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Sommer 2013: Die Polizei geht mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten am Gezi-Park vor.

© AFP

Recep Tayyip Erdogan ignoriert seine Gegner: Gezi-Park steht wieder auf der Tagesordnung

Einige haben nie so richtig daran geglaubt, dass Recep Tayyip Erdogan nach den schweren Gezi-Protesten in der Türkei klein beigeben würde. Sie haben Recht behalten.

Nuri Günay, Generalsekretär des regierungskritischen Sozialverbandes Halkevleri, rechnete nach eigenen Worten seit dem vergangenen Jahr fest damit, dass die Regierung einen neuen Versuch starten würde, das umstrittene Bauprojekt im kleinen Gezi-Park in der Istanbuler Stadtmitte trotz aller Proteste und Gerichtsentscheidungen doch noch durchzusetzen. 

Jetzt hat die Istanbuler Stadtverwaltung das Projekt für die Wiederrichtung der osmanischen Topcu-Kaserne auf dem Gelände des Parks tatsächlich wieder in ihre Pläne für die nächsten fünf Jahre aufgenommen. Der Rechtsstreit sei noch nicht endgültig entscheiden, teilte die Stadtverwaltung am Mittwoch zur Begründung mit. Über den Neubau der Kaserne werde nach Abschluss aller Gerichtsprozesse per Volksabstimmung entschieden – wenn diese Abstimmung auf den engeren Stadtbezirk um den Park beschränkt würde, hätten die Erdogan-Anhänger gute Chancen, das Plebiszit zu gewinnen.

"Wir waren sicher, dass die Regierung die Topcu-Kaserne wieder auf die Tagesordnung setzen würde", sagte Protestanführer Günay der Zeitung "Cumhuriyet". Sicher sei aber auch, dass es wieder landesweiten Widerstand gegen die Pläne geben werde. 

Auch als Präsident lässt Erdogan den Gezi-Park nicht in Ruhe. Die Proteste gegen das Kasernen-Projekte im vergangenen Jahr, bei denen neun Menschen starben, geißelte der damalige Ministerpräsident als Putschversuch gegen seine Regierung. Unterdessen ging der Streit um das Bauprojekt in dem Park, das den Anlass für die wochenlangen Demonstrationen bildete, durch die Gerichte. Im Frühjahr, kurz vor dem Jahrestag des Beginns der Gezi-Proteste, verwarf das oberste Verwaltungsgericht der Türkei das Kasernen-Projekt. Damit war Erdogans Plan gescheitert, hätte man annehmen können.

Doch Erdogan lässt nicht locker. Gegen die Stimmen die Opposition nahm der Stadtrat von Istanbul jetzt mit der Mehrheit der Präsidentenpartei AKP die Finanzplanung bis zum Jahr 2019 inklusive der Gelder für das Kasernenprojekt im Gezi-Park an. Auf welche Weise die Behörden das Vorhaben trotz der gerichtlichen Einsprüche durchdrücken wollen, ist noch nicht klar.

Kurz nach der Entscheidung im Stadtrat begannen Baumaschinen am späten Dienstagabend mit Arbeiten am Rand des Parks – sofort versammelten sich Demonstranten, die einen neuen Angriff auf die Bäume befürchteten. Offiziell ging es nur um die Erweiterung einer Bushaltestelle auf das Gelände des Parks, doch die Erdogan-Gegner glaubten nicht an eine harmlose Begründung. Am Mittwochvormittag brach die Stadtverwaltung die Arbeiten ab.

Seit sie im vergangenen Jahr das Bauprojekt im Park stoppte, hat sich die Protestbewegung zerstreut und stellt politisch keine Bedrohung für Erdogan mehr dar. Dennoch unternehme der Präsident alles, um die Bewegung zu demütigen, schrieb der Menschenrechtsanwalt und Kolumnist Orhan Kemal Cengiz in der Zeitung "Bugün". Erdogan hätte den Streit um den Park leicht beenden können, habe dies aber nicht getan, weil er ein Exempel statuieren wolle, meint Cengiz: Widerstand gegen Bauprojekte der Regierung sei zwecklos, laute die Botschaft.

Das wolle Erdogan potenziellen Demonstranten auch mit Blick auf andere Vorhaben wie den ebenfalls umstrittenen Bau des neuen Istanbuler Großflughafens nördlich der Stadt einbleuen, schrieb Cengiz. Die Erdogan-Partei AKP hat bis zum hundertsten Gründungsjubiläum der Republik im Jahr 2023 noch viel vor und will unter anderem einen neuen Schiffskanal vom Schwarzen Meer zum Marmara-Meer graben lassen. Vorher solle der Widerstandsgeist der Regierungsgegner gebrochen werden, meint Cengiz. "Deshalb lassen sie nicht von dem Kasernenbau ab."

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