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Nick Clegg, britischer Vize-Premier.

© AFP

Britischer Vize-Premier Nick Clegg in Berlin: „Freizügigkeit ohne Sozialanspruch“

Wissbegierig, jung und energiegeladen tritt er auf. Einen Vorschlag zur Lösung der Streits zwischen London und Brüssel hatte der britische Vize-Premier Nick Clegg bei seinem Berlin-Besuch auch im Gepäck.

Er ist nach Berlin gekommen, um sich aufzuladen, Denkanstöße mitzunehmen und zu geben. Die FDP ist ein warnendes Beispiel für den Chef der britischen Liberaldemokraten: Liberale können aus dem Parteienspektrum verschwinden, wenn sie nicht zeigen, wofür man sie braucht. In Berlin-Kreuzberg schaut er sich das Betahaus an. Gelänge in seinem strukturschwachen Wahlkreis Sheffield, Nordengland, Ähnliches – Start-ups in leer stehenden Gebäuden anzusiedeln –, stiegen seine Wahlaussichten im Mai. Bei den Europathemen sollen Briten und Deutsche aus der wechselseitigen Frustrationsspirale ausbrechen, mehr miteinander als übereinander sprechen. Die atlantische Wirtschaftspartnerschaft TTIP gehört für Nick Clegg zur Zukunftssicherung. Über beides redet er mit Sigmar Gabriel: von Vizepremier zu Vizekanzler.

In EU-Fragen ist Clegg ein Gegenpol zu Premier David Cameron. Neben Englisch spricht er Deutsch, Französisch, Niederländisch, die Sprache seiner Mutter, und Spanisch, die Sprache seiner Frau. Jahrelang hat er in Brüssel gearbeitet. Die Dynamik, die Camerons Versprechen einer Volksabstimmung über den EU-Austritt ausgelöst hat, bereitet ihm Sorgen: der Aufstieg der nationalistischen Ukip, das knappe Schottland-Referendum, das auch dort den Nationalisten Auftrieb gibt. In Berlin sucht er Verbündete. Anders als Cameron will er die Freizügigkeit in der EU bewahren und nur die Ansprüche auf Sozialleistungen wie das kostenlose britische Gesundheitssystem beschränken: auf die Bürger, die in die Systeme einzahlen. Da lobt er die klärenden Urteile der europäischen Gerichte.

Wissbegierig, jung und energiegeladen tritt Clegg in Berlin auf; seine Termine beginnen früh um 7 Uhr, seine Entourage bilden Mittdreißiger, nicht weißhaarige Ministeriale. Der jugendliche Haarschnitt lässt den 47-Jährigen wie einen von ihnen erscheinen.

Selten war ein Wahlausgang in Großbritannien so unvorhersehbar. Cameron und Clegg muten den Bürgern harte Einschnitte zu. Labour scheint davon nicht zu profitieren, auch wegen des profillosen Vorsitzenden Ed Miliband. Die Ukip bedroht alle drei Traditionsparteien. Die Tories treibt sie mit EU-Ablehnung vor sich her. Labour macht sie Arbeiter, die Zuwanderung fürchten, abspenstig. Wer beiden Lagern misstraut, dem blieben früher nur die Liberaldemokraten als Alternative. Nun gibt es Ukip. Clegg weicht dem Druck nicht aus. Er geht in die Offensive.

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