt
Der wiedergewählte Premierminister Pedro Sánchez.

© dpa

Pedro Sánchez seit wenigen Tagen im Amt: Holpriger Start für Spaniens Regierungskoalition

Kurz nach dem Antritt irritieren sich Spaniens Regierungsparteien gegenseitig. Dabei haben die größten Herausforderungen nicht einmal begonnen.

Kaum ist die erste spanische Regierungskoalition seit Wiedereinführung der Demokratie im Amt, lernen die Wähler die Tücken der politischen Arbeitsteilung kennen. Der wiedergewählte Premierminister Pedro Sánchez von der sozialdemokratischen PSOE überraschte seinen neuen Juniorpartner mit einer nicht vereinbarten Personalentscheidung. Der Premier stellte kurzerhand eine Parteifreundin als weitere Stellvertreterin vor – mit Fokus auf die Umweltpolitik, die Linkenchef Pablo Iglesias als seinen Wirkungsbereich definiert hat. Er soll sich darum kümmern, dass Spanien die Klimaziele der Agenda 2030 einhält.

Das nennt man einen holprigen Start für die neue Regierung, die erst vor wenigen Tagen ein Papier unterzeichnet hatte, in dem sich die Partner gegenseitige Loyalität zusagten und die Bedeutung von guter interner Kommunikation betonten. Die Opposition nahm den Ball dankend auf und lieferte einen Vorgeschmack auf die anstehende Legislaturperiode, die mit der hauchdünnen Wiederwahl Sánchez’ am Dienstag begonnen hat. „Mehr Berater, mehr hochrangige Positionen, mehr Dienstfahrzeuge“, kommentierten die Konservativen der Partido Popular (PP), die Sánchez nach seiner ersten Amtshandlung sogleich die Verschwendung von Steuergeldern vorwarf.

War es nur ein Missverständnis zwischen den neuen Regierungspartnern? Oder war es eine Retourkutsche, weil die Linken schon vor der Wahl die Namen ihrer Schattenminister kundgetan hatten? Es sei Letzteres gewesen, wie die Sánchez-Gefolgin Carmen Calvo im Frühstücksfernsehen preisgab. Ein kleiner Peitschenhieb also für den Junior Iglesias, der erstmals in der Regierungsverantwortung steht und dem Chef der PSOE vor wenigen Wochen noch innig in den Armen lag. Vielleicht war die Ernennung eines weiteren Vizepostens durch Sánchez aber auch länger geplant, und dessen Partei nutzt die Geschwätzigkeit des Linken jetzt als willkommenen Rechtfertigungsgrund.

Von Misstrauen zerfressen

Wer weiß das schon so genau in diesem Spanien des Jahres 2020, das von Misstrauen zerfressen scheint und politisch nie zersplitterter war als heute? Wo wüste Beschimpfungen und Drohungen unter Parlamentariern inzwischen zum Alltag zählen. Seitdem sich das Parlament um linke, rechte und liberale Lager im Laufe der vergangenen sechs Jahre markant erweitert hat, scheinen alte Gepflogenheiten keine Rolle mehr zu spielen. „Kommunisten“, „Faschisten“, „Verräter“, „Zerstörer“ – es wird rhetorisch zunehmend scharf geschossen. Gerade auch Bürgerliche und Konservative verhärten die Fronten mit ihren Aussagen. Sie stellen jetzt sogar die Legitimität der neuen Regierung infrage, einer demokratisch gewählten Regierung wohlgemerkt.

Was die Gemüter am meisten erhitzt, ist das Thema Katalonien. Zwar sind sich alle Parlamentarier weitgehend darin einig, dass es keine katalanische Unabhängigkeit geben wird. Doch allein die Tatsache, dass Sánchez Gespräche mit der Regionalregierung in Barcelona zusagte, provozierte Wut im Lager der Gegenseite. Dort gelten alle Befürworter der Unabhängigkeit per se als Terroristen.

Doch Sánchez hatte keine andere Wahl, wollte er seinen Posten als Premierminister behalten. Allein mit den Stimmen von Iglesias’ Podemos-Partei reichte es nicht zur Mehrheit . Eine Absprache musste her mit den vergleichsweise gemäßigten katalanischen Separatisten der ERC, aber auch mit der baskischen Splitterpartei EHB, die ihre Wurzeln ebenfalls im Kampf für Unabhängigkeit hat. Beide Fraktionen enthielten sich schließlich bei der Wahl zum Regierungschef und ebneten Sánchez so im zweiten Wahlgang den Weg zur einfachen Mehrheit. 167:165 Stimmen waren es am Ende. So knapp ging es in der Geschichte des Landes noch nie zu.

Viele Reibungspunkte

Aber es macht das Regieren nicht einfacher. Um seinen Haushalt durchzuboxen, benötigt Sánchez 176 Stimmen, die absolute Mehrheit, also auch katalanische Unterstützung. Genau an dieser Hürde war seine letzte Regierung gescheitert und machte die vierte Parlamentswahl seit 2015 überhaupt erst erforderlich. Effektives Regieren war in diesen Jahren nur selten möglich, weder von Sozialdemokraten noch von Konservativen. Auch deshalb plädierte Sánchez: „Wir müssen Mechanismen finden, sodass sich ein solches Vakuum nicht wiederholt.“ Sein Mechanismus sind ebenjene Gespräche mit den vielerseits verhassten Katalanen. Sánchez wird beweisen müssen, dass er selbst in der Lage ist, die Interessen auszugleichen, wenn er langfristig regieren will.

Reibungspunkte wird aber nicht nur der Umgang mit Separatisten liefern, auch an der klassischen Wirtschaftspolitik scheiden sich die Geister. Plan der neuen Regierung sind höhere Steuern für Besserverdiener und Wohlhabende. Große Unternehmen sollen mehr Geld zahlen, Hausbesitzer mehr von ihren Gewinnen abgeben, wenn sie Immobilien veräußern. Gleichzeitig soll der Mindestlohn erhöht werden. Viele kleine Unternehmer, die mit einer überwältigenden Mehrheit das Rückgrat der spanischen Wirtschaft bilden, stöhnen bereits.

Marcel Grzanna

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false