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Hinterzimmerdiplomatie: Die EU-Finanzminister - hier der Franzose Bruno Le Maire (li.) während einer Telefonkonferenz - haben in der informellen Eurogruppe zu viel unkontrollierte Macht.

© Thomas Samson/AFP

Eurogruppe sucht neuen Chef: Schafft den Klüngelclub der EU-Finanzminister ab!

Die Eurogruppe ist eine vordemokratische Pseudo-Institution. Die Regulierung der Eurozone gehört in die Hände des Parlaments. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Schumann

Der Club hat keine Geschäftsordnung und erstellt keine Protokolle. Seine Existenz ist nirgendwo vertraglich festgelegt, seine Mitglieder treffen sich nur informell.

Und doch bewerben sich jetzt gleich drei europäische Spitzenpolitiker um den Vorsitz. Das illustriert, um welch merkwürdige Nicht-Institution es geht, wenn die 19 Finanzminister der Eurozone in der sogenannten Eurogruppe zusammentreffen.

Formal hat das Gremium keine Entscheidungsgewalt. Und doch kann es das Schicksal von Millionen bestimmen. Diese Erfahrung machten die Griechen und mit ihnen die Portugiesen, Iren und Zyprer, als ihre Staaten infolge der Finanzkrise in die Überschuldung rutschten.

Damals retteten die anderen Euro-Regierungen mit Notkrediten zunächst die Gläubiger, um ihre Banken vor Verlusten zu schützen. Dann überzogen sie die Bürger der betroffenen Länder wider alle wirtschaftliche Vernunft mit gnadenlosen Sparprogrammen.

Mit der Macht des Stärkeren durchkämpfen

All das wurde in der Eurogruppe mit der Macht des Stärkeren von den Finanzministern der Kreditgeber gegen die Schuldner durchgekämpft.

Dafür kreierten sie den „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM), eine Staatsbank außerhalb der EU-Verträge, in der allein die Mehrheit der als „Gouverneure“ eingesetzten Finanzminister das Sagen hat, ohne öffentliche Kontrolle und das lästige EU-Parlament.

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Es ist diese Geschichte, die mitschwingt, wenn die Lenker der Eurozone sich am Donnerstag treffen, um den Posten des oder der Vorsitzenden zu vergeben. Denn die Chancen der Kandidaten Piere Gramegma (Luxemburg), Paschal Donaohoe (Irland) und Nadia Calviño (Spanien) bemessen sich vor allem daran, wie sie sich zwischen dem reicheren Norden und dem ärmeren Süden präsentieren.

Da heißt es aus dem Brüsseler Diplomatenzirkus, die sozialdemokratische Calviño sei mit ihrer Erfahrung als leitende EU-Beamtin die Favoritin, auch weil sie die erste Frau an der Spitze der Eurogruppe wäre. Nein, sagen die Freunde des liberalen Gramegma, Calviño habe es sich mit Holland, Finnland und den Balten verdorben, als sie deren „hanseatische“ Gruppe mal als „klein und leichtgewichtig“ abgetan habe. Ein Vertreter des kleinen Luxemburg könne da viel besser vermitteln.

Die Unterstützer des konservativen Donahoe reklamieren, dass einzig er glaubwürdig sei, weil er es je nach Krisenlage mal mit den geizigen Reichen und mal mit den bedürftigen Ärmeren halte.

Die Eurogruppe hat auch bei den Regeln für Pleitebanken versagt

Doch der bizarre Wahlkampf verstellt den Blick auf das eigentliche Problem: Die Eurogruppe hat sich überlebt. Das zeigte das Ringen um das Corona-Rettungsprogramm. Da wollten die Sieger von einst zunächst die hart getroffenen Italiener und Spanier mit Krediten aus ihrem ESM abspeisen.

Doch weil dessen verheerendes Versagen in Griechenland nie aufgearbeitet und er nie reformiert wurde, mussten die Regierungen in Rom und Madrid das zurückweisen.

Das mit dem ESM assoziierte Stigma der Unterwerfung hätte ihre politischen Gegner an die Macht gebracht. Gleichzeitig hat die Kungelrunde der Minister auch bei der Schaffung eines einheitlichen Finanzsystems für die Eurozone kläglich versagt. Bis heute gibt es keine gemeinsame Einlagensicherung und klaren Regeln für die Abwicklung von Pleitebanken.

Die Krisenfonds gehören in die Hände regulärer EU-Institutionen

Darum gilt es, die Regulierung der Eurozone und deren Krisenfonds endlich dort zu demokratisieren, wo sie hingehören: In den regulären EU-Institutionen unter Kontrolle des EU-Parlaments.

Nein, die Minister werden das niemals freiwillig tun. Umso dringender sollten Europas Parlamentarier das endlich in die Hand nehmen. Die Eurogruppe ist eine vordemokratische Pseudo-Institution. So etwas kann sich Europa nicht länger leisten.

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