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Hoffnung für die Zukunft: Die Welt ein wenig besser machen - sechs Beispiele

Kriege, Konflikte, Klimawandel und Not: Das ist Alltag für Abermillionen. Geht es anders? Ja! Sechs Beispiele zeigen, was möglich ist und Hoffnung macht.

FRAUENRECHTE

Sie sind nicht zu übersehen. Mehr als 10 000 Frauen stehen Anfang Dezember mit verbundenen Augen vor dem Nationalstadion in Santiago de Chile, zeigen dabei auf ihre Zuschauer, die sie mit Smartphones filmen, und rufen: „Es ist nicht meine Schuld, egal wie ich angezogen war – der Vergewaltiger bist du!“

Was als kleiner Flashmob mit gerade mal 20 Teilnehmerinnen vor einer Polizeistation in Valparaíso begann findet immer mehr Anhängerinnen. Bereits in Buenos Aires, MexikoStadt, Berlin, Paris und New York haben Frauen die Tanzperformance aufgeführt, bei der sie einen Sprechgesang aufsagen, mit dem sie sich gegen sexuelle, körperliche und psychische Gewalt von Männern wehren.

Vier Frauen haben die Choreographie konzipiert und den Text entworfen: Dafne Valdés, Paula Cometa, Sibila Sotomayor und Lea Cáceres aus Chile bilden das Feministische Kollektiv Las Tesis. Auf Instagram zeigen sich die vier Frauen stolz über die rasante Verbreitung. Gleichzeitig sei es allerdings erschreckend, schreiben sie. Denn was sie verbindet, ist der gemeinsame Kampf gegen Gewalt. Die Teilnahme von so vielen Frauen weltweit zeige, dass diese Bedrohung an so vielen Orten allgegenwärtig sei.

Der Weltgesundheitsorganisation zufolge erfahren 35 Prozent aller Frauen in ihrem Leben körperliche und sexuelle Gewalt. Vergangene Woche hatte die Polizei in der türkischen Hauptstadt Istanbul den Protesttanz von etwa 300 Frauen gewaltsam aufgelöst und sechs Frauen in Gewahrsam genommen. Doch der Protest geht weiter. Auf Twitter schreiben Dutzende Frauen: „Wir lassen uns nicht aufhalten.“

KINDHEIT

Daulatdia wirkt wie eine Kleinstadt. Hütte reiht sich an Hütte. Schmale Gassen durchziehen den unwirtlichen Ort. Vor allem am Abend sind viele Menschen unterwegs, zumeist Männer. Das hat einen Grund – Daulatdia in Bangladesch ist eines der größten Bordelle der Welt.

Schätzungsweise zwischen 1100 und 1500 Frauen leben dort und bieten ihre Dienste an, seit nunmehr vier Generationen. Während der Sexarbeit ihrer Mütter liegen die Säuglinge unter dem Bett, später drücken sich die Kinder in den Gassen herum. Und leben gefährlich. Misshandlungen und Ausbeutung sind bedrückender Alltag. Außerdem droht ihnen, später selbst ihren Lebensunterhalt als Prostituierte verdienen zu müssen.

Doch einigen gelingt es dem Elend zu entkommen. Zum Beispiel Shuma. Sie hat es geschafft: Die Zwölfjährige geht zur Schule. Schon ihre Mutter konnte sich aus der Zwangsprostitution befreien und so der Tochter eine Zukunft außerhalb des Bordells ermöglichen.

