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Ein Soldat der Dominikanischen Republik schließt ein Tor an der Grenze zwischen Malpasse und Jimani.

© AFP

Dominikanische Republik: Haitiianer unerwünscht

Die Dominikanische Republik schiebt zehntausende Haitianer und Staatenlose ins ärmste Land Amerikas ab. Menschenrechtsaktivisten berichten, dass Haitianer von aufgestachelten Mobs aufgegriffen werden.

Die Szenen sind dramatisch. Seit Tagen deportiert die dominikanische Armee hunderte Haitianer und Staatenlose nach Haiti. Viele verlassen aus Angst vor Gewalt freiwillig die Dominikanische Republik, darunter Menschen, die seit Jahrzehnten im Land leben oder dort geboren wurden. Menschenrechtsaktivisten berichten, dass Haitianer von aufgestachelten Mobs und Uniformierten auf der Straße aufgegriffen oder aus ihren Häusern geholt würden, die man anschließend plündere. Ein Haitianer wurde vor mehreren Wochen gelyncht.

Vor zwei Wochen lief eine Frist zur Legalisierung des Aufenthaltsstatus von Ausländern in der Dominikanischen Republik ab. Nur eine Minderheit hatte eine realistische Chance zur Registrierung, weil der Prozess extrem bürokratisch gestaltet war. Alle anderen müssen nun das Land verlassen.

Die Vereinten Nationen kritisieren das dominikanische Verhalten scharf

Die UN und die Organisation Amerikanischer Staaten kritisieren das dominikanische Verhalten scharf, aber die Regierung stellt sich taub. Seit Jahren ignoriert sie Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die sie zu einem humanen Umgang mit Menschen haitianischer Abstammung verpflichten. Auch Aufrufe zum Reiseboykott fruchten nicht, obwohl das Land vom Tourismus, auch aus Deutschland, abhängig ist.

Haiti und die Dominikanische Republik teilen sich die Karibikinsel Hispaniola. Rund eine halbe Million Haitianer leben nach offiziellen Angaben im Nachbarland, andere Quellen nennen eine Million. Früher arbeiteten die meisten unter Bedingungen, die der Sklaverei ähneln, auf den dominikanischen Zuckerrohrfeldern; heute sind sie vor allem im Bau- und Tourismussektor beschäftigt, oft zu Hungerlöhnen. Zwischen beiden Ländern existiert ein starkes Wohlstandsgefälle, das die dominikanischen Arbeitgeber ausnutzen. Zudem schürt die dominikanische Regierung immer wieder antihaitianische Ressentiments. Im derzeitigen Manöver sehen Beobachter den Versuch von Präsident Danilo Medina, sich für die Wahlen 2016 zu positionieren. Die Medien spielen das rassistische Spiel mit.

Hintergrund der aktuellen Situation ist ein Urteil des dominikanischen Verfassungsgerichts von 2013. Darin wurde rückwirkend das Bodenrecht, ius solis, abgeschafft. Dieses hatte allen im Land geborenen Kindern die Staatsbürgerschaft zuerkannt. Das Gericht erklärte nun all diejenigen zu Ausländern, die nach 1929 geboren wurden und kein dominikanisches Elternteil per Geburtsurkunde nachweisen können. Leute, die jahrzehntelang in der Dominikanischen Republik gelebt hatten, ja, die Staatsbürgerschaft besaßen, wurden zu Personen „im Transit“ erklärt und in die Illegalität gestoßen. Schon lange zuvor gehörte es zur Praxis der Behörden, Menschen mit französischen Nachnamen oder sehr dunkler Haut die Geburtsurkunden zu verweigern. So schuf man ein Heer Staatenloser – nach Schätzungen eine Viertelmillion Menschen.

Seit Fristende werden Zehntausende ins ärmste Land Amerikas gezwungen

Internationaler Druck hat zwar bewirkt, dass Ausländer sich um die dominikanische Staatsbürgerschaft bemühen durften, doch bis Februar hatten nur 7000 die erforderlichen Dokumente eingereicht. Daraufhin schuf die Regierung die Möglichkeit, sich für eine weitere Prüfung der Staatsbürgerschaft zu registrieren. Wieder gelang dies nur einer Minderheit. Seit dem Ende der Frist zwingt das dominikanische Regime nun Zehntausende nach Haiti, das ärmste Land Amerikas, das viele von ihnen nie zuvor betreten haben, dessen Sprache sie nicht sprechen und das von einer Regierung geführt wird, die noch korrupter und zynischer ist als die dominikanische.

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