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Im Osten nicht mehr viel geholt: Ein Linken-Wahlplakat in Dresden wird gleich am Montag nach der Wahl abgebaut.

© Robert Michael/dpa

„Großer Drang zur Selbstzerstörung“: Nach Wahldebakel geht es in der Linkspartei drunter und drüber

Bei der Linken brechen nach der Wahl in Sachsen und Brandenburg alte Konflikte neu auf. Ex-Chef Klaus Ernst verurteilt Angriffe auf die Parteiführung.

Von Matthias Meisner

In der Linkspartei brechen nach dem Wahldebakel vom Sonntag in Brandenburg und Sachsen die alten Konflikte zwischen dem Lager von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht und der Parteispitze neu auf. In großer Sorge um die Diskussionen schrieb der frühere Parteivorsitzende Klaus Ernst am Dienstag einen Brandbrief an alle Bundestagsabgeordneten seiner Fraktion, in dem er die Auseinandersetzungen scharf verurteilte.

"Bei der Lektüre verschiedener Kommentare führender Genossinnen und Genossen beschleicht mich der Eindruck, dass der Drang zur Selbstzerstörung größer ist als der Drang dabei mitzuhelfen, wenigstens die Wahl in Thüringen ordentlich zu bestehen", schreibt Ernst. "Dabei merkt jeder, dass es bei der ein oder anderen überflüssigen öffentlichen Stellungnahme nicht um eine sinnvolle interne Diskussion zur Aufarbeitung des letzten Wahldebakels geht."

Klaus Ernst: Es geht um einen Machtkampf

Konkret bezieht sich der Schweinfurter Gewerkschafter, der dem Wirtschaftsausschuss im Bundestag vorsitzt, unter anderem auf Äußerungen des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Fabio de Masi, der ein enger Vertrauter von Wagenknecht ist. "Durch öffentliche Vergleiche der Lage der Partei mit dem Untergang der Titanic und der tanzenden Führung, der öffentlichen Forderung nach einem vorgezogenen Parteitag und Angriffen auf die Parteivorsitzenden soll das eigene Führungspersonal beschädigt werden, um vermeintlich bessere Machtchancen für die eigene Gruppierung zu erlangen."

Der Ex-Parteichef sagte, er fühle sich fatal an die Situation im Jahr 2012 erinnert: Bundesweit habe die Linkspartei damals bei nur noch 5,5 Prozent gelegen - "auch durch das verantwortungslose öffentliche Agieren einiger". Ernst appellierte: "Ich bitte alle Genossinnen und Genossen darum, für ihr Agieren wenigstens die Thüringen-Wahl abzuwarten und die Wiederwahl von Bodo Ramelow nicht zu gefährden." Und: "Kein Machtanspruch innerhalb der Partei kann die Zerstörung der Partei rechtfertigen."

Ernst war selbst von 2010 bis 2012 - in einer Doppelspitze mit der Berliner Abgeordneten Gesine Lötzsch - Parteivorsitzender. Seither wird die Partei von der Dresdnerin Katja Kipping und dem Stuttgarter Bernd Riexinger geführt. Die Auseinandersetzungen zwischen Partei- und Fraktionsführung waren nach der Bundestagswahl 2017 eskaliert - heftigen Streit gab es unter anderem um die Flüchtlingspolitik. Zuletzt hatte sich die Lage wieder etwas beruhigt.

Klaus Ernst, hier bei einer Demonstration im April in Berlin, war von 2010 bis 2012 Vorsitzender der Linkspartei.
Klaus Ernst, hier bei einer Demonstration im April in Berlin, war von 2010 bis 2012 Vorsitzender der Linkspartei.

© Christian Spicker/Imago

De Masi hatte nach dem Wahldebakel getwittert: "Meine Partei hat im Osten richtig auf die Fresse bekommen. Die AfD ist gestärkt. Wegducken und Schönreden geht jetzt nicht mehr." Er fügte hinzu: "Als die Titanic den Eisberg rammte, wurde auf dem Oberdeck weiter getanzt, während im Maschinenraum und bei den einfachen Passagieren bereits das Wasser stieg. Am Ende sank das ganze Schiff. Kann auch für Parteiführungen lehrreich sein."

