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Svenja Appuhn, Bundessprecherin der Grünen Jugend.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Grüne-Jugend-Chefin zum Haushalt: „Die Schuldenbremse gehört ins Museum“

Mit dem Haushaltskompromiss der Ampel ist Svenja Appuhn nicht zufrieden. Die Sprecherin der Grünen Jugend fordert Nachverhandlungen, Steuern für Superreiche und ein Machtwort des Kanzlers.

Frau Appuhn, die Grüne Jugend fordert Nachverhandlungen für den Haushalt 2024. Reichen Ihnen die mehr als 200 Stunden Verhandlungen von Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner noch nicht?
Sie würden reichen, wenn das Ergebnis gut wäre. Das ist es aus unserer aber Sicht nicht. Weil sich die FDP an ihre rote Linie der Schuldenbremse geklammert hat und eine vernünftige Besteuerung sehr hoher Vermögen und Erbschaften von vornherein nicht zur Debatte standen. Und weil das fehlende Geld jetzt einfach von den Bürgerinnen und Bürgern kommen soll.

Schon vor der Einigung war klar, dass der Döner teurer wird, weil die Mehrwertsteuer in der Gastronomie erhöht wird. Mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen, wie unter anderem der Erhöhung des CO₂-Preises ohne, dass gleichzeitig Klimageld ausgezahlt wird, wird nun nicht nur der Döner, sondern das ganze Leben teurer.

Der höhere CO₂-Preis sorgt dafür, dass klimaschädliche Produkte teurer werden. Das müsste Ihnen doch eigentlich gefallen.
Der CO₂-Preis hat nur dann eine Lenkungswirkung, wenn Menschen gleichzeitig auf Alternativen zurückgreifen können. Die Realität ist aber gerade: Vielerorts wird der ÖPNV zusammengestrichen, weil es an Geld und Personal fehlt. De facto sind weiter viele Menschen auf ihre Autos angewiesen.

Gleichzeitig wird ein höherer CO₂-Preis ohne das Klimageld vor allem Menschen mit kleinem Einkommen treffen. Das gefährdet die Akzeptanz von Klimaschutz langfristig, das sollte ein Klimaschutzminister Robert Habeck eigentlich bedenken. Die steigenden Preise sind ein Konjunkturprogramm für Verunsicherung und gleichzeitig eine Steilvorlage für alle, die sowieso schon immer gegen Klimaschutz waren.

Wo hätte das Geld denn ansonsten gespart werden sollen?
Die Herangehensweise muss doch schon eine andere sein. Man kann sich nicht aus einer Krise heraussparen. Es gibt keinen ökonomischen Grund für diesen Sparkurs. Besonders absurd: Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich die Ampel genötigt gesehen, ihren Haushalt nochmal umzuwerfen, auf den sie sich eigentlich schon geeinigt hatte. Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen, wenn sie einfach die Schuldenbremse ausgesetzt hätten. Schon die Kürzungen im ursprünglichen Haushaltsentwurf waren unnötig und demokratiegefährdend. Jetzt aber noch eine Schippe draufzulegen, ist fatal.

Aber klar: Neben der Aufnahme von Krediten gäbe es natürlich auch noch andere Möglichkeiten. Erst diese Woche kam heraus, dass die Milliardäre in Deutschland 500 Milliarden Euro reicher sind als bisher angenommen und dass eine Top-Beamtin aus dem Finanzministerium auch noch Steuertipps an Superreiche verteilt hat. Trotzdem kürzt die Bundesregierung bei Bürgergeld-Empfängern und erhöht die Lebenshaltungskosten. Das ist keinem zu erklären.

Die FDP besteht aber auf der Einhaltung der Schuldenbremse, wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart ist.
Ich finde es ungeheuerlich, dass die FDP damit durchgekommen ist, dass jetzt gegen alle Vernunft an der Schuldenbremse festgehalten wird. Mir schien es in den letzten Wochen ehrlich gesagt, als hätte die FDP das Urteil aus Karlsruhe als willkommene Gelegenheit gesehen, endlich wieder Kürzungen an Sozialleistungen ins Spiel zu bringen. Ich hätte von Olaf Scholz erwartet, dass er notfalls von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch macht. Er hat im Wahlkampf mit sozialer Politik und Klimaschutz geworben – beides passiert nicht.

Die Verteidiger der Schuldenbremse führen häufig die Generationengerechtigkeit ins Feld. Der nächsten Generation gehören Sie an. Wie sagen Sie zu dieser Argumentation?
Mich nervt es ehrlich gesagt, dass meine Generation immer für diese ideologische Sparpolitik instrumentalisiert wird. Auch nicht getätigte Investitionen sind Schulden der Zukunft. Ein Schlagloch in der Straße zu reparieren wird immer teurer, desto länger man wartet. Die Rechnung für die Misere im Bildungssystem haben wir ja mit der Pisa-Studie gerade erst bekommen.

Außerdem brauchen wir Milliardeninvestitionen, damit unsere Gesellschaft und Wirtschaft klimaneutral werden kann. Was bringt es uns, in 30 Jahren schuldenfrei zu sein, wenn wir dafür auf einem Planeten leben, auf dem zig Inseln untergegangen sind und Millionen Menschen vor der Klimakatastrophe fliehen müssen? Diese Logik ist wahnwitzig und pure Ideologie.

Der Umbau der Wirtschaft wird über die CO₂-Gelder der Bürgerinnen und Bürger finanziert. Müsste die Industriepolitik von Robert Habeck, der Milliarden an Stahlkonzerne und Halbleiterfabriken auszahlt, hinterfragt werden?
Ich finde es gut, dass aktive Industriepolitik gemacht wird, aber trotzdem sollte man die Milliardensubventionen nicht unkritisch abfeiern. Gerade werden die Risiken der Unternehmen mit Milliarden aus Steuergeldern abgesichert, die Gewinne werden dann aber doch wieder privatisiert. Es müsste doch stattdessen klar sein, dass da, wo öffentliche Gelder fließen, auch öffentlicher Wohlstand entsteht - die ganze Gesellschaft also von den Gewinnen der Zukunft profitiert.

Wie wollen Sie erreichen, dass Ihre Forderungen noch Gehör finden?
Ich erwarte, dass im parlamentarischen Verfahren Fehler korrigiert werden. Vor allem muss klar werden, dass so etwas nie wieder passieren darf. Spätestens in einem halben Jahr, bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes für das Jahr 2025, geht das Theater ja wieder von vorne los.

Wir belassen es aber nicht bei Appellen: Wir werden auch Druck von der Straße machen für Klimaschutz, der das Leben der Menschen verbessert, für eine Politik, die Menschen Sicherheit im Job und bei der sozialen Absicherung gibt und für eine gut ausgestattete Daseinsvorsorge. Für all das muss endlich Geld in die Hand genommen werden – deshalb gehört die Schuldenbremse ins Museum und die Superreichen gerecht besteuert.

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