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Der Wähler, der einzige Schwachpunkt der Demokratie?

© Michael Kappeler/dpa

Harald Martenstein: Der einzige Schwachpunkt ist der Wähler

Gedanken eines Politikers nach der verlorenen Wahl: Ohne die Wähler, auch und gerade in den abgehängten Regionen, wäre alles einfacher. Eine Glosse.

Gedanken eines Politikers nach der verlorenen Wahl. Es muss sich etwas ändern. Dieses Wahlergebnis schreit nach Konsequenzen. Ich stehe zu meiner Verantwortung, auch meiner persönlichen Verantwortung, ohne Wenn und Aber. Wichtig ist es jetzt allerdings, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Wir müssen gemeinsam neu nachdenken. Damit meine ich ganz konkret: Wir müssen näher bei den Menschen sein. Wenn es uns gelingt, Brücken zu bauen, wenn wir mutig anpacken, und dabei füge ich bewusst hinzu: mit allen Konsequenzen, dann werden wir das verlorene Vertrauen draußen im Land zurückgewinnen. Die Menschen und die Wählerinnen und Wähler müssen wieder das Gefühl haben: Die wissen, wo mir der Schuh drückt! Die reden nicht nur, die verwenden keine billigen Floskeln, nein, die handeln! Die sind ganz nah beim Menschen, und dies nicht nur in den Städten, nein, auch in der Fläche. Wir müssen lernen, besser zuzuhören. Wir gehen zu auf die Menschen.

Wir haben verstanden.

Manches haben die Menschen vielleicht noch nicht begriffen. Wir haben es den Menschen eben nicht gut genug erklärt. Aber wir sind geduldig, wir erklären es noch einmal. Auch ein drittes Mal. Die Menschen haben sich verführen lassen von Rattenfängern. Sie fallen auf Lügen herein, also erklären wir ihnen die Wahrheit ein weiteres Mal.

Eine Demokratie ohne Wähler wäre die perfekte Demokratie

Wir haben Verständnis dafür, dass nicht jede Bürgerin und jeder Bürger die ganze Tragweite der globalen Probleme erfasst. Wir nehmen aber auch die kleinen Sorgen wahr, buchstäblich bis zur letzten Milchkanne, wenn es sein muss. Es gibt Ängste. Wir nehmen diese Ängste ernst. Das heißt, wir lachen nicht darüber. Die Bürgerinnen und Bürger sollten keine Angst haben, ihre Ängste offen auszusprechen. Auch in der Fläche. Nicht jeder hat den Überblick. Jeder Mensch darf stolz sein auf seine Lebensleistung, natürlich auch die Bildungsfernen. Man darf aber nicht denen hinterherlaufen, die billige Parolen rufen und einfache Lösungen anbieten. Wir werden für das Wohl der Bürgerinnen und Bürger noch härter und noch erfolgreicher arbeiten und zeigen klare Kante. Wir werden den Wählerinnen und Wählern ihren Fehler nicht nachtragen.

Ich bin Demokrat, aus Überzeugung. Der einzige, wirklich einzige Schwachpunkt bei der Demokratie ist der Wähler. Ich bin nahe bei ihm, ich höre zu, ich baue Brücken. Doch er ist verführbar. Ohne die Wählerinnen und Wähler, auch und gerade in den abgehängten Regionen, wäre alles einfacher. Wie könnten noch viel mehr Gutes tun. Die Wahrheit würde nicht mehr ständig infrage gestellt. Lügner, Spalter und Hetzer hätten keine Chance. Erst eine Demokratie ohne Wählerinnen und Wähler wäre eine wirklich perfekte Demokratie, ein Land, in dem Hass keine Chance hat.

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