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Durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt wieder Gas.

© Hannibal Hanschke/Reuters

Folgen des Gas-Streits mit Russland: Putin, die Ukraine und wir – ein brenzliges Trio

Die Politik muss deutlich machen, wie sie die Bevölkerung vor den Folgen der Energieverknappungen schützen kann. Das wird immer schwieriger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Fließt das Gas? Liefert Putin? Wie zuverlässig ist die Versorgung? Auch von den Antworten auf diese Fragen hängt die Volkswirtschaft einer der größten Industrienationen der Welt ab, und damit auch die Existenz der mehr als 80 Millionen Menschen, die in Deutschland leben.

Und da wundert sich wirklich noch jemand, wenn bei einer demoskopischen Umfrage für das ZDF erstmals mehr Interviewte größere Sorgen wegen der unsicheren Energieversorgung als wegen der Lage in der von Russland überfallenen Ukraine haben?

Erfreulich überraschend ist allenfalls, dass 70 Prozent der für das ZDF-Politbarometer interviewten Bürgerinnen und Bürger die Ukraine dennoch weiter unterstützen wollen, selbst wenn dies mit höheren Energiepreisen verbunden sei.

Nun ist „höhere Energiepreise“ ein relativer Begriff, dessen Schärfe nicht nur von der absoluten Höhe, sondern auch von der Einkommenssituation der Befragten abhängt. Warten wir ab, wie die Einschätzung aussieht, wenn die ersten Nachzahlungen für Gas Haushalte in die Verschuldung treiben oder Menschen entlassen werden, weil ihre Betriebe ohne Gas nicht mehr produzieren können.

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Eine nüchternere Einschätzung erhält, wer die überall spürbaren Zweifel an der Wirksamkeit der Restriktionen reflektiert. Treffen sie Russland überhaupt? Verkauft Putin Gas und Öl nicht zu gleichen Preisen an andere Abnehmer?

Schwächt es seine innenpolitische Position ernsthaft, wenn es in Moskau keinen McDonald’s mehr gibt und keine Textilien von H & M? Ist seine Anmerkung, die Sanktionen führten zu einer „kolossalen Menge an Schwierigkeiten“, nicht vor allem dem Faktum geschuldet, dass der westliche Exportbann für Hochtechnologien die russische Industrie trifft? Dass er die Schuld also dem Westen zuschieben kann?

Kann die Regierung die Bevölkerung vor den Folgen der Sanktionen schützen?

In der Europäischen Union insgesamt und in der Bundesrepublik ganz besonders bleibt der Politik die Kernaufgabe, deutlich zu machen, wie sie die Bevölkerung vor den Folgen der Restriktionen und Energieverknappungen schützen kann. Die deutsche Regierungsposition – wir unterstützen die Ukraine mit allen Mitteln – ist leider nur verbal eindeutig. Zweifel an ihrer Konsistenz werden nicht nur im verbündeten europäischen Ausland und in den USA, sondern auch in der deutschen Politik artikuliert.

Den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer von der CDU kann man vielleicht noch als verirrte Einzelmeinung abtun. Aber CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagt im ZDF-Sommerinterview, die Solidarität mit der Ukraine sei gut, die Politik gegenüber Russland aber falsch. Sein Generalsekretär Martin Huber darf das noch zuspitzen: Westliche Waffen seien deutlich wirkungsvoller als westliche Sanktionen, sagt er.

Die Panzerlieferungen werden verschleppt

Dass aus vielen Nato-Staaten, von Frankreich, Großbritannien, den USA, den Niederlanden, Frankreich, wirkungsvollere Waffenhilfe für die Ukraine geleistet wird als von Deutschland, ist ein offenes Geheimnis.

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Polen beklagt sich jetzt bitter darüber, dass geplante deutsche Panzerlieferungen über Monate hinweg verschleppt werden. Diese aber sind die Voraussetzung dafür, dass Polen entsprechendes militärisches Gerät an die Ukraine abgeben kann.

Verfolgt die Bundesregierung, verfolgt ihr sozialdemokratischer Kanzler hier eine anschmiegsame Verzögerungspolitik, die den linken SPD-Flügel mit dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich ruhigstellen soll?

Eine in sich nicht schlüssige oder zumindest nicht überzeugend erklärte Politik ist in so schwierigen Zeiten fatal. Die im Vergleich zu Olaf Scholz’ Ansehen in der öffentlichen Bewertung so viel besseren persönlichen Werte von Vizekanzler Robert Habeck erklären sich ja vor allem aus dessen Bereitschaft, seine Zuhörerinnen und Zuhörer an den schwierigen Entscheidungsprozessen teilhaben, die Komplexität begreifen zu lassen. Dies ist ein mündiges Volk. Es sollte von seiner Regierung, sollte vom Kanzler auch so behandelt werden.

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