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In Sachsen hat die Grünen-Landesvorsitzende Christin Melcher ein Direktmandat errungen

© Jan Woitas/dpa

Grüne auf dem Weg zur Kenia-Koalition: „Erstmal muss Vertrauen entstehen und Verständnis füreinander“

Sachsens Grünen-Landeschefin Christin Melcher hat bei der Wahl ein Direktmandat errungen. Sie fordert eine andere politische Kultur. Ein Interview.

Die Grünen haben zum ersten Mal in Ostdeutschland bei einer Landtagswahl Direktmandate gewonnen, eines in Brandenburg und drei in Sachsen. Was hat sich zwischen den Grünen und dem Osten getan?
Wir haben schon seit der Bundestagswahl gespürt, dass sich etwas verändert. Im Herbst 2017 ist die AfD stärkste Kraft in Sachsen geworden. Seitdem haben viele Menschen das Gefühl, sie müssten etwas tun. Auch im Wahlkampf haben wir viel Aufbruch gespürt. Unsere Veranstaltungen waren voll, beim Haustürwahlkampf hatte ich oft nette Begegnungen. Viele Leute bescheinigen uns, dass wir die Partei sind, die Zukunftsfragen angeht.

Sie haben Ihren Wahlkreis in Leipzig mit 29 Prozent der Erststimmen geholt und sind damit deutlich vor ihrem CDU-Konkurrenten gelandet, der auf knapp 21 Prozent kam.
Ich bin mir der Verantwortung bewusst, die das mit sich bringt. 30 Jahre lang hat die CDU in Sachsen fast alle Direktmandate gewonnen. Trotzdem waren viele Abgeordnete nicht wirklich im Wahlkreis präsent, sie hatten ihr Büro irgendwo in der 4. Etage und man hat sie nie gesehen. Ich will im Wahlkreis sichtbar sein, neue Beteiligungsformate ausprobieren, auf die Menschen zugehen, zuhören und ihre Anliegen mitnehmen.

Die Grünen haben ihre Direktmandate in Leipzig, Dresden und Potsdam gewonnen. Gibt es eine Spaltung zwischen Stadt und Land?
In den Großstädten erreichen wir in der Regel ein anderes Niveau, das stimmt. Aber wir haben auch in einigen ländlichen Regionen ordentliche Wahlergebnisse erzielt, gerade in Mittelzentren. In Görlitz waren es neun Prozent, in Plauen auch.

Im Wahlkampf hat Ministerpräsident Michael Kretschmer die Grünen noch als „Verbotspartei“ bezeichnet. Nun werden sie voraussichtlich mit CDU und SPD über eine Kenia-Koalition verhandeln. Haben Sie Bauchschmerzen bei dem Gedanken?
Uns war schon vor der Wahl klar, dass die Regierungsbildung nicht einfach wird. Michael Kretschmer und die CDU haben viele Leihstimmen aus dem progressiven Lager bekommen. Diese Wähler wollten verhindern, dass die AfD stärkste Kraft wird. Ich hoffe, Herr Kretschmer ist sich dieser Verantwortung bewusst. Ein Weiter so kann es in Sachsen nicht geben, wir brauchen eine andere politische Kultur.

In den Sondierungsgesprächen werden wir sehen, ob ein solches Momentum des Aufbruches zu spüren ist. Es darf kein Paktieren mit der AfD geben, die CDU muss eine klare Haltung entwickeln und darf das Problem nicht verharmlosen.

Sehen Sie auch Gemeinsamkeiten mit der CDU?
Ich hoffe, dass es bei der CDU den Willen gibt, gemeinsam etwas zu verändern. Es gäbe genügend Themen: Sachsen sollte versuchen, Energieland zu bleiben und möglichst schnell den Einstieg in erneuerbare Energien schaffen. Wir müssen die soziale Frage der Wohnungsnot in den Großstädten lösen und die ländlichen Regionen wieder besser anbinden. Außerdem wollen wir ehrenamtliches Engagement fördern. In Sachsen gibt es eine aktive Zivilgesellschaft, die wollen wir stärker unterstützen.

Überwiegen für die Grünen bei einer Kenia-Koalition die Chancen oder die Risiken?
Erstmal muss Vertrauen entstehen und Verständnis füreinander. Dann ist vieles möglich.

Und was geht mit den Grünen gar nicht?
Wir werden nicht nur der Mehrheitsbeschaffer für die CDU sein. Es wird definitiv kein Weiter so geben. Herr Kretschmer muss bereit für einen Aufbruch in ein neues Sachsen sein, sonst wird es schwierig. Ich hoffe, ihm ist klar, woher er einen Teil seiner Stimmen bekommen hat.

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