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Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Berlin.

© dpa/Maurizio Gambarini

Update

Glyphosat-Alleingang: "Dämlich oder grobes Foul gegen SPD" - Kritik an Schmidt hält an

Der Ärger in der SPD über CSU-Minister Schmidt hat und seine Glyphosat-Entscheidung wird nicht kleiner. Dort hält man die Bemühungen um eine mögliche Koalition für schwer belastet.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider hält die Bemühungen um eine Regierungszusammenarbeit durch den Glyphosat-Alleingang von Agrarminister Christian Schmidt für schwer belastet. "Was Herr Schmidt, der Landwirtschaftsminister, gemacht hat, war eine Verletzung des Grundgesetzes", sagte Schneider am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin. Er habe die Richtlinienkompetenz von Kanzlerin Angela Merkel missachtet und sich über eine Weisung von Kanzleramtsminister Peter Altmaier hinweggesetzt. "Die Fliehkräfte in der Union sind extrem stark", sagte Schneider und sprach auch die unklare Situation in der CSU an. "Das macht es schwer, belastbar in Verhandlungen zu gehen."

Dass es zu einer Großen Koalition kommen könnte, sei etwas, "das ich noch nicht sehe", sagte Schneider. Die SPD verweigere sich zwar Gesprächen über irgendeine Form der Zusammenarbeit mit der Union nicht mehr, "aber das Ende ist noch völlig offen". Kanzlerin Merkel sei nicht zuletzt durch das Scheitern der Bemühungen um eine Jamaika-Koalition geschwächt und mit ihrem Regierungsstil offensichtlich am Ende angekommen. Schneider betonte jedoch auch: „So schlimm ist es nicht in Deutschland, dass man dieses Land nicht regieren wollen sollte".

"Wie es ausgeht ist sehr, sehr offen", sagte auch SPD-Vize Ralf Stegner mit Blick auf die Gespräche mit der Union. Er brachte erneut die Möglichkeit einer Minderheitsregierung ins Spiel. Auch Stegner wies darauf hin, die Tatsache, dass sich Schmidt im Glyphosat-Streit über eine ausdrückliche Weisung des Kanzleramts hinweggesetzt hatte: „Hier vor der Agrarlobby einzuknicken, das ist entweder in der Tat dämlich und Frau Merkel hat ihren Laden nicht im Griff, oder aber es ist ein grobes Foul gegen die SPD, und da muss ich mich fragen, was das soll“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk am Donnerstag.

SPD-Fraktionschef in NRW fordert Schmidts Entlassung

Als erster führender SPD-Politiker hat der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen, Norbert Römer, die Entlassung von Agrarminister Christian Schmidt (CSU) gefordert. Dessen Alleingang bei der Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat  sei "ein massiver Vertragsbruch", der das ohnehin beschädigte Vertrauen der SPD in die Vertragstreue der Union weiter erschüttert habe. "Deshalb muss die Kanzlerin Minister Schmidt aus der Regierung entlassen." Dies sei als vertrauensbildende Maßnahme für die anstehenden Gespräche von Union und SPD über eine Regierungsbildung wichtig, mahnte Römer: "Denn ohne ein Grundvertrauen werden die Gespräche nicht zu guten Ergebnissen führen können."

Zugleich betonte der SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, die Gespräche mit der Union seien "kein Freifahrtschein" für eine große Koalition. "Wir lassen uns aber von niemanden in ein Regierungsbündnis mit einem unzuverlässigen Partner zwingen." Die SPD habe keine Angst vor möglicherweise notwendigen Neuwahlen, versicherte er.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel geht fest davon aus, dass CSU-Mann Schmidt in einem möglichen neuen Kabinett von Union und SPD keine Rolle mehr spielt. "Für mich ist klar, dass Herr Schmidt seine Zukunft hinter sich hat", sagte der hessische SPD-Landeschef am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk. "Es war ein bewusster Akt von Herrn Schmidt", betonte Schäfer-Gümbel. Nun brauche es eine "vertrauensbildende Maßnahme" von der Kanzlerin.

Hofreiter fordert Schmidts Entlassung

Die Grünen kündigten an, im Bundestag eine weitgehende Beschränkung des Glyphosat-Einsatzes in Deutschland zu beantragen und die anderen Parteien damit in Zugzwang zu bringen. Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel zerstöre die Artenvielfalt und sei wahrscheinlich krebserregend, die Anwendung müsse deshalb massiv reduziert werden, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Dazu werden wir einen Antrag in den Bundestag einbringen, dem sich die anderen Parteien anschließen müssen, wenn sie glaubwürdig bleiben wollen."

Es sei ein Skandal, dass Schmidt Rückendeckung von CSU-Chef Horst Seehofer gehabt habe, so Hofreiter: "Die CSU hat nur die eigene Klientel und Industrieinteressen im Sinn." Der Grünen-Politiker rief Kanzlerin Angela Merkel auf, aus dem Vorfall Konsequenzen zu ziehen: "Jetzt geht es um Schadensbegrenzung: Angela Merkel muss Minister Schmidt entlassen und einen nationalen Glyphosat-Ausstieg einleiten."

"Eine gewisse Dramatik bestimmt gesucht"

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wies Forderungen nach personellen Konsequenzen zurück. "Ich halte wenig davon, dass öffentlich Satisfaktionen gefordert werden. Hier ist eine gewisse Dramatik bestimmt gesucht worden von Seiten des Koalitionspartners", sagte die Politikerin mit Bezug auf die SPD im Deutschlandfunk am Donnerstagmorgen. Kramp-Karrenbauer sprach sich klar für die Bildung eines stabilen Bündnisses mit der SPD aus und forderte mit Hinblick auf die Differenzen beim Thema Glyphosat: "Die Bürger erwarten, dass dieser Konflikt beigelegt wird."

Bundespräsident Steinmeier hat für diesen Donnerstagabend die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz zu einem Gespräch geladen, um über Optionen für eine neue Regierung zu sprechen. (mit Reuters, dpa)

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