Dabei geholfen hat Save the Children. Die Hilfsorganisation gründete in Kooperation mit lokalen Partnern 1997 die erste Schule für Daulatdias Kinder. Stigmatisiert und ausgegrenzt von der Gesellschaft hatten die Mädchen und Jungen zuvor keine Chance, zum Unterricht zu gehen. Das hat sich mit der Schule geändert. Zudem werden sichere Räume zur Verfügung gestellt, damit die Kinder gerade in den Abendstunden betreut. Mehr noch. Jugendliche werden dabei unterstützt, sich eine berufliche Zukunft jenseits von Ausbeutung und Not aufzubauen. Zum Beispiel durch eine Ausbildung oder einen Job im Umland. Diesen Weg wird wohl auch Shuma beschreiten. Denn eines steht für sie fest: „Ich werde später keine Sexarbeiterin sein.“

HUNGER

Chronischer Hunger ist ein Zustand, in dem dauerhaft weniger als 2100 Kalorien pro Tag aufgenommen werden. Dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zufolge leidet noch immer jeder neunte Mensch an Unterernährung Das sind 820 Millionen Kinder, Frauen und Männer. Und es werden mehr.

Doch es gibt Hoffnung. In Hydrokulturen lassen sich Nahrungsmittel mit bis zu 90 Prozent weniger Wasser anbauen. Diese alternative Landwirtschaft, bei der statt Erde ein anorganisches, kalkfreies Substrat verwendet wird, könne einen drastischen Effekt auf Mangelernährung haben, sagt Nina Schröder vom WFP. „Pflanzen gedeihen so auch in sehr trockenen Gebieten, in denen sonst kaum etwas wächst.“

So kann zum einen Futter für Nutztiere angebaut werden, zum anderen lassen sich Gemüsesorten wie Gurken, Tomaten oder Spinat mitten in der Wüste züchten. „Mit Hydrokulturen kann man fast jede Pflanze anbauen“, sagt Schröder. Das UN-Welternährungsprogramm unterstützt bereits Projekte in sieben Ländern, darunter Algerien, Peru und Namibia. Die Idee stammt von Taleb Brahim, einem Flüchtling aus der Westsahara. Er hatte von Hydrokulturen über das Internet erfahren. Jahrzehntelang hatten seine Familie und er bereits unter Mangelernährung gelitten. Brahim wandte sich auf der Suche nach finanzieller Unterstützung an das WFP. Mittlerweile profitieren mehr als 5000 Menschen

von einer nährstoffreicheren Ernährung durch die alternative Landwirtschaft. Bis 2021 will das Welternährungsprogramm in 21 Ländern zwei Millionen Menschen erreichen.

KLIMA

Die Zahl ist alarmierend. Fast 10 000 Quadratkilometer Regenwald sind von Mitte 2018 bis Mitte 2019 in Brasilien vernichtet worden. Dass es auch anders geht, zeigt die frühere niederländische Kolonie Surinam im Norden Südamerikas – mit 93 Prozent Waldfläche das grünste Land der Welt. Um eine zu starke Abholzung zu vermeiden, erarbeitete die Regierung mehrere Schutzgesetze. Zum Beispiel ein Exportverbot für Stämme von begehrten Tropenholzsorten.

Das wiederum stärkt die lokale Wirtschaft. Die Holz-Gewerkschaft kritisiert jedoch, dass die Regierung sich zu sehr abhängig mache von chinesischen Firmen und es zu einem illegalen Handel mit Konzessionen komme.

Um in einem Hektar Waldgebiet Bäume zu fällen, müssen zum Teil nur sechs Suriname-Dollar im Jahr gezahlt werden, das sind umgerechnet knapp 70 Euro-Cent. Surinam ist mit seinem Waldschutzengagement ein gefragtes Land auch bei UN-Klimatreffen. In diesem Jahr fand in der Hauptstadt Paramaribo die Internationale Konferenz für Klimafinanzierung der 33 HFLD-Länder statt. HFLD steht für „High Forest Cover, Low Deforestation Country“, also Länder mit einer hohen Waldbedeckung und geringer Abholzung.

