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Ein Wahlplakat der AfD (oben) hängt über einem der CDU (unten) für die Wiederholungswahl in Berlin. Die Union versucht sich von den Rechtsextremen abzusetzen.

© Christian-Ditsch.de/Christian-Ditsch.de

Gegen die AfD: Könnte die CDU mit der Linkspartei koalieren?

Muss sich die CDU im Osten – angesichts von Stärke und Radikalisierung der AfD – für Koalitionen mit den Linken öffnen? Das ist in der Partei umstritten.

Es könnte alles so einfach sein für die Union: Seit Monaten liegen die Zustimmungswerte von CDU/CSU um die 30 Prozent und damit mindestens gleichauf, mitunter sogar über den Werten für die Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Durch Pannen wie das Heizungsgesetz und die Kürzungen für Landwirte hat die Ampel den Rückhalt in weiten Teilen der Bevölkerung gerade verloren.

Doch gleichzeitig treibt den CDU-Parteivorsitzenden ein Thema um, so sehr, dass er es nachträglich auf die Tagesordnung der Bundesvorstandssitzung seiner Partei gesetzt hat. Von der Schwäche der Regierungsparteien profitiert nicht unbedingt die Union, sondern die in Teilen rechtsextreme AfD. Bundesweit kommen die Blauen auf etwa 20 Prozent, in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen liegen sie vor der CDU.

Die „Brandmauer“ nach rechts steht, daran lässt Merz keine Zweifel

CDU-Chef Friedrich Merz ist deshalb besorgt und sprach sich vor der Klausur des Bundesvorstands noch einmal klar gegen eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD aus. Der „Rhein-Neckar-Zeitung“ sagte er dazu: „Wir haben dazu eine klare Beschlusslage, die wir an diesem Wochenende noch einmal bekräftigen werden: Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.“

Nur, mit welchen Parteien kann sich die CDU stattdessen zusammenschließen? Erhielten Linke und AfD bei den Ostwahlen zusammen mehr als 50 Prozent der Stimmen, muss entweder eine der beiden Parteien direkt als Partner einer Koalition oder indirekt als Unterstützerin einer Minderheitsregierung gewonnen werden. Eine Option, die Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, dazu vor acht Jahren ins Gespräch brachte, ist die Linkspartei.

Günther hält sich mit Einschätzungen zur Linkspartei zurück

Damals sagte er: „Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben, dass ein Regierungsbündnis gegen die Linke gebildet wird, muss die CDU pragmatisch sein.“ Günther meinte damit, dass die CDU eine Minderheitsregierung unter Duldung der Linken eingehen könnte.

Aus seiner Partei erhielt Günther damals viel Gegenwind. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident hält weiter an seiner Meinung fest, spricht das in der Bundesvorstandsklausur in Heidelberg jedoch nicht erneut an.

Die Linke ist unzweifelhaft eine demokratische Partei mit einigen wenigen problematischen Mitgliedern in ihren Reihen.

Marco Wanderwitz (CDU), ehemaliger Ostbeauftragter der Bundesregierung

Günthers pragmatische Haltung findet in der heutigen Situation weitere Unterstützer. „So wie die Linkspartei sich in den letzten Jahren entwickelt hat, müssen wir als Union noch einmal neu ausbuchstabieren, ob im Unvereinbarkeitsbeschluss tatsächlich die Linke mit der AfD in einem Atemzug und mit dem gleichen Ergebnis behandelt werden sollte“, sagte der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), dem Tagesspiegel.

Seiner Einschätzung nach habe sich die Linkspartei „entradikalisiert“, auch durch den Austritt von Sahra Wagenknecht. „Die Linke ist unzweifelhaft eine demokratische Partei mit einigen wenigen problematischen Mitgliedern in ihren Reihen“, sagte Wanderwitz weiter.

Die Linke muss um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen

Nach der Abspaltung des Flügels um ihr bekanntestes Mitglied müsste die Linke, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, mit Umfragewerten um die vier Prozent bei Neuwahlen um den Wiedereinzug bangen. Ein Papier mit ihren Kernzielen, das die Linksparteivorsitzenden zum Jahresauftakt vorlegten, weist überhaupt keine Überschneidungen mit den Unionsplänen auf.

Eigentlich hindert zudem ein Unvereinbarkeitsbeschluss aus dem Jahr 2018 die CDU daran, sich sowohl mit der AfD als auch mit den Linken zu verbünden. Würden sich CDU-Landesverbände über diesen hinwegsetzen, befürchten viele CDUler, dass die Glaubwürdigkeit ihrer Partei darunter leiden würde: Wenn nicht einmal mehr die Absage an die Nachfolgepartei der SED gilt, wofür steht die Union dann noch – außer für den reinen Machterhalt?

So mancher Geschichtsinteressierte hat noch die „Rote-Socken“-Kampagne aus den 90er Jahren im Hinterkopf, mit der die CDU auf Wahlplakaten vor einer rot-grünen Minderheitsregierung unter Duldung der PDS warnte.

Mike Mohring, ehemaliger CDU-Fraktionschef in Thüringen, empfiehlt keine Minderheitsregierungen.
Mike Mohring, ehemaliger CDU-Fraktionschef in Thüringen, empfiehlt keine Minderheitsregierungen.

© dpa/Martin Schutt

Das Bundesvorstandsmitglied Mike Mohring aus Thüringen thematisiert die Version einer Minderheitsregierung auch in der Bundesvorstandssitzung am Freitag. „Damit Wort und Tat nicht auseinander fallen und auf verlässliche Politik vertraut werden kann, bedarf es von der Mehrheit getragene Entscheidungen.“

Minderheitskonstellationen wie in Thüringen stärken letztlich die AfD“, sagte er dem Tagesspiegel: „Aber auf die Frage, wie angesichts der politischen Lage tragfähige Mehrheiten möglich sein sollen, ist der Verweis auf den Brandmauer-Beschluss keine plausible Antwort.“

In der Bundesvorstandssitzung waren Überlegungen wie die von Wanderwitz, Günther und Mohring ganz klar in der Minderheit. Besonders engstirnig beleuchten das Verhältnis zwischen CDU und der Linkspartei von jeher die Mitglieder aus den alten Westverbänden.

So auch Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Bundestag: „Ich sehe keinen Anlass, um unseren Unvereinbarkeitsbeschluss gegenüber der Linken aufzuweichen. Die Linkspartei ist trotz allem die Nachfolgepartei der SED, sie hat sich noch nicht glaubhaft vom DDR-Unrechtsstaat distanziert.“

Die Zusammenarbeit mit einer sozialistischen Partei führe seiner Meinung nach zu mehr Unzufriedenheit im Land. Offensichtlich gibt es innerhalb der CDU eine unterschiedliche Wahrnehmung der Linkspartei, Mitglieder der Landesverbände im Osten gehen pragmatischer an die Sache. Trotz des klaren Umfragevorsprungs zeigt sich, dass die Christdemokraten intern noch einige Fragen zu klären haben.

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