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Aufmarsch von Neonazis in Halbe, Brandenburg (Archivbild)

© Imago/Christian Ditsch

Exklusiv

Gefahr rechter Anschläge nimmt weiter zu: Polizei stuft 76 Neonazis als terroristische Gefährder ein

Die Zahl der Gefährder aus dem Rechtsextremismus wächst um 50 Prozent. Die Szene dockt zudem bei aggressiven Coronaleugnern und Impfgegnern an.

Von Frank Jansen

Die Sicherheitsbehörden trauen deutlich mehr Rechtsextremisten Anschläge zu als 2020. Die Polizeien der Länder führen zum Ende 2021 insgesamt 76 Neonazis und andere Rechte als terroristische Gefährder, das sind fast 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damals war von 52 rechten Gefährdern die Rede. Das geht aus den Angaben des Bundeskriminalamts zu einer Anfrage des Tagesspiegels hervor. Gestiegen ist auch die Zahl der potenziellen Unterstützer terroristischer Aktionen von rechts. Das BKA berichtet von 183 „relevanten Personen“, 2020 waren es 126. Die Daten für das vergangene Jahr finden sich in der Antwort der Bundesregierung vom April 2021 auf eine Anfrage der AfD-Fraktion.

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Die Zunahme rechter Gefährder sei ein weiterer Beleg für die „wachsende Radikalität“ der Szene, heißt es in Sicherheitskreisen. Dazu passt, dass der Verfassungsschutz von einem Anstieg beim „Personenpotenzial“ der gewaltorientierten Rechtsextremisten spricht. Genaue Zahlen nennt das Bundesamt für Verfassungsschutz noch nicht, doch zu erwarten ist, dass die Zahl von 2020 - damals waren es 13.300 gewaltorientierte Personen - nochmal um einige hundert steigt. Das Bundeskriminalamt will von 2022 an mit dem neuen Risikobewertungssystem „RADAR rechts“ potenzielle Terroristen und ihre Unterstützer genauer unter die Lupe nehmen.

„Mischszene heizt sich auf“

Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden die immer engere Verbindung von Rechtsextremisten mit aggressiven Coronaleugnern und Impfgegnern. Die Mischszene heize sich auf, heißt es. Die Polizei hat allerdings noch keine Personen aus dem Spektrum der Coronaleugner und Impfgegner als Gefährder eingestuft.

Die Länderpolizeien werden allerdings vom 1. Januar 2022 an die Straftaten aus dem Milieu als eigenes „Themenfeld“ mit dem Titel „Covid-19-Pandemie“ in den Kriminalpolizeilichen Meldedienst zu Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) einführen. Die Initiative dazu sei vom Bundesinnenministerium ausgegangen, sagte eine Sprecherin von Ministerin Nancy Faeser (SPD). Bislang wurden die Straftaten provisorisch in der PMK-Bilanz aufgelistet. Im Themenfeld wird zudem als ein „Angriffsziel“ die Kategorie „Gesundheitswesen“ benannt. Damit sind vor allem verbale wie auch tätliche Attacken auf impfende Ärzte, Impfzentren und weitere medizinische Einrichtungen gemeint.

Starke Zunahme bei Straftaten von Coronaleugnern und Impfgegnern

Unterdessen zeichnet sich eine deutliche Zunahme bei Straftaten von Coronaleugnern und Impfgegnern ab. Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen berichteten auf Anfrage des Tagesspiegels von stark steigenden Zahlen. Die Polizei in Baden-Württemberg registrierte über einen „Sonderauswertemerker Corona“ von Januar bis September 2021 insgesamt 489 politisch motivierte Straftaten, darunter 71 Gewaltdelikte. Im gesamten Jahr 2020 hatte die Polizei 295 Delikte mit 22 Gewalttaten festgestellt.

Das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen sagt, bei Kundgebungen und Demonstrationen im Zusammenhang mit der Pandemie gebe es 2021 „mehr als eine Verdopplung und damit eine deutlich steigende Tendenz“. 2020 hatte die Polizei in NRW 74 Fälle registriert. Hinzu kamen damals 598 Straftaten von Coronaleugnern jenseits von Aufläufen. Im Jahr 2021 gebe es da ein „ähnliches Niveau“, heißt es in Düsseldorf.

Von einer „stark steigenden Tendenz“ berichtet auch die Polizei in Sachsen. Bei politisch motivierten Straftaten „im Corona-Kontext“ gebe es ein Plus von zirka 70 Prozent gegenüber 2020. Damals wurden 519 Delikte festgestellt. Erst am vergangenen Montag hatten Coronaleugner wieder randaliert. Bei einer Demonstration in Bautzen wurde die Polizei massiv attackiert. Zwölf Beamte erlitten Verletzungen, ein Dutzend Einsatzfahrzeuge wurde beschädigt.

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