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Wahlkampf ist wie Boxen - auch zwischen Alt und Jung.

© Mike Wolff/Tsp

Haut euch doch!: Generationenkonflikte prägen diesen Wahlkampf – und das ist gut so

Schwarz-Grün, Jamaika, Ampel – was auch immer nach der Wahl kommt, hat das Zeug, Generationenkonflikte produktiv zu verarbeiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Alt und Jung, ein ewiges Thema. Generationenkonflikte herrschen immer. Erst recht im Wahlkampf. Und dieses Mal, hört man, sei es besonders schlimm. Man muss sich ja nur die Zahlen anschauen. Die Ollen sind massiv im Vorteil, die Jugend wird geradezu erdrückt. Ein Siebtel der Wählerinnen und Wähler ist 30 Jahre alt oder jünger. Über 70 ist dagegen ein Viertel.

Zählt man alle über 50 zu den Alten (heftiger Widerspruch, klar, aber bitte mal ehrlich bleiben), dann sind am 26. September bei der Bundestagswahl fast 60 Prozent der Wahlberechtigten in der Kategorie, über die Lebensmitte mehr oder weniger deutlich hinaus zu sein.

Gemeinhin wird angenommen, dass das den Parteien der Alten hilft. Als solche gelten traditionell vor allem CDU und CSU, weil konservativ. Mittlerweile hat auch die SPD den Ruf, den Angejahrten näher zu stehen. Ganz falsch ist das nicht. Armin Laschet und Olaf Scholz haben in den Umfragen unter Älteren bessere Werte als unter Jüngeren.

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Andererseits muss man wohl bis zu Willy Brandt zurückgehen, um einen Kanzlerkandidaten zu finden, der die Jungen wirklich mitgerissen hat. Annalena Baerbock begeistert ja auch nicht alle U40.

Die eine Groko...

Dass Union und SPD sozusagen natürliche Vorteile aus der demografischen Entwicklung ziehen, ist eine ältere Einschätzung, die man hinterfragen darf. Immerhin wird ihre „Groko“ demnächst aller Voraussicht nach krachend abgewählt – trotz wachsender Überfüllung im Altenteil. Das hat mehrere Gründe, aber zwei spielen mit Blick auf den Generationenkonflikt eine Rolle.

Der eine: Die Sozialdemokraten haben vergangenheitsselig die massive Zuwanderung jüngerer Wähler zu den Grünen und Linken zugelassen, und die fehlen ihnen jetzt. Der andere: Die CDU ist unter Angela Merkel nicht ganz so verknöchert, wie manche meinen (oder gehofft haben); sie hat daher einen Teil der Gemeinschaft der Gestrigen an die AfD abgegeben. Einerseits ein Verlust, andererseits ein Gewinn.

...macht vielleicht der anderen Platz

Denn im Ergebnis ist so die neue „Groko“ – Schwarz-Grün – zu einer Möglichkeit geworden. Eventuell blüht uns auch eine andere Koalition, in der dann neben den Grünen die Freien Demokraten sitzen. Die haben einen zwar nicht mehr ganz jugendlichen Spitzenkandidaten. Aber Christian Lindner tut immerhin so.

Grüne wie FDP sind keine „Jugendparteien“ – die gibt es nicht. Aber sie bringen die Themen Klima und Digitalisierung hoch, die den Jüngeren wichtig sind. Was immer kommt – Schwarz-Grün, Jamaika, Ampel – hat das Zeug, Generationenkonflikte einigermaßen sinnvoll zu verarbeiten. Nur die Deutschland-Koalition (Union, SPD, FDP) sieht jetzt schon irgendwie alt aus.

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Und die Jüngeren setzen sich gut in Szene. Das Ungehemmte der vernetzten Welt hilft ihnen. Die Generation der Babyboomer war einst zurückhaltender. Vielleicht hat sie sich zu sehr auf die natürliche Veränderung der demografischen Tatsachen verlassen und zu wenig Generationenkonflikte inszeniert. Aber sie musste halt nicht, ihr gehörte die Zukunft (auch wenn sie bisweilen dem Slogan "no future" anhing).

Diese Zukunft hat sie auch nicht verplempert, wie man ihr jetzt gern vorwirft. Wenn Historiker sich mal an das frühe 21. Jahrhundert machen, wird es sich als eine revolutionäre Zeit erweisen, gerade unter Öko-Aspekten.

Klima sticht Rente aus

Aber das ist derzeit umstritten. Und nutzen die Babyboomer nicht das Rentensystem in kollektivegoistischer Manier, zu Lasten künftiger Generationen, wie es so schön heißt? Das ist nicht ganz wahr. Denn die andere Seite der Medaille ist, dass die Generation, die jetzt langsam in Rente geht, an ihre Jüngeren auch einen erheblichen Wohlstand weiterreichen wird, der zudem breiter verteilt ist als davor.

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Das ist innerhalb der jüngeren Generation allerdings weiterhin nicht gerecht verteilt. Wer wenig bis nichts erbt, hat ein Problem. Aber das ist eine Art Intra-Generationenkonflikt, der gelöst werden kann, eben weil viel vererbt wird.

Jedenfalls wird die Beitragsrente für die heute Jüngeren in ihrem Alter einmal nicht mehr ganz so wichtig sein wie für die aktuelle Rentnergeneration. Dass der Generationenkonflikt um die Rente derzeit nicht im Vordergrund steht, spricht dafür. Aber das Thema ist nur vertagt.

Dass nun allerdings – nach einer tiefgreifenden Energiewende – ausgerechnet die Klimapolitik den Wahlkampf derart mitbestimmt, zeigt die Behauptungsfähigkeit der Jüngeren, die mehr wollen. „How dare you“, der legendäre Ausruf von Greta Thunberg auf dem UN-Klimagipfel 2019, schwingt ständig mit.

Ein Wahlkampf also, in dem es um die Stimmen der gesättigten Alten geht, zu Lasten der Interessen der Jüngeren? Lasst-uns-in-Ruhe statt Wie-könnt-ihr-es-wagen? Die Gefahr, dass Parteien auf die Verteilung der Jahrgänge schauen, ist immer gegeben. Aber gegenwärtig sieht es nicht so aus, als ob das erfolgreich sein könnte. Generationenkonflikte prägen diesen Wahlkampf in einer durchaus produktiven Weise. Also haut euch.

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