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Wieviel EU-Skepsis darf es sein? Die Linke trifft sich in Bonn zu ihrem Europa-Parteitag.

© Wolfgang Rattay

Europa-Parteitag der Linken: Kipping: Europa ist längst ein Kontinent der Einwanderung

Die Linkspartei beschließt in Bonn ihr Programm zur Europawahl. Parteichefin Kipping warnt vor Abschottung - und kritisiert indirekt ihre Genossin Wagenknecht.

Von Matthias Meisner

Die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping hat ihre Partei aufgefordert, sich in der Frage zwischen Abschottung oder Solidarität eindeutig zu positionieren. Zum Auftakt des Europaparteitags in Bonn sagte Kipping: "Im Sinne dieser Eindeutigkeit sagte ich auch: Europa ist längst ein Kontinent der Einwanderung." Das "Recht auf weltweite Bewegungs- und Auswanderungsfreiheit" sei "ein hohes Gut", Menschenrechte unteilbar.

Indirekt widersprach Kipping damit auch der Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die immer wieder Vorbehalte gegen eine zu flüchtlingsfreundliche Politik geäußert und deshalb auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mehrfach kritisiert hatte.

Es ist ja nicht falsch, wenn man einfach mal die Tatsache konstatiert, dass Europa ein Einwanderungskontinent ist. Und man kann - und muss - die Fahne des Asylrechts hochhalten. [...] Aber es ist nur die halbe Geschichte. Es ist nur halbe Politik. Vollständig wird es erst, wenn man auch die Fluchtursachen ins Auge fasst.

schreibt NutzerIn 2010ff

Wagenknecht ist als bekannteste Politikerin der Linken bereits seit mehreren Wochen erkrankt. Sie nimmt deshalb auch nicht an dem Parteitag in Bonn teil. Der Parteitag spendete ihr Genesungswünsche. Die Bundestagsfraktion hatte einen gegen sie wegen der Kontroversen um die Flüchtlingspolitik geplanten Aufstand Anfang Januar abgeblasen.

Kipping sagte vor den Delegierten in Bonn weiter: "Während Trump, Salvini, Orban und Typen wie Seehofer eine Internationale der Mauerbauer schmieden, setzen wir auf internationale Solidarität." Dies sei für die Linkspartei "auch eine Lehre aus der historischen Erfahrung eines Staatssozialismus, der glaubte, mit Mauern und Stacheldraht überleben zu können".

Auf eine andere EU hinzuarbeiten, sei die größere Liebeserklärung an Europa als zuzulassen, dass die EU bleibe wie sie ist, erklärte die Parteivorsitzende. "Denn der jetzige Zustand spielt den Rechten und Marktradikalen in die Hände." Ausdrücklich wolle die Linke aber kein Auseinanderbrechen der Gemeinschaft: "Wenn wir die konkrete EU-Politik kritisieren, dann niemals mit dem Ziel, dass es zurück in das Nebeneinanderher von Nationalstaaten geht."

Demirel und Schirdewan als Spitzenkandidaten gesetzt

Auf ihrem Parteitag wollen die Linken-Delegierten bis zum Sonntag das Programm für die Europawahl Ende Mai beschließen und die Liste zur Wahl aufstellen. Als Spitzenkandidaten sind die Ex-NRW-Parteichefin Özlem Demirel und der Europaabgeordnete Martin Schirdewan vorgesehen. Gegenkandidaturen für die beiden Spitzenplätze werden nicht erwartet.

Im Programmentwurf tritt die Linke für einen "Neustart" der EU ein, in der nicht "die Freiheit des Marktes" an erster Stelle stehen solle. Bei der Abstimmung darüber werden Kontroversen erwartet.

Eine EU-kritische Passage im Wahlprogrammentwurf war bereits am vergangenen Wochenende vom Linken-Parteivorstand mit klarer Mehrheit entschärft worden. Ursprünglich gefordert wurde ein EU-Neustart "mit einer vollständigen Revision jener vertraglichen Grundlagen, die militaristisch, undemokratisch und neoliberal sind". In der Passage, über die den Delegierten in Bonn vorliegt, heißt es nun lediglich, es sollten "alle vertraglichen Grundlagen revidiert werden, die zu Aufrüstung verpflichten und auf Militärinterventionen orientieren, die Anforderungen demokratischer Gestaltung entgegenstehen, und die neoliberale Politik wie Privatisierung, Sozialabbau oder Marktliberalisierung vorschreiben".

Gysi für klare pro-europäische Positionierung

Schon vor Beginn des Europa-Parteitags der Linken hatten mehrere prominente Linken-Politiker eine klare pro-europäische Positionierung ihrer Partei gefordert, unter anderem ihr früheren Fraktionsvorsitzender und heutiger Europachef Gregor Gysi. Er hoffe, dass sich diese Sichtweise in Bonn durchsetze, sagte Gysi im Deutschlandfunk. Die europäische Integration sei wichtig für den Frieden. Wenn die EU kaputtgehe, drohe der Krieg zurück nach Europa zurückzukommen. Die Linke müsse sich klar gegen die Rechten stellen, forderte Gysi.

Der Berliner Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Ich möchte, dass wir Hoffnung machen und nicht Angst. Es wird schon viel zu viel Angst verbreitet - Angst vor Ausländern, Angst vor Trump, Angst vor Putin, und eben auch Angst vor Brüssel. Wir glauben, dass eine europäische Republik der Regionen eine gute Idee ist. Es ist sehr wichtig, positive Visionen anzubieten."

Der designierte Spitzenkandidat Schirdewan betonte im Interview mit dem Tagesspiegel, berechtigte Kritik an der EU müsse möglich sein: "Wir tun das, beispielsweise wenn es um das Demokratiedefizit auf europäischer Ebene geht, um den Einfluss des Lobbyismus." Die Kritik der Linken an der EU unterscheide sich jedoch fundamental von der, die von rechter Seite geäußert werde.

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