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FDP-Spitzenkandidatin Nicola Beer und Parteichef Christian Lindner am Tag nach der Europawahl.

© REUTERS

Gescheitert am Zeitgeist: Die FDP wirkt machtlos gegen die Grünen

Weder inhaltlich noch personell konnte die FDP bei der Europawahl überzeugen. Einen Lichtblick gibt es allerdings. Eine Analyse.

Nicola Beer ist gut darin, die Dinge schönzureden. Die ehemalige FDP-Generalsekretärin und Spitzenkandidatin für die Europawahl sitzt an diesem Montagnachmittag in der Bundespressekonferenz und zieht Bilanz: Ja, gesteht sie ein, man habe sich bei der Abstimmung zum EU-Parlament mehr erhofft als den Zuwachs von 2,0 Prozentpunkten. 5,4 Prozent hat die FDP erreicht. Fünf Sitze werden die Liberalen künftig im Brüsseler Parlament haben, zwei mehr als bislang.

Die Botschaft, die Beer aber vor allem loswerden will, lautet: „Diese Groko ist weg!“ Gemeint ist die seit Jahrzehnten bestehende große Koalition zwischen Konservativen und Sozialdemokraten in Brüssel, die seit Sonntag keine Mehrheit mehr hat. Das macht die FDP mit ihren mageren 5,4 Prozent der Stimmen aber noch lange nicht zum „kleinen Wahlgewinner“, wie Parteichef Christian Lindner am Vorabend noch sagte. Wahlgewinner, das sind nämlich eindeutig die Grünen. Die will Beer in ihrem Statement vor der Bundespressekonferenz aber lieber erst gar nicht erwähnen.

Keine Chance gegen die "Methoden von links"

Lindner kommt daran nicht vorbei. Der FDP sei es einfach nicht gelungen, ihre eigene Klimapolitik als Alternative zu den „Methoden von links“ zu profilieren, räumt er ein. „Da müssen wir dran arbeiten.“ Will heißen: Die Liberalen konnten gegen die Übermacht der Grünen einfach nichts ausrichten.

Marcus Debus, Politik-Professor an der Universität Mannheim, hat eine Erklärung dafür. „Es war schwer für die FDP, Wähler zu mobilisieren, weil die Haupthemen der Europawahl – Klima- und Umweltschutz – traditionell bei den Grünen beheimatet sind“, sagt er. Den Grünen trauten die Wähler die nötige Problemlösungskompetenz in Umweltfragen einfach zu. „Den Liberalen eher nicht.“ Die FDP liegt damit gewissermaßen quer zum Zeitgeist.

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Da half es auch nicht, dass die FDP bei ihrem Bundesparteitag in Berlin Anfang Mai voll auf das Thema Klimaschutz setzte. Der freie Markt soll das Klima retten, lautet die zentrale Forderung im FDP-Programm. Eine Ausweitung des Emissionshandels steht im Mittelpunkt der „liberalen Klimapolitik“, die Lindner auch nach der Wahl beschwört: „Wir wollen, auch Klimaschutz, aber auf einem ganz anderen Weg“, sagt er. „Wir wollen, dass Klimaschutz mit wirtschaftlichem Wachstum und selbstbestimmten Leben kompatibel gemacht wird.“ Nicht Regulierungen, sondern Innovationen sollten das Klima retten.

Marc Debus ist Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Mannheim und Direktor des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung
Marc Debus ist Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Mannheim und Direktor des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung

© privat

"Alles auf Christian Lindner"

Das laufe allerdings der aktuellen Stimmung in der Bevölkerung entgegen, sagt Debus: „Eine Mehrheit plädiert derzeit eher für Eingriffe in die Wirtschaft, um das Klima zu retten. Das widerspricht der klassischen liberalen Einstellung.“ Dass Parteichef Lindner sich zuvor noch mit der populären „Fridays for Future“-Bewegung anlegte und mehr „Profis“ in der Klimapolitik forderte, dürfte den Liberalen weitere Stimmen gekostet haben.

Die Klimapolitik der FDP wird im Artikel treffend beschrieben: Überlasst das dem freien Markt – die FDP-Antwort auf einfach jedes Problem dieser Welt.

schreibt NutzerIn feihung

„Bei der FDP konzentriert sich nach wie vor alles auf Christian Lindner“, sagt Debus. Der Liberalen-Chef stehe für „Themen wie wirtschaftliche Modernisierung, Flexibilisierung oder Steuersenkung, aber eben nicht für Klima- und Umweltschutz. Seine Themen waren bei der Europawahl schlicht nicht groß gefragt.“ Doch auch wenn Lindner die Partei in der Außenwahrnehmung stark dominiert, alleine schuld ist er sicherlich nicht daran, dass die Liberalen ihr Ziel von der Verdreifachung der Europa-Stimmen verfehlt hat.

