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Überwachungskameras sind über der deutschen und der chinesischen Flagge vor der Tongji-Universität montiert.

© picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Festnahme wegen Agententätigkeit für China: Was über die mutmaßlichen Spione bekannt ist

Die Bundesanwaltschaft hat ein Ehepaar und einen weiteren Mann festnehmen lassen. Sie sollen China Informationen über militärisch nutzbare Technologien verschafft haben.

Das Düsseldorfer Ehepaar, bei dem am frühen Montagmorgen Beamte des Bundeskriminalamtes klingeln, ist schon im Rentenalter. Herwig F. und seine Frau Ina scheinen so gar nicht zu dem Bild zu passen, das sich die deutsche Öffentlichkeit gern von Spionen macht.

Doch gegen die beiden erhebt die Bundesanwaltschaft schwere Vorwürfe: Das Ehepaar sowie ein weiterer Beschuldigter werden der Spionage für einen chinesischen Geheimdienst verdächtigt. Alle drei wurden deshalb am Montag festgenommen. Die beiden Männer sind mittlerweile in Untersuchungshaft. Die festgenommene Frau soll am Dienstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden. 

Der dritte Beschuldigte, Thomas R., der in Bad Homburg festgenommen wurde, soll als Agent für einen Mitarbeiter des chinesischen Ministeriums für Staatssicherheit (MSS) tätig gewesen sein. „Im Auftrag dieser Person beschaffte Thomas R. in Deutschland Informationen zu militärisch nutzbaren innovativen Technologien“, teilte die Bundesanwaltschaft mit. „Hierzu bediente er sich der Eheleute Herwig F. und Ina F., die von Düsseldorf aus eine Firma betrieben. Diese dient als Medium zur Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit Personen aus der deutschen Wissenschaft und Forschung.“

Die 2012 gegründete Firma hat nach Tagesspiegel-Recherchen ihren Hauptsitz in London, wo das Ehepaar längere Zeit gelebt hat. Als Eigentümer traten aber nicht Herwig und Ina F. auf, sondern offenbar ein weiteres Familienmitglied, wie aus dem britischen Handelsregister Companies House hervorgeht.

Kooperation mit einer deutschen Universität

Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben beispielsweise ein Elektrofahrzeug entworfen, das an die besonderen Anforderungen des Taxibetriebs angepasst ist. Herwig F. hat sowohl Maschinenbau als auch Luft- und Raumfahrzeugtechnik studiert und sich dabei vor allem auf den Bereich Antriebstechnik konzentriert. Der 72-Jährige ist bereits seit mehreren Jahrzehnten selbständig im Bereich Entwicklung und soll mehr als 150 Patente angemeldet haben.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „erheblichen Gefahr durch chinesische Spionage“.

© dpa/Georgios Kefalas

Während er in dem Unternehmen die technische Leitung hat, ist seine Frau Ina für die Geschäftsführung zuständig. Auch Thomas R. wird auf der Firmenwebseite als Mitarbeiter genannt, demnach kümmert er sich um „Investor Relations“. Als Referenzen nennt das Unternehmen alle großen deutschen Autohersteller.

Das Ehepaar soll nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler ein Kooperationsabkommen mit einer deutschen Universität geschlossen haben – zum Zweck des Wissenschaftstransfers. „Gegenstand war in der ersten Phase die Erstellung einer Studie für einen chinesischen Vertragspartner zum Stand der Technik von Maschinenteilen, die auch für den Betrieb leistungsstarker Schiffsmotoren, etwa in Kampfschiffen, von Bedeutung sind“, so die Bundesanwaltschaft.

Hinter dem chinesischen Partner verbirgt sich die Staatssicherheit

Doch hinter dem Vertragspartner in China verbarg sich offenbar in Wirklichkeit der Geheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit. Staatliche Stellen in China sollen das Projekt auch finanziert haben.

Mit der Festnahme kam die Bundesanwaltschaft möglicherweise weiteren Spionage-Vorhaben dieser Art zuvor. Die Beschuldigten hätten sich in Verhandlungen über Forschungsprojekte befunden, „die zum Ausbau insbesondere der maritimen Kampfkraft Chinas nützlich sein könnten“, teilte die Behörde von Generalbundesanwalt Jens Rommel mit.

Speziallaser im Auftrag Chinas gekauft und ohne Genehmigung exportiert

Es blieb nicht nur bei der Forschung: Die drei Beschuldigten sollen von Deutschland aus einen Speziallaser gekauft und nach China exportiert haben – im Auftrag und mit dem Geld des MSS. Weil das Gerät zu den so genannten Dual-Use-Gütern gehört, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke eingesetzt werden können, und weil die Beschuldigten für die Ausfuhr keine Genehmigung hatten, wird ihnen auch ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz zur Last gelegt.

Zudem bemühten sich das Ehepaar und Thomas R. offenbar darum, ihr Kontaktnetzwerk in Deutschland zu erweitern. Nach Tagesspiegel-Recherchen gründeten sie 2018 gemeinsam einen Verein, der Forschung zu Elektromobilität und autonomem Fahren unterstützen sollte.

Wer in Deutschland für ausländische Geheimdienste tätig wird und rechtswidrig potentielles militärisch nutzbares Material exportiert, muss mit einer harten Antwort unseres Rechtsstaats rechnen.

Marco Buschmann (FDP), Bundesjustizminister

Die Aktivitäten der drei Helfer Chinas gerieten irgendwann ins Visier des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Dort sei man ihnen schon sehr früh auf die Spur gekommen, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang bei einem Symposium des Bundesamtes am Montag in Berlin. Ihre Aktivitäten seien dann so lange überwacht worden, bis es möglich gewesen sei, den Fall an die Strafverfolgungsbehörden abzugeben. Es handele sich um „einen klassischen Fall von Proliferation“, sagte Haldenwang.

China ist allerdings im Bereich Proliferation ein Sonderfall. Anders als andere Staaten ist das Land nicht an der Beschaffung von atomwaffenfähigen Material interessiert, sondern an westlicher Hochtechnologie, wie der nun bekannt gewordene Fall mit dem Speziallaser zeigt.

China wies die Spionage-Vorwürfe aus Deutschland am Montag zurück. „Wir fordern die deutsche Seite auf, die Spionagevorwürfe nicht weiter auszunutzen, um das Bild Chinas politisch zu manipulieren und China zu diffamieren“, erklärte die chinesische Botschaft in Berlin gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. 

„Wer in Deutschland für ausländische Geheimdienste tätig wird und rechtswidrig potentielles militärisch nutzbares Material exportiert, muss mit einer harten Antwort unseres Rechtsstaats rechnen“, erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „erheblichen Gefahr durch chinesische Spionage in Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft“.

Für eine „noch kritischere Abwägung von Risiko und Nutzen“ in der Zusammenarbeit im Hochschulbereich sprach sich Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) aus. Sie warnte davor, im Umgang mit China „naiv“ zu sein.

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