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Der Abgehängte. Mitarbeiter schaffen Porträts des geflüchteten Präsidenten Ben Ali aus der Kanzlei des Premierministers.

© Fethi Belaid / AFP

Ben Ali: Flucht durch den Geheimtunnel

Der geschasste tunesische Präsident Zine el Abidine Ben Ali und seine Frau haben offenbar Goldbarren im Millionenwert ins Exil geschafft. Der Reichtum des Clans stammt aus Korruptionsgeschäften und dem systematischen Griff in die Staatskassen.

Juwelen, Goldbarren, geheime Konten: Auch nach ihrer Flucht aus Tunesien muss sich die Familie des gestürzten tunesischen Diktators Zine el Abidine Ben Ali keine allzu großen Sorgen machen. Die Koffer waren schon länger gepackt, Vermögen heimlich ins Ausland geschafft worden. Auch am Roten Meer in Saudi-Arabien, wo Ben Ali (74) und seine Frau Leila Trabelsi (53) nun vermutet werden, dürfte ihnen also das Geld nicht ausgehen.

Die französische Zeitung „Le Monde“ fügte der sattsam bekannten Raffsucht der Diktatorenfamilie nun noch ein hübsches Detail hinzu: Leila Trabelsi soll kurz vor ihrer Flucht per Flugzeug noch kurz bei der Zentralbank vorbeigeschaut haben, um 1,5 Tonnen Gold in handlichen Barren mit auf die Reise zu nehmen. Das Gold soll einen Wert von rund 45 Millionen Euro haben, berichtete das Blatt unter Berufung auf den Geheimdienst.

Zu diesem Reisekleingeld gesellen sich freilich sehr viel größere Summen, die Ben Ali und Leila Trabelsi im Ausland angehäuft haben. Schätzungen gehen von mehreren hundert Millionen, vielleicht sogar Milliarden Euro aus, die in Frankreich, der Schweiz und Finanzparadiesen in der Karibik schlummern sollen. Auch etliche millionenschwere Auslandsimmobilien soll die Familie, die von amerikanischen Diplomaten als „Mafia“ beschrieben wurde, in ihrem Besitz haben.

In der Schweiz wird bereits diskret nach Geheimkonten des tunesischen Machtclans gefahndet. Diese könne man aber erst sperren, hieß es aus dem Außenministerium in Bern, wenn ein Rechtshilfeersuchen der neuen tunesischen Regierung vorliege. Auch Frankreich versicherte treuherzig, dass man nach Bankkonten und Besitztümern der Despotenfamilie suchen werde – die ehemalige Protektoratsmacht war bisher der engste europäische Verbündete und hatte sich eher schützend vor Ben Ali gestellt.

Der Reichtum der „Familie“, wie der weitverzweigte Clan im Volk schlicht genannt wurde, stammt aus Korruptionsgeschäften und dem systematischen Griff in die Staatskassen. Unter dem Etikett der „Privatisierung“ und „Liberalisierung“ des Marktes, beklagt die Opposition, habe sich die Präsidentenfamilie Banken, Supermarktketten, Telekommunikationsunternehmen, Hotels und alle möglichen Importlizenzen für Konsumgüter unter den Nagel gerissen.

Ausländischen Unternehmen, die um tunesische Aufträge buhlten, seien millionenschwere „Vermittlungskommissionen“ abgeknöpft worden. Die Präsidentenmafia habe „Kredite“ von den Staatsbanken gefordert, die nie zurückgezahlt wurden. „Raus mit der Mafia, wir wollen keine Staatsdiebe“, skandierten die Demonstranten in den letzten Wochen. Nach dem Sturz Ben Alis wurden Luxusvillen und Besitztümer des Machtclans in Tunesien geplündert und in Brand gesteckt. Die versprochene tunesische Untersuchungskommission zur Korruption wird in der Zukunft viel Arbeit haben – soweit man sie wirklich zum Zuge kommen lässt.

Dem gestürzten Präsidenten wird das nicht viel anhaben: Er kann noch für Monate in Saudi-Arabien bleiben. Am Montag verlautete aus gut unterrichteten Kreisen in Riad, Ben Ali und seine Ehefrau Leila seien von der Herrscherfamilie Ibn Saud in einem Palast in Dschidda untergebracht worden. Bei ihnen sollen die jüngste Tochter des Paares und eine Schwester der Präsidentengattin sein. In Saudi-Arabien könnten sie bis zum Sommer bleiben, hieß es. Ein Sprecher der tunesischen Botschaft in Riad wollte sich auf Anfrage zum Aufenthaltsort von Ben Ali nicht äußern. „Uns darum zu kümmern, ist nicht unsere Aufgabe“, sagte er.

Ein Hausangestellter der Präsidentenfamilie erklärte, Ben Ali und seine Frau Leila hätten sich am Tag ihrer Flucht nichts anmerken lassen. Die Präsidentengattin habe noch ein Mittagessen bestellt, das aber nicht mehr verzehrt worden sei. Stattdessen seien Ben Ali und seine Angehörigen durch einen geheimen Tunnel von Sidi Bou Said nach Karthago verschwunden. Dort seien sie in einen Hubschrauber gestiegen. mit dpa

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