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Der Bundesrat schickte am Freitag eine Rüge nach Brüssel. 

© Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Gelbe Karte vom Bundesrat: Länder rügen Mediengesetz der EU-Kommission

Dem Bundesrat missfällt das Medienfreiheitsgesetz der EU. Die Begründung lautet: Die Ziele sind richtig, aber das Vorgehen ist falsch.

Der Bundesrat legt sich mit der EU-Kommission an. Zwar teilt er das Ziel des Brüsseler Vorhabens, das in der Länderkammer am Freitag mit breiter Mehrheit gerügt wurde. Aber er riskiert auch, missverstanden zu werden.

Was den Ländern nicht behagt, ist das EU-Medienfreiheitsgesetz oder European Media Freedom Act (Emfa). Der Entwurf ist im September von der Kommission beschlossen worden. Er richtet sich gegen staatliche Eingriffe in Redaktionen und Medienunternehmen, wie sie in einigen EU-Staaten mittlerweile vorkommen.

In Ungarn vor allem ist das der Fall, wo Ministerpräsident Viktor Orban zur Sicherung seiner Macht Gängelung und Schließung von Medienunternehmen betreibt. Auch die polnische Regierung wird deswegen kritisch beobachtet, Rumänien ist ein weiteres Land, gegen das sich das Medienfreiheitsgesetz richtet.

Brüssel will Rechtssicherheit

Das Vorhaben zielt laut EU-Kommission darauf, freie Medien als Säulen der Demokratie, aber auch der freien Marktwirtschaft zu schützen. Zu der gehört nach Brüsseler Auffassung eine plurale Medienlandschaft. Redaktionelle Entscheidungen in Medienbetrieben sollen daher besser vor Eingriffen geschützt werden, auch um die Qualität der Inhalte zu verbessern.

Es soll mehr Rechtssicherheit für Medien geben und bessere Wettbewerbsbedingungen, auch grenzüberschreitend, um sicherzustellen, dass ausländische Anbieter oder Investoren weiter Zugang zum Markt haben. Quellenschutz soll gewährleistet sein, Journalisten sollen nicht Opfer von Ausspähung sein. Weitere Ziele: transparente Eigentümerstrukturen, keine Medienmarktkonzentration, Schutz öffentlich-rechtlicher Medien vor Einflussnahme. Federführend ist die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová.

Das EU-Gesetz richtet sich vor allem gegen staatliche Eingriffe in Ungarn. Foto: Reuters/Bernadett Szabo

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Der Zielsetzung der Kommission widerspricht im Bundesrat niemand. Aber das Vorgehen stößt auf Befremden. Denn aus Sicht der Länder mischt sich die EU damit zu sehr in die Belange der Mitgliedstaaten ein. Vor allem ein neues Gremium zur Medienaufsicht stößt auf Kritik.

„Die Kommission schwingt sich nicht nur zum Mediengesetzgeber auf, sondern will gleichzeitig auch noch die Medienaufsicht übernehmen“, kritisierte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Freitag im Bundesrat.

Die „faktische Zentralisierung der Medienaufsicht auf europäischer Ebene“ sei aufgrund der fehlenden Staatsferne nach deutschem Verfassungsrecht nicht zulässig und nach Unionsrecht unverhältnismäßig, betonte Dreyer. Sie sprach von einer „Ermächtigung“ der EU per Verordnung. Die gut funktionierende Medienregulierung in den meisten EU-Staaten könne damit beschädigt werden, ohne dass die Bedrohung der Medienfreiheit in wenigen Staaten damit rückgängig gemacht würde.

 Mit der Vollendung des Binnenmarktes lässt sich nicht alles begründen

Lucia Puttrich, Bundesrats- und Europaministerin des Landes Hessen

Eine rein wirtschaftliche, auf den Binnenmarkt bezogene Betrachtungsweise werde den Medien und ihren Inhalten nicht gerecht. Medien als Teil der Kultur, so Dreyers Tenor, seien vor allem Sache der Mitgliedstaaten und keine Binnenmarktangelegenheit. Aus Sicht der Länder überschreitet Brüssel damit die Zuständigkeitsgrenze. „Mit der Vollendung des Binnenmarktes lässt sich nicht alles begründen“, sagt die hessische Bundesrats- und Europaministerin Lucia Puttrich (CDU). Sie kritisiert, dass das neue EU-Kontrollgremium laut Verordnung oft „im Einvernehmen“ mit der Kommission handeln müsse.

Gelbe Karte aus Berlin

Der Bundesrat sprach daher am Freitag eine „Subsidiaritätsrüge“ aus. Mit diesem Instrument können nationale Parlamentskammern seit 2007 der EU-Kommission sozusagen eine gelbe Karte vorhalten, wenn sie der Meinung sind, Brüssel maße sich etwas an, was nicht in die Zuständigkeit der EU-Organe gehöre. Aber mehr als eine Verwarnung ist es nicht. Das Instrument habe sich bisher „als schwach bis untauglich“ erwiesen, gesteht Puttrich zu.

Sie fordert deshalb die Bundesregierung auf, den Ländern die Verhandlungsführung im Europäischen Rat bei diesem Thema zu übertragen. Ziel ist dann, die Kommission dazu zu bewegen, von der strikten Verordnung abzurücken. Dreyer sieht in einer „Richtline, die eine nationale Ausgestaltung vorsieht, das geeignetere Instrument“.

Dass der Bundesrat damit denen in die Hände spielt, die mehr Brüsseler Regeln auf gar keinen Fall wollen, ficht die Verantwortlichen in den Ländern nicht an. Man könne nicht aus taktischen Gründen darauf verzichten, die eigene Meinung zu sagen, meinte der neue Bundesratspräsident, der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

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