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Keine sonnigen Aussichten für klamme Kommunen - nicht nur im Ruhrgebiet.

© Marcel Kusch/dpa

Hohe Kreditlasten: Finanzschwache Kommunen fordern Schuldenschnitt

Ein Bündnis hoch verschuldeter Städte verlangt von Bund und Ländern einen Altschuldenfonds, um wieder handlungsfähig zu werden. Es geht um Milliarden.

Bernhard Matheis hat hohe Schulden. Er ist Oberbürgermeister von Pirmasens. Gut 11000 Euro je Einwohner beträgt die Schuldenlast der Stadt in der Pfalz. Insgesamt steht die Kommune mit gut 450 Millionen Euro in der Kreide. Der CDU-Politiker steht damit an der Spitze einer jener Kommunen, die besonders stark mit Altschulden belastet sind, die sich über Jahre hinweg aufgebaut haben und auch in Zeiten geringer Zinsen nicht verschwinden. Es sind nicht unbedingt arme Kommunen, aber sie bekommen ihre hohen Kreditlasten nicht mehr in den Griff. Manche haben derzeit auch Rekordsteuereinnahmen. Doch was andere investieren können, müssen sie in Zins und Tilgung stecken.

Aber Matheis steht nicht allein. Am Donnerstag ist er mit einigen Kollegen in Berlin angereist, deren Städte ebenfalls zu einem Aktionsbündnis gehören, das mit dem etwas pathetischen Slogan „Für die Würde unserer Städte“ um Hilfe bittet. 69 Kommunen gehören ihm an, es sind vor allem die Ruhrgebietsstädte und rheinland-pfälzische Kommunen – wenn man so will: das Hochschuldengebiet der Republik, denn vor allem dort sind die Kreditbestände außerordentlich hoch. Mehr als 2000 Euro je Einwohner haben die Kommunen in Rheinland-Pfalz und im Saarland im Schnitt allein an so genannten Kassenkrediten, in Nordrhein-Westfalen sind es 1400 Euro. Hinter diesen Durchschnittswerten verbergen sich aber gewaltige Unterschiede. Anderswo sieht es dagegen deutlich rosiger aus: In Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und Thüringen kommen die Kommunen im Schnitt nur auf eine Kassenkreditlast zwischen 14 und 57 Euro je Einwohner (Stand 2017). Zu dem Aktionsbündnis gehören aber auch einige Ost-Kommunen, vor allem aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Fast 50 Milliarden Euro Kassenkredite

Die Aktionsbündnis-Kommunen fordern nun eine massive Hilfe für ihr Hauptproblem: einen Fonds zur Tilgung der kommunalen Altschulden. Die betragen insgesamt fast 50 Milliarden Euro. In Berlin ist das durchaus ein Thema: Die seit einigen Monaten arbeitende Regierungskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat eine Arbeitsgruppe zum kommunalen Altschuldenproblem eingerichtet, und im Bundesfinanzministerium bereitet man sich darauf vor, dass Bundesmittel fließen werden. Doch in welcher Höhe, ist umstritten – wie auch die Frage, wer sich wie beteiligt. Der Wuppertaler Stadtdirektor Johannes Slawig (CDU) schlug am Donnerstag eine gemeinsame Finanzierung vor: je ein Drittel durch Bund, Länder und Kommunen. Abgetragen werden könnte der Altschuldenfonds seiner Meinung nach über die nächsten 30 oder 40 Jahre. Noch sei der Zeitpunkt gut, noch könne man dank der niedrigen Zinsen die Sache billig finanzieren, so die Sicht der Aktionsbündnis-Kommunen. „Die Zeit für einen Schuldenschnitt ist günstig“, sagte Ulrich Scholten, der sozialdemokratische Oberbürgermeister von Mülheim an der Ruhr. Slawig sprach von einer letzten Chance. Noch gebe es den Spielraum.  

Umstrittene Forderung

Aber eben nicht bei den Kommunen mit den hohen Schulden, sondern bei den anderen. Und deshalb ist die Sache nicht so einfach. Denn trotz der Überschüsse ist weder in der Bundesregierung noch bei den Ländern und auch nicht in der kommunalen Familie die Begeisterung groß, nun die Hochverschuldeten tatsächlich komplett zu entschulden. Denn die regionale Ballung deutet eben darauf hin, dass auch eine gewisse regionale Verantwortung besteht. In Rheinland-Pfalz etwa war es lange recht leicht für die Kommunen, ihre Kredite zu erhöhen, weil das Land und seine Kommunalaufsicht das durchgehen ließen. Andererseits ist die Finanzschwäche von Kommunen in der Pfalz, im Saarland und im Ruhrgebiet auch dadurch bedingt, dass der Strukturwandel dort für westdeutsche Verhältnisse recht massiv war – viele alte Industrien brachen weg, Neues entstand nicht in dem Umfang, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu erhalten.

Und damit begannen die Soziallasten zu steigen. Das ist auch das Hauptargument des Aktionsbündnisses, nun eine Lastenteilung zu fordern und ihnen wieder mehr finanzielle Luft zu verschaffen: Sie fühlen sich auch als Opfer der Bundesgesetzgebung, die Ländern und vor allem Kommunen im Sozialbereich immer mehr Aufgaben und Lastenerhöhungen aufgebürdet hätten, ohne für den finanziellen Ausgleich zu sorgen.  Matheis macht für Pirmasens folgende Rechnung auf: 2010 habe seine Stadt Sozialausgaben in Höhe von 53 Millionen Euro gehabt, 2019 seien es nun wohl fast 74 Millionen. Die zweckgebundenen Einnahmen für das Soziale seien in der Zeit von 23 auf 45 Millionen Euro gestiegen. Fazit: Pirmasens müsse weiterhin jährlich eine Lücke von etwa 28 Millionen Euro selber finanzieren.

"25 Jahre Haushaltskonsolidierung"

Der Saarbrücker Stadtkämmerer Ralf Latz (SPD) bringt die Situation seiner Stadt so auf den Punkt: „Wir kennen seit 25 Jahren nur Haushaltskonsolidierung.“ Es sei „kafkaesk“, dass man mit neuen Schulden alte Schulden tilgen müsse. Er hofft, dass die Riege prominenter Saarländer in der Bundespolitik - Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, einst Ministerpräsidentin an der Saar, Außenminister Heiko Maas (SPD) – das Anliegen der finanzschwachen Kommunen unterstützen. Scholten sagt aus Wuppertaler Sicht: „Finanzielle Spielräume, bei denen man uns in den Arm fallen könnte, gibt es gar nicht mehr.“

Doch gab es nicht gerade erst zwei große Bundesprogramme im Umfang von jeweils 3,5 Milliarden Euro – allein für finanzschwache Kommunen? Matheis und Slawig berichten unisono, dass das Geld von den beiden Landesregierungen in Mainz und Düsseldorf eher breit verteilt wurde. In Rheinland-Pfalz bekamen demnach 85 Prozent der Kommunen Mittel aus dem Programm, in Nordrhein-Westfalen 80 Prozent. „Man hat sich leider für die Gießkanne entschieden“, sagt Slawig. Matheis konstatiert einen „gewissen Feinabstimmungsbedarf, damit das Geld bei den bedürftigen Kommunen ankommt“.

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