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Iran: Grün bleibt die Hoffnung

Wieder demonstrieren Studenten, wieder werden ihre Proteste niedergeschlagen. Wie ist die Lage im Iran?

Seit dem 12. Juni hat es Irans politischer Festkalender in sich. Erst war es der von Staatsgründer Ajatollah Chomeini erfundene Jerusalemtag, dann der 30. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft in Teheran und jetzt der Nationale Studententag, an dem das Regime normalerweise dreier getöteter Studenten gedenkt, die 1953 bei einer Demonstration gegen den Schah den Tod fanden. Doch seit der gefälschten Präsidentenwahl ist in der Islamischen Republik nichts mehr so, wie es vorher war. Das Land steckt in der tiefsten Krise seit seiner Gründung. Die grüne Opposition versucht mutig und verbissen, die politischen Gedenktage zu Demonstrationen in eigener Sache umzufunktionieren. Und das Regime mobilisiert jedes Mal Zehntausende uniformierter Milizen und Revolutionsgarden, um das Volk in Schach zu halten.

Wie verliefen die Demonstrationen?

Ungeachtet der Polizeipräsenz waren am Nationalen Studententag mehr grüne Demonstranten auf der Straße als in den ganzen vergangenen Monaten. Zwischen Uniformierten und Studenten kam es zu schweren Zusammenstößen. Die Demonstranten riefen „Tod dem Diktator“ und „Freiheit, Freiheit“. Die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Menge vor, zahlreiche Menschen wurden verhaftet. In Nebenstraßen lieferten sich Mitglieder der gefürchteten Basidsch-Milizen und Studenten erbitterte Kämpfe und bewarfen sich mit Steinen. Schon am frühen Morgen war der Campus durch Revolutionäre Garden umstellt, der Zaun um die Universität Teheran mit Postern des obersten Revolutionsführers Ali Chamenei sowie frommen Parolen zugehängt, um Augenzeugen jeden Einblick auf das Gelände zu verwehren. Unruhen gab es aber auch in den Städten Kermanshah, Shiraz und Tabriz sowie in der Pilgermetropole Mashad, wie oppositionelle Websites berichteten.

Wie ist die Lage für die Protestierenden?

Im Land brodelt es weiter – trotz Massenverhaftungen und Schauprozessen, Hass- predigten und härtesten Strafandrohungen. Die meisten Reformzeitungen sind verboten, ausländische Journalisten werden nicht mehr ins Land gelassen. Korrespondenten vor Ort durften am Montag ihre Büros nicht verlassen. Dennoch findet der zivile Widerstand immer neue Formen. So klagte der Gouverneur der iranischen Zentralbank kürzlich, Banknoten würden immer häufiger mit „antirevolutionären Parolen“ beschriftet. Dies sei ein Verbrechen, giftete er in hilfloser Wut. Jeder Geldschein ist eine Botschaft, spottete die Opposition zurück.

Menschen auf den Straßen tragen grüne Armbänder und Schals, die Frauen grüne Fingernägel – und sie sprechen betont von „Iranischer Republik“ statt „Islamischer Republik“. Nahezu jede Woche kommt es an einer Uni im Land zu Aufruhr mit „Ahmadi geh heim“-Rufen. Zwei Mal schon musste Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor wütenden Studenten Reißaus nehmen.

Die Führer der Opposition festzunehmen, wagt das Regime auch sechs Monate nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen nicht. Die peinlichen Schauprozesse gegen rund 140 Vordenker der Reformer will der neue Justizchef offenbar hinter den Kulissen zu Ende bringen – mit einer Mischung aus Härte und Gnade. Alle paar Tage tauchen Informationen über exemplarisch hohe Strafen gegen einzelne Angeklagte auf. Andere dagegen werden ohne Prozess und Erklärung auf freien Fuß gesetzt.

Wie verhalten sich die Oppositionsführer?

Die Leitfiguren der Opposition, Mir-Hossein Mussawi und Mehdi Karubi, bleiben eisern bei ihrer Linie: ein langer Atem und keine Gewalt – das schärfen sie bei jeder Gelegenheit der Bevölkerung ein. Mussawi selbst wird rund um die Uhr überwacht, vor seinem Privathaus sind Überwachungskameras postiert, Geheimpolizisten patrouillieren durch die anliegenden Straßen.

Auch am Montag stellten sich die beiden ausdrücklich hinter die demonstrierenden Studenten – auch wenn sie sich diesmal nicht auf der Straße zeigten. Auf seiner Website erklärte Mussawi, das klerikale Establishment werde die Studenten nicht mundtot machen können. Auch verliere es im Volke immer mehr an Legitimität. „Eine große Nation kann nicht einfach zusehen, wie einige ihr das Wahlergebnis stehlen“, schrieb der grüne Herausforderer von Ahmadinedschad.

Wie gefestigt ist die Macht von Präsident Ahmadinedschad und seinen Leuten?

Der oberste Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei ist zu keinerlei Kompromissen bereit. Leute aus seiner Umgebung kolportieren, der schiitische Chefgeistliche lebe nur noch in einer paranoischen Wahnwelt und sehe sich umgeben von feindlichen Mächten. Zu den politischen Realitäten im eigenen Land dagegen habe er keine Verbindung mehr. Und so wurde der Versuch Ahmadinedschads, sich über einen Urankompromiss bei den Genfer und Wiener Atomgesprächen neues Prestige im Ausland und damit neue Legitimität im Inland zu verschaffen, nach wochenlangem internen Gezerre von Chamenei persönlich abgeblasen. Denn nicht nur zwischen Ahmadinedschad und seinen präsidialen Widersachern Mussawi und Karubi, auch in den Reihen des konservativen Regimes sind noch jede Menge Rechnungen offen.

Die politische Elite des Landes ist mittlerweile so zersplittert und zerstritten, dass sie Atomentscheidungen dieser Tragweite nicht mehr untereinander koordinieren und umsetzen kann. Die Islamische Republik sei immer schon sehr fraktioniert gewesen, erläutert Iran-Spezialist Mehrzad Boroujerdi von der Syracuse University im US-Bundesstaat New York. „Aber dieses Niveau von Chaos in den höheren Machtebenen des Landes hat es schon lange nicht mehr gegeben.“

So forderte Karubi am Montag in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Monde“, vor allem das Vertrauen zwischen den Herrschenden und dem Volk im Iran müsse wiederhergestellt werden. „Repression ist keine Lösung, weder heute noch morgen“, erklärte der 72-jährige ehemalige Parlamentspräsident. Das verstünden auch die leider nur sehr wenigen moderaten Stimmen im fundamentalistischen Lager.

Immerhin lud auf deren Initiative hin das iranische Parlament vergangene Woche zu einem politischen „Vereinigungstreffen“, was die verfeindeten Lager miteinander ins Gespräch bringen sollte – ein Fehlschlag. Nur 30 der eingeladenen 199 Politiker erschienen. Ahmadinedschad ließ die restliche Schar 40 Minuten lang warten, bis sein Stab offenbarte, der Präsident werde nicht erscheinen. Der frühere Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsandschani, der die grüne Bewegung unterstützt, hatte schon vorher ausrichten lassen, er habe keine Zeit. „Zum einen wird er sich nirgendwo hinsetzen, wo Ahmadinedschad eine Rede hält“, erklärte einer seiner Vertrauten hinter vorgehaltener Hand. Und zum anderen sei Rafsandschani der Meinung, zu einem Vereinigungstreffen „hätten auch alle Oppositionsführer eingeladen werden müssen“.

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