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Bundesaußenministerin Baerbock und ihr italienischer Amtskollege Di Maio am Montag in Brüssel.

© Johanna Geron/REUTERS

Flüchtlinge aus der Ukraine: Die neue Einigkeit der EU – und ein alter Streit

Baerbock will eine Luftbrücke zur Verteilung der Flüchtlinge in der EU. Polen und Ungarn hadern derweil weiter mit dem Umsiedlungs-Konzept von 2015.

Die Zahlen der Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine in die EU fliehen, steigen weiter an. Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bereitete die EU am Montag bei einem Besuch in Estland darauf vor, dass die Gemeinschaft erst am Anfang einer Krise steht, welche die Flüchtlingskrise von 2015/16 schon jetzt in den Schatten stellt. „Es werden noch viele weitere Millionen kommen“, sagte die Schwedin.

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Nach gegenwärtigem Stand sind mehr als drei Millionen Menschen aus der Ukraine, viele davon Frauen mit Kindern, in die EU geflüchtet. Laut Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) haben davon mehr als zwei Millionen Menschen Zuflucht in Polen gefunden, 535.000 in Rumänien, 312.000 in Ungarn und 250.000 in der Slowakei. Im kleinen Nicht-EU-Land Moldawien sind bislang 365.000 Menschen aus der Ukraine untergekommen.

In dieser Notlage rief  Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag in Brüssel zur Entlastung der direkten Nachbarstaaten der Ukraine auf. Der Appell richtete sich vor allem an die Adresse von westeuropäischen Staaten wie Spanien oder Frankreich. „Wir brauchen nicht nur Korridore vor Ort aus der Ukraine heraus, sondern wir brauchen eine solidarische Luftbrücke“, sagte sie. „Jeder muss Geflüchtete aufnehmen.“ Baerbock griff damit einen Vorschlag des Migrationsforschers Gerald Knaus auf, der schon früh nicht nur vor einer Überlastung der an die Ukraine angrenzenden Staaten gewarnt hatte, sondern auch vor extrem hohen Flüchtlingszahlen in nahe gelegenen Städten wie Berlin und Wien.

Regierungssprecher Hebestreit: Herausforderung für EU als Ganzes

In Deutschland wurden bislang knapp 220.000 Flüchtlinge offiziell registriert, die tatsächliche Zahl liegt aber deutlich darüber. Nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Hebestreit handelt es sich bei der Unterbringung und Versorgung der Hilfsbedürftigen  um eine Herausforderung für die EU als Ganzes.

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Grundsätzlich gibt es auch in den Staaten im Westen der EU eine Bereitschaft, mehr Menschen aus der Ukraine als  bisher aufzunehmen. So sagte Irlands Außenminister Simon Coveney, dass alle Staaten die Geflüchteten in der gegenwärtigen Notlage unterstützen müssten. Bei der Umsetzung landet man aber sehr schnell bei der konkreten Frage, wie viele Flüchtlinge jedes EU-Land übernehmen soll. Genau ein solches Quoten-Konzept hatten Polen und Ungarn während der Flüchtlingskrise 2015/16 abgelehnt.

Nach den Angaben von EU-Diplomaten wollen eben jene Staaten auch diesmal alles vermeiden, was dem Konzept einer Umsiedlung von Flüchtlingen nahekommt. Der Grund: Falls jetzt ein System zur Umsiedlung eingeführt würde, wären Polen und Ungarn daran auch bei einer künftigen Aufnahme von Flüchtlingen aus Afrika gebunden, die in den südeuropäischen EU-Staaten ankommen.

Immerhin scheint es der EU angesichts der Notlage in Moldawien zu gelingen, den  alten Streit hinter sich zu lassen. Der rumänische Außenminister Bogdan Aurescu erklärte, dass sein Land gemeinsam mit Deutschland und Frankreich die Organisation einer Konferenz   zur Koordinierung der Moldawien-Hilfe am 5. April in Berlin unterstütze.

Erste Flüge gegen Ende der Woche

Zunächst sollen 13.000 Flüchtlinge, die derzeit in Moldawien ausharren, in EU-Ländern wie Deutschland, Frankreich, Litauen und Spanien untergebracht  werden.  Nach den Angaben von Baerbock sollen am Ende dieser Woche die ersten Flüge zur Verteilung dieser Flüchtlinge starten. Wie Rumäniens Außenminister Aurescu weiter schilderte, sind zur Entlastung der Behörden in Moldawien inzwischen „grüne Korridore“ geschaffen worden, auf denen die Flüchtlinge von der ukrainisch-moldawischen Grenze direkt auf rumänisches Gebiet gelangen können.

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