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Engagiert gegen militante Fanatiker. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Ansprache am Nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt.

© IMAGO/Political-Moments

Faeser präsentiert Aktionsplan Rechtsextremismus: Mehr Härte gegen Neonazis, mehr Schutz für potenzielle Opfer

Die Bundesinnenministerin will den Rechtsextremismus effektiver bekämpfen. Der Zehn-Punkte-Plan dürfte der Szene weh tun. Es geht auch um ihr Geld.

Von Frank Jansen

Der Kurs war schon hart, jetzt wird er noch härter. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will mit einem "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" der Szene noch stärker zusetzen, als es die Vorgänger im Amt getan haben. Rechtsextremismus müsse "ganzheitlich bekämpft werden, mit Prävention und harter Hand", verkündete Faeser am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Zehn-Punkte-Plans.

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Der Staat dürfe nicht warten, "bis aus rechtsextremistischen Weltbildern gewaltsame Taten werden". Faeser will allerdings nicht nur das rechte Spektrum schwächen, notfalls auch mit dem Verbot von Vereinen, sondern auch Opfern mehr zur Seite stehen.

Außerdem soll mit frühzeitiger Aufklärung dem Einfluss rechtsextremer Hetze im Internet gerade auch auf junge Menschen vorgebeugt werden.

So nahmen an der Vorstellung des Aktionsplans nicht nur die Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, und des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, teil, sondern und auch Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung.

Faeser betonte, mit dem Aktionsplan setze das Innenministerium "erste wichtige Schwerpunkte im Kampf gegen Rechtsextremismus in der neuen Legislaturperiode". Es werde "ein effektives Bündel kurzfristig wirksamer repressiver und präventiver Maßnahmen" umgesetzt.

Faeser: mehr als 200 Todesopfer rechter Gewalt

Etwas überraschend nannten Faeser und Haldenwang auch eine größere Dimension rechtsextremer Gewalt, als es die Polizei bislang tut. Ministerin und BfV-Chef sprachen von mehr als 200 Todesopfern rechter Angriffe seit der Wiedervereinigung. Die Polizei spricht von 113 Toten.

Die höhere Zahl basiert auf langfristigen Recherchen des Tagesspiegels, weiterer Medien sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen wie der Amadeu Antonio Stiftung.

Im Aktionsplan steht, rechtsextreme Netzwerke sollten "zerschlagen" und ihre Finanzaktivitäten ausgetrocknet werden. Dazu werde das BfV "die Aufklärung und Analyse rechtsextremistischer Finanzaktivitäten deutlich ausweiten.

Ziel ist es insbesondere, wesentliche Netzwerke, Akteure und Geschäftsfelder zu identifizieren und zu bekämpfen. So würden "über Konzerte, Festivals, Musikprodukte, Kampfsportveranstaltungen und E-Commerce/Ladengeschäfte für Szenebekleidung und Merchandise teilweise beträchtliche Einnahmen erzielt".

Immer noch sind 1500 Rechtsextremisten bewaffnet

Nächster Punkt: Waffen in den Händen von Rechtsextremisten. Die Zahlen zeigten den Handlungbedarf: Rund 1500 nachrichtendienstlich als mutmaßliche Rechtsextremisten gespeicherte Personen verfügten über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis, heißt es. Obwohl Verfassungsschutz und weitere Behörden in den vergangenen Jahren zahlreichen Rechten und Reichsbürgern Waffen entzogen haben.

Nun soll laut Aktionsplan ein "Forum zum Austausch von Verfassungsschutz-, Waffen-, und Polizeibehörden" unter Einbeziehung der Verwaltungsgerichte eingerichtet werden. Betont wird, dass allerdings nicht nur der Waffenbesitz von Extremisten, sondern von psychisch kranken Menschen verhindert werden soll.

Faeser will sich zudem darum bemühen, dass Betreiber sozialer Medien wie der Messengerdienst Telegram, der bislang rechter Hetze freien Lauf lässt, nicht nur in Deutschland verpflichtet wird, strafbare Inhalte zu melden, sondern in der EU. "Unsere geltenden nationalen Standards wollen wir zur Grundlage einer europäischen Meldepflicht machen", steht im Aktionsplan.

Extremisten sollen schneller aus dem Öffentlichen Dienst verschwinden

Ein weiteres Problem sind Extremisten in Polizei und weiteren Behörden. Im Aktionsplan wird angekündigt, durch eine Änderung des Bundesdisziplinargesetzes sollten Disziplinarverfahren beschleunigt werden, um Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Öffentlichen Dienst zu entfernen.

