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Karl Lauterbachs Gesetzentwurf sieht vor, die Kosten für Pharmahersteller zu senken.

© picture alliance/dpa/Jan Woitas

Mangelware Antibiotika: Karl Lauterbach will Medikamenten-Engpässen per Gesetz gegensteuern

Die Regierung will die Versorgung mit Arzneimitteln in Zukunft sicherstellen. Doch wie kam es zu den bisherigen Lieferengpässen?

Viele Familien in Deutschland beklagen dieser Tage, dass sie einfach nicht mehr gesund werden – eine Infektionswelle jagt die nächste. Nach Covid-19 kamen RSV und die Grippe und mittlerweile grassiert Scharlach in Kitas und Schulen. Zwar ist Kinderärzten zufolge bislang keine Zunahme an schweren Verläufen zu beobachten, trotzdem muss in einigen Fällen zwingend Antibiotikum gegeben werden.

Doch viele Präparate sind derzeit nicht oder nur schlecht verfügbar. Eltern laufen von einer Apotheke zur anderen und müssen am Ende doch auf Alternativen umsteigen und dazu womöglich noch einmal zurück zum Kinderarzt, um den Fall zu besprechen.

Die Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln bereiten Menschen mit Gesundheitsproblemen große Schwierigkeiten. Das Bundeskabinett verabschiedete am Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der das Problem beheben soll.

Der Kostendruck soll gesenkt werden

Ein Kernpunkt: Der Kostendruck auf die Pharmahersteller soll gesenkt werden, damit der Verkauf der Medikamente in Deutschland lohnenswerter wird. Die Kosten für die medizinische Versorgung dürften dadurch steigen.

Die Arzneimittellieferengpässe beschäftigen Deutschland seit Monaten. Für 13 Antibiotika gibt es derzeit laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Lieferengpass, darunter auch Breitspektrum-Antibiotika wie Penicillin V, die bei einer Vielzahl bakterieller Infektionen zum Einsatz kommen.

Doch wie die BfArM-Daten zeigen, gibt es gar keinen „Lieferengpass“ im wörtlichen Sinne. Bei den angesprochenen Substanzklassen habe es eine kontinuierliche Versorgung des Marktes gegeben. Dass die Präparate dennoch knapp sind, liegt offenbar an der höheren Nachfrage. „Die Daten bestätigen den deutlichen Anstieg beim Einsatz von Antibiotika in den vergangenen Wochen“, so das BfArM.

Dass Deutschland nicht in der Lage ist, kurzfristig auf einen gesteigerten Bedarf oder Probleme innerhalb der Lieferkette zu reagieren, ist auf eine grundsätzliche Marktkonzentration im Bereich der generischen, das heißt der nicht mehr patentgeschützten Arzneimittel zurückzuführen.

Ein Beispiel: Der Pharmahersteller Teva bedient in Deutschland allein mehr als 90 Prozent des Marktes mit Paracetamol-Fiebersaft. „Unsere Produktion läuft auf Hochtouren, unter Auslastung aller verfügbaren Kapazitäten“, teilt eine Firmensprecherin mit. „Diese können wir jedoch nicht beliebig steigern, da vor allem die personellen Ressourcen begrenzt sind.“

Doch es sind jedoch nicht nur Antibiotika und Fiebersäfte, die fehlen, sondern auch Krebsmedikamente, Blutdrucksenker und Hormonpräparate. „Die Last der Lieferengpässe tragen am Ende die Apotheken“, sagt die Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening. Sie müssen Patienten aufklären, im Großhandel nachfragen, ob es noch Vorräte gibt, Alternativen prüfen und Rücksprache mit Ärzten halten.

Dafür wollen die Apotheken nicht nur eine Vergütung, sondern auch mehr Freiheiten, etwa die Möglichkeit, Rezepturen selbst herzustellen, wenn kein industrielles Arzneimittel lieferbar ist.

Genau das war einer der Knackpunkte in der Ressortabstimmung zu Lauterbachs Gesetzesentwurf: Danach werden insbesondere die Preisregeln für Kinderarzneimittel gelockert, Festbeträge und Rabattverträge in diesem Bereich ganz ausgesetzt. „Kinder zuerst“, sagte Lauterbach, „das ist das Motto meiner gesamten Regierungsarbeit“.

Das war kein ehrbarer Zustand.

Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsminister zur Medikamentenversorgung.

Situationen wie im vergangenen Winter, als Eltern für ihre schwerkranken Kinder nicht einmal mehr Fiebersaft bekommen konnten, wolle er „nicht noch einmal erleben“, sagte der Minister. „Das war kein ehrbarer Zustand.“

Als Anreiz, mehr und vor allem standortnah zu produzieren, könnten pharmazeutische Hersteller daher schon jetzt ihre Abgabepreise für Kinderarzneien einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages anheben. Speziell bei Antibiotika wiederum soll künftig bei Ausschreibungen beachtet werden, ob die Wirkstoffe in der EU und Europa hergestellt wurden. Ziel der Maßnahmen sei es, so Lauterbach, die Vielfalt der Anbieter zu erhöhen und die Abhängigkeit von wenigen, meist asiatischen Produzenten wie China oder Indien zu reduzieren.

Er rechne damit, sagte Lauterbach, dass der Aufbau neuer Antibiotika-Produktionsstätten in Europa bereits „binnen drei Monaten“ gelingen könne. Um die Versorgungssicherheit zu erhöhen, soll zudem eine verbindliche, dreimonatige Lagerhaltung von rabattierten Arzneimitteln, etwa im Bereich der Krebsmedikamente, vorgeschrieben werden.

Für die Apotheker indes ist der Gesetzentwurf eine herbe Enttäuschung: Mehr als 50 Cent zusätzlich pro Packung sollen sie künftig im Falle eines Medikamenten-Austauschs nicht erhalten. Gebraucht werde aber „kein zweistelliger Cent-Betrag, sondern ein zweistelliger Euro-Betrag“, wetterte die ABDA.

Unzufrieden zeigten sich auch die gesetzlichen Krankenkassen. Mehr Geld schaffe nicht zwangsläufig mehr Liefersicherheit, kritisierte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Die Liefer- und Versorgungsprobleme hätten vielfältige, meist globale Ursachen. „Hier wird es keine Lösung sein, einseitig die Versichertengemeinschaft in Deutschland zu belasten oder Arzneimittel aus europäischen Nachbarländern abzuziehen“, sagte sie.

Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Verbands „Pro Generika“, prophezeite derweil: „Dieses Gesetz wird Engpässe nicht verhindern.“ Letztere seien entstanden, „weil immer weniger Hersteller Generika kostendeckend produzieren können“. Das Gesetz aber nehme lediglich Kinderarzneimittel und Antibiotika ins Visier. „Bei allen anderen Medikamenten bleibt die Versorgungslage, wie sie ist: wenig stabil und teilweise sogar prekär.“

Auch einen anderen Gesetzesentwurf verabschiedete der Bundestag: den zur Pflegeversicherung. Schließlich hatte das Bundesverfassungsgericht eine Nachbesserung zur Entlastung kinderreicher Familien gefordert. Hier wurden die Sätze nun nachgebessert.

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