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Ein Demonstrant schwenkt bei Protesten die nigerianische Flagge.

© Pius Utomi Ekpei/AFP

Nigeria kommt nicht zur Ruhe: Gewalt, Chaos und Plünderungen in Metropole Lagos

Nigerias Präsident Buhari versucht, die Lage zu deeskalieren, schweigt aber zur Polizeigewalt. Es gibt weiter Demonstrationen und Straßenblockaden.

In Nigeria spitzt sich die Lage weiter zu: Seit rund zwei Wochen kommt es bei Protesten zu heftigen Zusammenstößen, bei denen mindestens 15 Menschen getötet wurden. Die Regierung ordnete die landesweite Entsendung von Spezialeinheiten an.

Am Donnerstag kam es in der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos trotz einer noch immer andauernden Ausgangssperre wieder zu Demonstrationen und Gewalt, unter anderem in einem Gefängnis. Menschen hätten Straßen blockiert und Gebäude geplündert und zerstört, berichteten die Polizei und ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa. In Lagos leben rund 14,3 Millionen Menschen. Insgesamt hat das westafrikanisches Land rund 196 Millionen Einwohner.

Schüsse waren dem Reporter zufolge zu hören. In einer Klinik seien acht Menschen mit Schusswunden eingeliefert worden, teilte ein Mitarbeiter mit. Auch von einem Gefängnis aus seien Schüsse zu hören gewesen, sagte Anwohner Tunde Oguntola. Der „Vorfall“ in der Haftanstalt sei unter Kontrolle, sagte Polizeisprecher Olamuyiwa Adejobi, ohne Details zu nennen.

International hagelte es weiter Kritik an dem brutalen Vorgehen von mutmaßlichen Sicherheitskräften gegen Demonstranten am Dienstag, darunter von der Afrikanischen Union. Die Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie sprach von einem „Versagen der Führung“.

In einem Gastbeitrag für die New York Times“, der diese Woche veröffentlicht wurde, verurteilte sie die Gewalt der Polizeikräfte gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten. Die politische Kultur Nigerias sei durchdrungen von staatlich geförderter Gewalt.

In Afrikas größter Volkswirtschaft kommt es bereits seit zwei Wochen zu den #EndSARS genannten Protesten gegen Polizeigewalt. Ausgelöst worden waren die Proteste ursprünglich durch ein Video, das einen Beamten der mittlerweile aufgelösten Eliteeinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS) beim Töten eines jungen Mannes zeigte und in den sozialen Medien die Runde machte.

Präsident Buhari fordert Ende der Proteste

In einer Ansprache an die Nation am Donnerstagabend sagte Präsident Muhammadu Buhari, er sei bestürzt über den Tod von unschuldigen Menschen. Er rief die jungen Bürger des Landes auf, „die Straßenproteste zu beenden“. Menschen seien gestorben, zwei Haftanstalten seien angegriffen, Eigentum sei zerstört und ein Flughafen sei eingenommen worden, alles „im Namen der EndSARS-Proteste“.

Buhari rief die Demonstranten auf, die Proteste zu beenden: „Eure Stimme wurde laut und deutlich gehört.“ Die Gewalt von Sicherheitskräften gegen Demonstranten erwähnte er nicht. In den sozialen Netzwerken wurde seine Rede von vielen Nigerianern heftig kritisiert.

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Die Gruppe „Feminist Coalition“ (zu Deutsch: „feministische Koalition“), die eine Schlüsselrolle bei der Organisation der Proteste gegen Polizeibrutalität gespielt hatte, veröffentlichte nach der Präsidentenrede eine Erklärung.

Die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie, hier 2018 in Paris.

© Stephane de Sakutin/AFP

Darin riefen die Mitglieder alle Nigerianerinnen und Nigerianer dazu auf, der Weisung des Präsidenten zu folgen, zu Hause zu bleiben und die Ausgangssperre zu respektieren. Sie verurteilte jegliche Form von Gewalt: „Kein nigerianisches Leben ist es wert, durch sinnlose Gewalt zu sterben“.

Am Dienstag waren die Proteste eskaliert, als vermutlich Sicherheitskräfte auf Demonstranten an einer Mautstelle in Lagos schossen. Die Organisation Amnesty International sprach von nachweislich mindestens zwölf Menschen, die dabei von Sicherheitskräften getötet worden seien.

Schon seit Jahren, so schreibt Schriftstellerin Adichie in der New York Times, stehe die Sondereinheit der Polizei für willkürliche Festnahmen und Schikanen in der Kritik. Die Einsatzkräfte hätten willkürlich Menschen verhaftet und für die Freilassung hohe Summen Geld verlangt. Manche der Verhafteten seien nie wieder aufgetaucht. Nach Angaben von „Amnesty International“ sollen in den vergangenen dreieinhalb Jahren mindestens 82 junge Nigerianer von SARS-Beamten getötet worden sein. (mit dpa)

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