Sorgen vor der Thüringen-Wahl

Parteichefin Kipping hatte dazu am Montag versichert: "Wir werden uns über eine Neuaufstellung verständigen, ohne Tabus." Ganz bewusst werde die Partei damit aber erst nach der Thüringen-Wahl beginnen. Ramelow, der bei der Wahl in Thüringen Ende Oktober sein Amt als erster linker Ministerpräsident verteidigen will, sagte dem Tagesspiegel: "Ich kann meiner Partei nur empfehlen, jetzt nicht in ein Crescendo oder ein Hauen und Stechen zu verfallen."

Jüngste Umfragen für Thüringen sagen der Linkspartei dort 25 bis 26 Prozent voraus. Sie wäre damit stärkste Partei vor CDU und AfD, die - je nach Befragung - beide auf Werte zwischen 21 und 24 Prozent kommen. Die SPD wird auf acht bis neun Prozent taxiert, die Grünen auf elf Prozent und die FDP auf vier bis fünf Prozent. Rot-Rot-Grün hat in Thüringen die Chance auf eine Mehrheit auch im neuen Landtag - sicher ist das aber nicht.

Vorwürfe gegen Wagenknecht

Auch Noch-Fraktionschefin Wagenknecht selbst wird wegen ihrer Analyse des Wahlergebnisses in Sachsen und Brandenburg aus den eigenen Reihen heftig kritisiert. Sie hatte der Linken Mitschuld am Erstarken der AfD gegeben und erklärt, die Partei habe sich von früheren Wählern entfremdet. Sie sagte: "Die wachsende Distanz zu dieser Lebenswelt zeigt sich auch in unserem Umgang mit AfD-Wählern, die gern pauschal als Rassisten beschimpft werden, obwohl viele von ihnen früher links gewählt haben."

Versteinerte Gesichter: Linken-Politiker Antje Feiks und André Hahn (vorne links) gemeinsam mit Genossinnen und Genossen bei der Wahlparty in Dresden.
Versteinerte Gesichter: Linken-Politiker Antje Feiks und André Hahn (vorne links) gemeinsam mit Genossinnen und Genossen bei der Wahlparty in Dresden.

© Peter Endig/dpa

Die thüringische Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss widersprach auf Twitter: "Mal wieder: Kurze Info für Sahra Wagenknecht: Wer AfD wählt, wählt rassistische, antisemitische & faschistische Partei. Wer sich dazu bewusst entscheidet, macht sich logischerweise mit Zielen AfD gemein oder duldet diese. Es sind Rassisten." Wagenknecht hatte ihren Rückzug aus der Fraktionsführung aus gesundheitlichen Gründen im März angekündigt, die geplante Neuwahl der Fraktionsspitze wurde später auf die Zeit nach der Thüringen-Wahl verschoben.

"Partei in die Sackgasse geraten"

Die Linke hatte bei den Wahlen am Sonntag sowohl in Sachsen wie in Brandenburg kräftig verloren - und war mit Werten von gut zehn Prozent in etwa auf das Niveau abgesackt, das die PDS bei den ersten Landtagswahlen nach der Wiedervereinigung 1990 hatte. Gerade in ihrem "emotional angestammten Themenfeld der Vertretung ostdeutscher Interessen" sei ihr mit der AfD Konkurrenz entstanden, analysierte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung nach dem Wahlsonntag. Die Linke hatte in alle politischen Lager verloren, in Brandenburg vor allem an die SPD, in Sachsen an AfD und CDU.

In einem dem Tagesspiegel vorliegenden internen Arbeitspapier der brandenburgischen Linksfraktion wird festgehalten, dass die Verluste der Partei in der Mark nicht allein einem negativen Bundestrend geschuldet, sondern "auch hausgemacht" seien. Vorstandsreferent Thomas Falkner schreibt, die rot-rote Landesregierung habe den Nerv der Brandenburger nicht mehr hinreichend getroffen, sie habe mit der Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung "offensichtlich nicht mehr Schritt gehalten". Falkner bilanziert: Die Partei sei "offenkundig in eine Sackgasse geraten".

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