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Politik: Gestresst wie die Großen

Steigender Druck macht auch die Jüngsten krank – der erste Kinderreport fordert mehr Mitsprache für Kinder

Antje Vollmer hält ein Wahlalter ab null Jahren für richtig. Sie habe sich radikalisiert, sagte die grüne Vizepräsidentin des Bundestages bei der Vorstellung des ersten „Kinderreports Deutschland“. Wie das genau organisisert werden könnte, müsse noch überlegt werden. Die heutige Lebenssituation mache so eine Aufwertung aber nötig. Denn die ganz Jungen leiden unter einer wachsenden Belastung, hat das Kinderhilfswerk in einer Studie festgestellt, die künftig alle zwei Jahre erstellt werden soll.

Auch wenn manche Mädchen inzwischen mit acht Jahren in die Pubertät kommen – Klaus Hurrelmann, Professor für Gesundheitswissenschaften, findet es grundfalsch, Kinder immer mehr wie kleine Erwachsene zu behandeln. Die negativen Folgen eines Erziehungsideals der Selbstständigkeit und steigender Leistungsansprüche belegt der Mitautor des Reports anhand der schlechten Gesundheit der Kinder. Heute leiden diese fast so häufig wie ihre Eltern an so genannten Erwachsenenkrankheiten. Schlafstörungen und Magenkrankheiten werden immer häufiger, ein Drittel aller Jugendlicher nimmt Beruhigungsmittel oder andere Medikamente. Verschiedene psychische Störungen, bei pubertierenden Jungen besonders eine große Aggressivität, nehmen zu. Darüber hinaus beginnen immer mehr Kinder früh zu rauchen, sogar Zehnjährige trinken bereits regelmäßig Alkohol.

Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerks, fordert deshalb einerseits eine stärkere Bekämpfung der Kinderarmut. Gerade für die über eine Million Kinder, die in Deutschland von der Sozialhilfe leben, sei der Anpassungsdruck am höchsten, argumentiert er. Andererseits sei mehr Einfluss für Kinder zwingend notwendig.

Eine Forderung, die auch das Kinderhilfswerk der UN (Unicef) vertritt. In dem Bericht „Zur Situation der Kinder in der Welt 2003“ prangert Unicef an, dass den Kindern fast jede Möglichkeit fehlt, ihre Zukunft mitzugestalten. Von den 2,1 Milliarden Kindern und Jugendlichen weltweit würden 1,2 Millionen als Sklaven oder Prostituierte verkauft, 300 000 von ihnen als Soldaten missbraucht, pro Tag steckten sich etwa 7000 junge Menschen mit Aids an, zählt Dietrich Garlichs von Unicef-Deutschland auf. Wenn Kinder selbst an Entscheidungsprozessen beteiligt oder zumindest gehört würden, könnte man diese Missstände effektiver bekämpfen.

Der 16-jährige Konstantin Stern war diesen Sommer deshalb mit dabei beim ersten Weltkindergipfel in New York. Im Anschluss sollten in den einzelnen Staaten nationale Aktionsprogramme erarbeitet werden. Konstantin kann sich für Deutschland viele Bereiche zur Beteiligung vorstellen – bei der Verkehrsplanung, der Förderung an Schulen oder eben durch ein niedrigeres Wahlalter. Bisher habe das Familienministerium aber noch nicht reagiert.

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