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Immer mehr Menschen treffen erst sehr spät ihre Wahlentscheidung.

© Michael Kappeler/dpa

Europawahl: Bis zur letzten Minute

Prognosen und Last-Minute-Kampagnen im Internet beeinflussen die Europawahl. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Wer Wahlprognosen veröffentlicht, kann damit auch Politik machen - zumindest bei der Europawahl. Die Niederländer haben so wie die Menschen in sechs anderen EU-Länder auch bereits vor dem Wahlsonntag ihre Stimme abgegeben. So entspricht es der dortigen Wahltradition, denn schließlich wird nicht überall in der EU sonntags gewählt wie in Deutschland. Allerdings wirft die Veröffentlichung der Wahlprognosen in den Niederlanden und anderen Ländern Probleme auf.

Den Prognosen zufolge liegen die Sozialdemokraten in den Niederlanden überraschend vorn, während die Rechtspopulisten um Geert Wilders abgestürzt sind. In Irland wiederum gehören die Grünen laut ersten Prognosen zu den Gewinnern. Angesichts solcher Vorhersagen stellen sich allerdings Fragen für das Verhalten der Wahlbürger in den übrigen EU-Ländern. Wird beispielsweise jemand, der sein Kreuz bei den Rechtspopulisten machen wollte, in Kenntnis der niederländischen Prognosen davon abgehalten oder im Gegenteil erst recht motiviert? Oder zieht bei den Wählern die Feststellung der SPD-Chefin Andrea Nahles, die unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse aus den Nachwahlbefragungen im Nachbarland twitterte: "Jetzt ist der Moment. Unterhaken lohnt sich."

Eines ist jedenfalls sicher: Völlig ohne Folgen für den Wahlausgang in der gesamten EU bleibt die Veröffentlichung der Trends in den Niederlanden und anderswo nicht. Zwar werden die offiziellen Ergebnisse wie bei Europawahlen üblich erst mitgeteilt, wenn die Wahllokale in Italien am Sonntagabend um 23 Uhr geschlossen sind. Das ändert aber nichts daran, dass die Bekanntgabe der Prognosen aus den Vortagen den Wählern, die am Sonntag ihr Kreuz machen, einen genaueren Kenntnisstand verschafft als etwa Niederländern oder Iren. Mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit lässt sich dies nicht unbedingt vereinbaren.

In Frankreich wacht ein Medienrat über die Regeln

Besonders strikt wird die Forderung, dass die Wahlprognosen aus anderen EU-Ländern am entscheidenden Wahlwochenende ausgeblendet werden müssen, in Frankreich gehandhabt. Dort wacht der Medienrat CSA darüber, dass die Wahlprognosen aus Deutschland keinen Einfluss auf die Entscheidung in Frankreich nehmen, wo die letzten Wahllokale um 20 Uhr schließen. Der dieser Regelung innewohnende Grundgedanke, dass die Wahlbürger in den letzten Stunden ohne Beeinflussung von außen zu einer Entscheidung kommen sollen, ist durchaus richtig. Das Problem ist nur: Das Internet füllt das Vakuum, das Fernsehen und Radio in Frankreich am Wahlwochenende hinterlassen.

Zwei gegenläufige Trends: Unentschlossene Wähler und Briefwahl

In Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen erst in letzter Minute für die Partei ihrer Wahl entscheiden, ist dies fatal. Kein Medien ist für "Fake News" derart anfällig wie das Internet. Und wer verhindern will, dass Tweets von "Fake Accounts" in Zukunft wahlentscheidend werden, muss auch bis unmittelbar vor Schließung der Wahllokale im Netz Präsenz zeigen. Allerdings gibt es auch einen weiteren Trend: Immer mehr Menschen entscheiden sich zumindest in Deutschland zur Briefwahl - und da spielen Last-Minute-Kampagnen im Internet keine Rolle.

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