Das schlechte Ergebnis dürfte auch mit der Rolle der Spitzenkandidatin Nicola Beer zusammenhängen. Die kämpfte schon mit Widrigkeiten, bevor sie Ende Januar zur Spitzenbewerberin gewählt wurde. Zuvor war bekannt geworden, dass Beer Kontakte ins Umfeld des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán pflegt. Nicht gerade ein Vorteil, wenn man für ein geeintes Europa werben soll. Dann nahm ihr auch noch die eigene Partei übel, dass Beer nach ihrem Wechsel ins EU-Parlament unbedingt einen Sitz im FDP-Bundesvorstand behalten will – wofür die beliebte Liberalen-Politikerin Agnes Strack-Zimmermann weichen musste.

Bei der Vorstandswahl auf dem Bundesparteitag im Mai erhielt Beer die Quittung: Nur 58,5 Prozent der Delegierten wählten sie in den Bundesvorstand. Beer startete geschwächt in die heiße Wahlkampfphase. „Parteitage sind dazu da, die Spitzenkandidaten zu pushen“, sagt der Politologe Debus. „Der Parteitag der FDP im Mai war das Gegenteil.“

Die Alten wählen kaum FDP

Bei der Europawahl haben die Liberalen am besten noch bei den Jungen abgeschnitten haben. Während laut Forschungsgruppe Wahlen nur sechs Prozent der die 30- bis 59-Jährigen FDP gewählt haben und nur vier Prozent der Generation Ü60, haben immerhin acht Prozent der unter 30-Jährigen bei der FDP ihr Kreuz gemacht. Genauso viele U30-Wähler haben allerdings auch der Satirepartei „Die Partei“ ihre Stimme gegeben. Das setzt den FDP-Erfolg bei den Jungen noch einmal ins Verhältnis.

Und dann gibt es noch ein weiteres Problem für die FDP: Wählerinnen haben die Liberalen nach wie vor wenige, nur fünf Prozent der Frauen haben bei der Europawahl ihr Kreuz für die FDP gemacht.

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Grundsätzlich sei es schwierig für die FDP, „ein eigenes Profil zu finden“, sagt der Politikwissenschaftler Debus. „Die Liberalisierung der CDU macht der FDP schwer zu schaffen, in der Mitte ist es eng geworden für die FDP.“ Um wieder verstärkt Wähler mobilisieren zu können, müssten sich die Freien Demokraten von den anderen absetzen – mit „Zukunftsthemen“, wie Debus sagt: „Bildung, die Digitalisierung und ihre Konsequenzen, etwa im Hinblick auf Direkte Demokratie“.

Linda Teuteberg: Neuer Sound für die FDP

Lindner hat offenbar erkannt, dass er die FDP nicht ewig als Ein-Mann-Show führen kann. Deshalb hat er im Mai die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg als neue Generalsekretärin vorgeschlagen. Die soll für einen neuen, weicheren Sound sorgen – beim Bundesparteitag in Berlin Anfang Mai schlug sie diese sanften Töne schon einmal an. Nachdem sie mit fast 93 Prozent der Stimmen zur neuen „Generalin“ gewählt wurde, warb sie in ihrer Antrittsrede ganz FDP-untypisch für mehr Empathie mit den Armen in der Gesellschaft. Auf dem Parteitag wurde sie dafür bejubelt. Für die Europawahl war es aber wohl zu spät. Vom einem möglichen „Teuteberg-Effekt“ profitierte die FDP nicht.

Auf den dürfte die FDP aber hoffen, wenn im Herbst in Sachsen, Thüringen und – Teutebergs Heimatland – Brandenburg gewählt wurde. In der Vergangenheit hat sich die jetzige Generalsekretärin vor allem mit Migrationsthemen einen Namen gemacht. Gut möglich, dass der FDP das und Teutebergs empathischer Ton in den anstehenden Wahlen nutzt – vorausgesetzt die Themen Umwelt- und Klimaschutz werden dann nicht mehr so heiß diskutiert wie jetzt.

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