Die Ministerin will zudem der Ausbreitung von Verschwörungstheorien entgegenwirken. Auf Bundesebene solle, in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, "ein zentrales Beratungsangebot für Menschen geschaffen werden, die in ihrem persönlichen Umfeld eine Radikalisierung aufgrund eines wachsenden Verschwörungsglaubens beobachten beziehungsweise vermuten", heißt es im Aktionsplan.

Auch das Aussteigerprogramm des Bundesamtes für Verfassungsschutz soll auf den Bereich Verschwörungsideologien ausgeweitet werden. "Hier sollen diejenigen Hilfe erhalten, die sich aus dem Umfeld organisierter Verschwörungsanhänger etwa der Coronaleugner lösen wollen und hierbei Unterstützung brauchen", steht im Aktionsplan.

Das Innenministerium will zudem ein Forschungsprojekt in Auftrag geben, das die Radikalisierungsprozesse im Rahmen der Corona-Pandemie untersucht.

Eine "Allianz" zum Schutz bedrohter Kommunalpolitiker

Ein weiterer Schwerpunkt sind die Angriffe auf Bürgermeister und Abgeordnete. Die Zahl der erfassten politisch motivierten Straftaten gegen Kommunalpolitikerinnen und –politiker haben sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht. Das Ministerium will nun eine „Allianz zum Schutz kommunaler Mandatsträger“ ins Leben rufen. Ihr sollen "neben den Ländern auch kommunale Spitzenverbände, kommunalpolitisch Tätige sowie zuständige Behörden und zivilgesellschaftliche Organisationen angehören" heißt es im Aktionsplan.

Versprochen wird, die Allianz werde "innerhalb eines Jahres konkrete Vorschläge zum verbesserten Schutz von kommunalen Amts- und Mandatsträgern erarbeiten.

Im Aktionsplan wird zudem auf das Förderprogramm „Demokratie im Netz“ der Bundeszentrale für politische Bildung verwiesen. Vor allem Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien sollen "gezielt adressiert und dabei unterstützt werden, als mündige Netzbürger Informationen kritisch zu hinterfragen und gegen Hass und Hetze sowie Desinformation einzutreten".

Umdenken nach dem NSU-Schock

Mit dem Aktionsplan knüpft Faeser an frühere Empfehlungen und Maßnahmen an, die in  Bund und Ländern nach dem NSU-Schock beschlossen wurden. Zuletzt hatte im Mai 2021 der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Namen der Regierung den Abschlussbericht des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus vorgestellt.

Zu den insgesamt 89 „Einzelvorhaben“ zählen eine Verschärfung des Waffenrechts und die Einführung der Strafbarkeit von „Feindeslisten“. Gemeint ist die Sammlung und Verbreitung von Namen, Adressen und weiterer Daten politischer Gegner durch Neonazis und andere Extremisten.

Mit solchen Feindeslisten, auf einigen steht auch der Tagesspiegel, sollen missliebige Personen eingeschüchtert werden. Die Datensammler nehmen bewusst in Kauf, dass einzelne Extremisten die Listen als Aufforderung zu gewaltsamen Angriffen verstehen.

Erstmals Gedenktag für Terroropfer

Die Ampel-Partner hatten dann im Koalitionsvertrag den Rechtsextremismus als die derzeit „größte Bedrohung unserer Demokratie“ bezeichnet. Betont wurde aber auch, „wir treten allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen entschieden entgegen – ob Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Linksextremismus oder jeder anderen Form des Extremismus“.

Zu den dann angekündigten Maßnahmen zählt die Einrichtung eines „Nationalen Gedenktags für die Opfer terroristischer Gewalt“ am 11. März. Vergangene Woche wurde der Gedenktag nun erstmals begangen, das soll sich jährlich wiederholen.

Erstmals Beauftragte gegen Antiziganismus und für Antirassismus

Die Bundesregierung hatte zudem im Februar eine nationale Strategie zur Bekämpfung des Antiziganismus beschlossen. Damit soll der weit verbreiteten Feindschaft gegen Sinti und Roma entgegengewirkt werden.

Vergangene Woche ernannte die Regierung den Berliner Anwalt Mehmet Daimagüler zum „Beauftragten gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintize sowie Roma und Romnja in Deutschland“. Die Position gab es bislang nicht. Daimagüler trat im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München als überaus engagierter Vertreter von Angehörigen zweier türkischstämmiger Mordopfer der rechtsextremen Terrorzelle auf.

Ebenfalls im Februar hatte das Kabinett die dem Kanzleramt angehörende Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), zur Beauftragten für Antirassismus ernannt. Auch diese Position hat die Ampel-Regierung erschaffen.

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