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Die materielle Situation von Frauen hat sich kaum verändert, schreiben die Fachleute in ihrem Gutachten.

© epd

Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen: Gleichstellungsbericht verzeichnet kaum Fortschritte

Frauen arbeiten mehr, aber sie haben nur die Hälfte des Einkommens von Männern. Dazu liegen sie bei unbezahlter Sorgearbeit deutlich vor den Männern.

Auch wenn Gleichheit von Mann und Frau „noch längst nicht am Ziel“ ist, wie die neue Frauenministerin Katarina Barley (SPD) gestern betonte: Die Bundesregierung sieht sich auf dem richtigen Weg. „Erhebliche Fortschritte in der Gleichstellungspolitik“, so heißt es im gestern vom Kabinett beschlossenen Gleichstellungsbericht, habe es in den letzten sechs Jahren gegeben. Damals, 2011, wurde er zum ersten Mal vorgelegt. Die Bundesregierung will seither damit einmal pro Legislaturperiode über den Stand der Gleichheit von Männern und Frauen informieren. Kern der Berichte sind jeweils Gutachten von Fachleuten; hinzu kommt ein Kommentar der Bundesregierung.

Frauen arbeiten 87 Minuten täglich mehr im Haus als Männer

Doch was die Regierung Merkel im Bericht herausstreicht – Fortschritte bei der Entgelttransparenz etwa – hat jedenfalls bisher nicht viel an der materiellen Situation von Frauen verändert. Das jedenfalls schreiben die von der Regierung befragten Fachleute in ihrem Gutachten. So habe sich an der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen seit dem ersten Bericht „nichts Wesentliches geändert“, konstatiert die Kommission, der Ökonominnen, Soziologen und Juristinnen angehörten. Der so genannte Gender Pay Gap gibt an, um wieviel Prozent sich die Bruttostundenlöhne von Männern und Frauen unterscheiden.

Er lag 2015 bundesweit noch immer bei 21 Prozent – 23 Prozent sogar in den Westländern, 8 im Osten. Noch drastischer ist die Rentenlücke: Ebenfalls 2015 bezogen Frauen in Deutschland eigenständige Rentenleistungen, die um 53 Prozent geringer waren als die der Männer. Deutschland liegt damit auf dem letzten Platz in Europa. Aufs ganze Leben umgerechnet verfügen Frauen über 49 Prozent weniger Einkommen als Männer.

Ganz vorn liegen die Frauen freilich, wenn es um unbezahlte Sorgearbeit geht, um Kindererziehung, die Pflege von Angehörigen, Nachbarschaftshilfe oder Arbeit im Haushalt: Der Bericht maß dazu erstmals einen sogenannten „Gender Care Gap“. Auf der Basis von Zahlen aus den Jahren 2012 und 2013 liegt er bei 52,4 Prozent. Was heißt: Frauen erledigen ungefähr eineinhalb mal so viel unbezahlte Arbeit wie Männer, ein tägliches Plus von 87 Minuten.

Es müsse also nicht nur um Löhne, Vermögen und Rentenansprüche gehen: „Eine zentrale Rolle“, schreiben die Gutachterinnen, habe die Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. „Die Ungleichheit in wirtschaftlicher Hinsicht steht in engem Zusammenhang damit, wie Frauen und Männer in Deutschland ihre Zeit verwenden“, genauer: Wie sie sie zwischen meist unbezahlter Sorgearbeit und Erwerbstätigkeit aufteilen.

Vater Staat und junge Liebe

Obwohl die Bundesregierung in ihrem Kommentar zu den Erkenntnissen der Kommission immer wieder betont, dass einige der „Indikatoren der Ungleichheit“ teils „auf unterschiedliche Präferenzen von Frauen und Männern zurückzuführen“ seien: Die Kommission macht ziemlich klar, dass es sich um mehr als individuelle Entscheidungen handelt. So sei zum Beispiel die Lohnlücke zu Beginn der Berufskarrieren von Männern und Frauen – also meist vor der Familiengründung – „statistisch relativ klein“. Dann aber wachse sie „sehr stark“ und werde „im Folgenden auch nicht wieder geringer“.

Dazwischen liegt der Berufsausstieg von Eltern, meist der Mütter, wegen der Kinder und dann, wenn sie wieder einsteigen wollen, die geringere Chance auf eine gut bezahlte Stelle, eben wegen der Familienphase.

Dabei funktioniert das traditionelle Modell des Mannes als Alleinernährer längst nicht mehr wie einst, wie ebenfalls am Mittwoch eine Zahl aus dem Statistischen Bundesamt deutlich machte: Demnach trugen Frauen in Partnerschaften 1998 noch rund ein Viertel zum gemeinsamen Haushaltseinkommen bei, 2013 aber schon über ein Drittel. Und: Der Beitrag kinderloser Frauen stieg kaum stärker an als der von Frauen mit drei oder mehr Kindern.

Kühl bescheinigen die Sachverständigen dem Staat, dass auch er selbst noch immer für die Hausfrauenehe arbeitet, wo angeblich nur die freie Entscheidung junger Paare wirkt: „Die Aushandlungsprozesse in Paarbeziehungen in Bezug auf Arbeitsteilung sind beeinflusst durch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen, die zum Teil starke Anreize zur Spezialisierung auf Erwerbs- oder Sorgearbeit, jedenfalls in Ehen und Eingetragenen Lebenspartnerschaften, setzen.“ Das Ehegattensplitting, das nach wie vor die Nichterwerbstätigkeit eines Partners begünstigt, müsse zeitlich begrenzt werden. Außerdem sollten Paare über die wirtschaftlichen Folgen einer Ehe informiert werden.

Grüne: Regierung fasst Knackpunkte nicht an

Um die Berufstätigkeit von Frauen und die Sorgearbeit von Männern zu steigern, schlägt die Kommission mehr Vorgaben zur Gleichstellungspolitik in der Wirtschaft vor und mehr Kontrolle – etwa ob die Gleichstellungsvorgaben im Öffentlichen Dienst auch wirklich funktionieren. Außerdem müsse es mehr finanzielle Anreize für Männer geben, früh selbst die Erziehung ihrer Kinder zu übernehmen oder alte Eltern zu pflegen. Typisch weibliche Berufe in der Pflege oder im Haushalt müssten besser bezahlt werden und offener für Aufstieg werden.

Die Opposition kritisierte die Fortschritte als schwach: Quote und Entgelttransparenzgesetz seien gut, erreichten aber zu wenige und lösten nichts Grundsätzliches, erklärte die Grünen-Frauenpolitikerin Ulle Schauws: „Die Knackpunkte Ehegattensplitting oder Minijobs hat die Koalition erst gar nicht angefasst.“

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