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Sozialhilfe und Hartz IV bekommen EU-Ausländer nur noch, wenn sie vorher gearbeitet haben.

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Einschnitte bei Sozialhilfe für EU-Ausländer: Hat Nahles' Reform Nebenwirkungen?

Gegen den vermeintlichen Sozialtourismus: Arbeitsministerin Andrea Nahles plant Einschnitte bei der Sozialhilfe für EU-Ausländer. Ein Sozialpolitiker fürchtet mehr Brennpunkte.

Sie arbeiten schwarz, werden zu Dumpinglöhnen beschäftigt und wohnen in Schrottimmobilien: Die Lage der Rumänen und Bulgaren in Offenbach ist oftmals prekär, die Stadt gilt bundesweit als einer der größten Brennpunkte. Der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn, sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion, kennt die Lage gut – Offenbach ist sein Wahlkreis. Nachdem Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Donnerstag Einschnitte bei den Sozialleistungen für EU-Ausländer ankündigte, fürchtet Strengmann-Kuhn, dass sich „solche Zustände in Deutschland weiter ausbreiten“, wie er sagt.

Der Gesetzesentwurf von Nahles sieht vor, dass EU-Ausländer, die nicht in Deutschland arbeiten oder länger gearbeitet haben, künftig innerhalb der ersten fünf Jahre von Sozialhilfe und Hartz IV ausgeschlossen sind. Bislang haben Bürger aus anderen EU-Ländern nach einem halben Jahr Anspruch auf Sozialhilfe in Deutschland, weil sich ihr Aufenthalt bis dahin „verfestigt“ hat. So hatte das Bundessozialgericht im Dezember geurteilt. Die Kommunen befürchteten Mehrkosten in Höhe von 600 Millionen Euro, weil etwa 130 000 EU-Bürger in Deutschland plötzlich Anspruch auf Sozialhilfe hätten.

Sozialtourismus - laut Experten relativ selten

Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund atmet man nun auf – ein „Systemfehler“ sei beseitigt worden. Auch die Union begrüßt Nahles’ Gesetzesentwurf. Dieser soll präventiv gegen Sozialtourismus wirken – ein Phänomen, das Experten wie Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung aber für relativ selten halten. „Dennoch ist es sinnvoll, wenn Menschen, die hier noch nie gearbeitet haben, auch keine Leistungen erhalten. Das würde sonst Wanderungsanreize verzerren“, sagt er.

Sozialpolitiker wie Strengmann-Kuhn sehen die Neuregelung mit Sorge. Er erwartet nicht, dass EU-Ausländer, die keinen Anspruch auf Hartz IV oder Sozialleistungen haben, sofort in ihre Heimatländer zurückkehren. „Sie werden sich ohne staatliche Unterstützung in Deutschland durchschlagen.“ Das könne dann in die Schwarzarbeit oder auch in die Kriminalität führen. Den Grünen schwebt deshalb ein anderes Modell vor, nach dem alle EU-Bürger, die in Deutschland Arbeit suchen, nach drei Monaten Hartz IV bekommen. Das würde den Bundeshaushalt belasten und nicht den der Kommunen.

Aufstocken weiterhin möglich

Derzeit gibt es in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit 440 000 EU-Ausländer, die Hartz IV erhalten – entweder weil sie arbeitslos sind oder aufstocken. Dabei beziehen derzeit, gemessen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland, Bulgaren mit 30 Prozent am häufigsten Hartz IV, gefolgt von Griechen und Rumänen. Das Aufstocken bei einem Minijob oder einer selbstständigen Tätigkeit würde von Nahles’ Gesetz nicht berührt. Werden EU-Ausländer allerdings arbeitslos und haben weniger als ein Jahr in Deutschland gearbeitet, haben sie nur ein halbes Jahr Anspruch auf Hartz IV. Wie viele Hartz-IV-Empfänger von dem Gesetz betroffen wären, sei nicht abzuschätzen, sagt eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit.

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© Tsp/Bartel

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