Voraussetzung sind mindestens 50 Prozent Waldfläche und eine Entwaldungsrate von weniger als 0,22 Prozent pro Jahr. In der Abschlusserklärung der Konferenz kritisierten die HFLD-Länder, dass sie mehr Unterstützung benötigten. Seit 2007 hätten sie weniger als zwei Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung erhalten. Das waren nur rund 14 Prozent der gezahlten Hilfen. Über die Hälfte dieser Mittel sei dagegen allein auf Brasilien entfallen – mit überschaubarer Wirkung.

FREIHEIT

Vor einem Jahr bricht ein gewaltiger Sturm über den Sudan herein. Einem politischen Orkan gleich fegt er die Zeit der Unterdrückung und Gängelung davon. Abertausende Menschen sind im Dezember 2018 auf den Straßen. Not und Armut haben sie dorthin getrieben. Das Regime hat die Preise für Brot und Benzin kräftig erhöht. Doch aus den Protesten gegen das alltägliche Elend werden rasch machtvolle Kundgebungen gegen den Langzeit-Diktator Omar al Baschir.

Gestützt aufs Militär, Folterkeller und Korruption regiert er das afrikanisch-muslimische Land mit seinen mehr als 40 Millionen Einwohnern seit drei Jahrzehnten. Aber die Revolution bahnt sich ihren Weg. Die Menschen skandieren „Huriya“, Freiheit – und holen sie sich. Im April putscht die Armee gegen Baschir und setzt ihn ab. Das reicht der Protestbewegung, die zum großen Teil von Frauen getragen wird, nicht.

Die Sudanesen wollen einen echten politischen Wechsel. Die Demonstrationen gehen weiter. Es gibt viele Tote. Der Traum von einem friedlichen Machtwechsel scheint zu scheitern. Dennoch lässt die zivile Opposition nicht locker und setzt sich durch. Mit der Armee einigt sie sich auf ein gemeinsames Regieren für eine Übergangszeit. Und es gibt erste Schritte Richtung Freiheit. Baschirs Staatspartei wird verboten, Frauenrechte gestärkt. Das Ziel ist klar: ein demokratischer Sudan. Also eine Revolution.

FRIEDEN

Das Sprichwort kennt fast jeder in Äthiopien. Es beginnt mit den Worten „qes be qes“ und beschreibt, wie aus einem Ei ein Huhn wird: Schritt für Schritt. Den Merksatz scheint auch Äthiopiens Premier Abiy Ahmed zu befolgen, der sein Land in nur 21 Monaten Amtszeit radikal reformiert hat. Erst hat er sein Kabinett zur Hälfte mit Frauen besetzt, dann hat er Tausende politische Häftlinge entlassen und Wirtschaftsreformen auf den Weg gebracht – alles gegen den Widerstand der alten Eliten.

Anschließend feierte Abiy seinen bislang größten Erfolg, für den der 43-Jährige diesen Monat den Friedensnobelpreis erhalten hat: Er beendete den Krieg mit dem Nachbarland Eritrea. Der Konflikt hatte Jahrzehnte gedauert und Zehntausenden das Leben gekostet. Nun gibt es einen Friedensvertrag, die diplomatischen Beziehungen zwischen Addis Abeba und Asmara wurden wiederhergestellt, genau wie die zuvor gekappten Telefonleitungen. Die „Abiymania“, den Personenkult um den äthiopischen Premier, hat das alles noch einmal befeuert.

Nicht nur in Afrika, sondern weltweit sehen viele in ihm einen Hoffnungsträger. Doch er hat auch Feinde, denen der Reformeifer zu weit geht. Im Juni 2018 überlebte Abiy einen Anschlag, ein paar Monate später scheiterte ein Putschversuch des Militärs. In der äthiopischen Bevölkerung genießt der junge Politiker großen Rückhalt, auch wenn das Land nach wie vor von ethnischen Konflikten zerrissen ist. Auch innenpolitisch wird Abiy noch viel bewegen müssen. „Frieden ist eine Arbeit der Liebe“, sagte er bei der Verleihung des Nobelpreises. „Frieden zu erhalten, das ist harte Arbeit.“

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