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Der Vorsitzende der Brexit-Partei, Nigel Farage.

© imago images/ZUMA Press

Trotz Verzicht auf Tory-Wahlkreise: Farage könnte Johnson den Wahlsieg verderben

Die Brexit-Partei steht nur für eine Minderheit, aber entscheidet womöglich die Wahl. Gibt es am Ende wieder ein Parlament ohne Mehrheiten? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Hartlepool ist ein Wahlkreis im Nordosten Englands. Seit der Wahlkreis im Jahr 1974 geschaffen wurde, ist die Labour-Partei bei Parlamentswahlen dort stets die stärkste Partei gewesen. Es sind Labour-Hochburgen wie die Hafenstadt Hartlepool, in denen der britische Premierminister Boris Johnson bei der Parlamentswahl am 12. Dezember unbedingt punkten muss, wenn er eine Mehrheit im Unterhaus erringen will. Doch Nigel Farage, der Chef der Brexit-Partei, droht ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.

Die Brexit-Partei vertritt eine Minderheitenposition

Die Brexit-Partei setzt sich dafür ein, dass Großbritannien die EU am besten ohne Austrittsvertrag verlässt und einen eindeutigen Bruch mit der Gemeinschaft riskiert. Eine derart radikale Position, die bei der letzten Parlamentswahl noch von der Ukip-Partei vertreten wurde, findet nur bei einer Minderheit der Briten Anklang. Deshalb sind die Ultra-Brexiteers derzeit im Unterhaus gar nicht vertreten.

Farage möchte dies nun ändern. Es war kein Zufall, dass er für seine Ankündigung, die Labour-Partei bei der Wahl herauszufordern, den Wahlkreis Hartlepool aussuchte. Der Distrikt gehörte beim EU-Referendum von 2016 zu den Hochburgen der Brexit-Befürworter. Einige Labour-Anhänger könnten also tatsächlich bei der Parlamentswahl in Versuchung kommen, Farages Partei die Stimme zu geben.

Damit kommt der Brexit-Partei nach wie vor eine entscheidende Rolle für die Wahl zu. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Farage inzwischen seinen Plan aufgegeben hat, mit seiner Partei in fast allen Wahlkreisen anzutreten.

Für die Tories wäre ein Wahlsieg unter dieser Voraussetzung kaum möglich gewesen. Aber auch wenn die Brexit-Partei nun nicht mehr in jenen 317 Wahlkreisen Präsenz zeigen will, die bei der letzten Parlamentswahl an die Konservativen gingen, so hat der Premierminister den Wahlsieg damit noch nicht in der Tasche. Johnson bräuchte im Unterhaus mit insgesamt 650 Sitzen, die allesamt nach dem Mehrheitswahlsystem verteilt werden, für eine eigene Mehrheit noch ein paar Mandate mehr.

Das Leave-Lager könnte sich spalten

An dieser Stelle kommt wieder das Hartlepool-Problem ins Spiel. Wenn Farage darauf beharrt, mit eigenen Kandidaten in Labour-Wahlkreisen anzutreten, wird ihm das wohl kaum Mandate in nennenswertem Umfang im Unterhaus einbringen. Eher wird seine Taktik dazu führen, dass sich das Leave-Lager in besonders umkämpften Wahlkreisen spaltet zwischen den Hardlinern und denen, die einen Austritt mit Johnsons EU-Vertrag befürworten. Davon könnte wiederum die Labour-Partei profitieren.

Im schlimmsten Fall hätte Großbritannien dann erneut ein „hung parliament“ – also ein Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse.

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