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Herrscht mit harter Hand: Alexander Lukaschenko (2. v. r.) regiert seit Jahren in Weißrussland. Weil er die Opposition unterdrückt, wurde gegen ihn ein EU-Einreiseverbot verhängt.

© AFP

EU und Weißrussland: Diktator draußen vor der Tür

Bei den Verhandlungen in Minsk bereitete Weißrusslands Autokrat Lukaschenko eine Waffenruhe für die Ukraine vor. Jetzt käme er gerne zur EU. Doch Brüssel winkt ab.

Vom Alleinherrscher zum Friedensstifter – es war ein erstaunlicher Schritt, den Alexander Lukaschenko im vergangenen Februar vollzog. Im pompösen Präsidentenpalast von Minsk empfing „Europas letzter Diktator“ den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen ukrainischen Amtskollegen Petro Poroschenko, Kanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten François Hollande. Am Ende des Gesprächsmarathons wurde eine Waffenruhe für die Ukraine vereinbart. Beim Gruppenfoto auf dem spiegelnden Marmorboden des Minsker Palastes war auch Lukaschenko ganz selbstverständlich dabei.

Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass der 60-Jährige in seiner Heimat die Opposition brutal unterdrückt. Seit 1994 ist der schnauzbärtige Autokrat in Minsk an der Macht. Zuletzt wies er im März seine Polizeikräfte an, dass es in seinem Land keinen Aufstand nach dem Vorbild des Kiewer Maidan geben dürfe.

Allerdings hat Lukaschenko auch eine andere Seite – die des Taktikers, der geschickt Russland und den Westen gegeneinander ausspielt. Einerseits ist Weißrussland Mitglied in Putins Eurasischer Wirtschaftsunion. Auf der anderen Seite flirtet Lukaschenko immer wieder heftig mit der EU. Die nächste Gelegenheit für eine Annäherung an die Europäer würde sich dem Staatschef beim bevorstehenden EU-Gipfel der Östlichen Partnerschaft am 21. und 22. Mai im lettischen Riga bieten. Mit der Östlichen Partnerschaft möchte Brüssel die Ex-Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldau, die Ukraine und Weißrussland näher an die EU heranführen. Nach dem Durchbruch bei den Ukraine-Gesprächen in seinem Präsidentenpalast ließ Lukaschenko durchblicken, dass er gerne zum Ost-Gipfel in Riga eingeladen werden würde – einem EU-Einreiseverbot zum Trotz.

Lukaschenko - der Sinuskurven-Mann

„Mit dem Verhältnis von Lukaschenko zur EU verhält es sich wie mit einer Sinuskurve“, sagt ein polnischer EU-Diplomat: „Mal geht es runter, mal geht es rauf.“ Schon zwischen 2008 und 2010 hatte es eine vorsichtige Annäherung zwischen der EU und Minsk gegeben, bevor sich die Beziehungen nach Manipulationen bei den Präsidentschaftswahlen 2010 wieder verschlechterten. Seit 2011 ist das zwischenzeitlich ausgesetzte EU-Einreiseverbot für Lukaschenko wieder in Kraft.

Dass diesmal die Vermittlungsdienste des weißrussischen Herrschers bei einer Befriedung der Ukraine ihm ein Eintrittsticket in die EU verschaffen, erscheint allerdings zweifelhaft. „Wir erwarten einen Vertreter Weißrusslands beim Gipfel in Riga, aber nicht Herrn Lukaschenko“, sagt ein EU-Diplomat. Sprich: Eine Lockerung des Einreiseverbots für den Autokraten ist nicht in Sicht.

Dabei soll es bis auf Weiteres auch aus der Sicht des Vize-Vorsitzenden der Unions-Fraktion, Franz Josef Jung, bleiben. „Angesichts der inneren Situation ist eine Teilnahme von Präsident Lukaschenko nicht möglich“, sagt Jung. Eine Einladung nach Riga könne nur dann in Betracht kommen, wenn die politischen Gefangenen in Weißrussland freigelassen würden, meint der CDU-Mann. „Aber ich gehe davon aus, dass ein hochrangiger Vertreter der Regierung in Minsk zum Gipfel kommen wird“, sagt Jung. Denn schließlich gehe es bei diesem Treffen auch darum, „die Beziehungen zu Weißrussland weiterzuentwickeln“.

Tatsächlich wird nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel überlegt, inwieweit engere Bande zwischen der EU und Minsk für beide Seiten von Nutzen sein könnten. Anfang des Jahres verständigten sich die europäischen Mitgliedstaaten auf ein internes Dokument, in dem ein Fahrplan für eine Annäherung Weißrusslands an die Ukraine beschrieben wurde. Bevor es zu einer Entspannung komme, müsse Lukaschenko allerdings seine Reformbereitschaft unter Beweis stellen, forderten die Mitgliedstaaten.

Doch der Minsker Präsident hat inzwischen ebenfalls erkannt, dass ein allzu enges Bündnis mit Russland hohe Risiken birgt. Die weißrussischen Exporte Richtung Russland sind wegen der dortigen Wirtschaftskrise eingebrochen. Deshalb könnte auch ein besserer Marktzugang für weißrussische Produkte in die EU für Lukaschenko interessant sein.

Rücksicht auf Russland

Allerdings will man in Brüssel bei der Vorbereitung des Rigaer Gipfels Rücksicht darauf nehmen, dass Weißrussland eng mit Russland verflochten ist. Dasselbe gilt auch für Aserbaidschan und Armenien, das ebenfalls Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion ist.

Bessere Chancen auf eine engere Anbindung an die EU haben hingegen die drei übrigen Staaten der Östlichen Partner – die Ukraine, Georgien und Moldau. Schon jetzt können Bürger aus Moldau ohne Visum in die EU reisen. Die Ukrainer und Georgier würden es gern sehen, dass beim Gipfel in Riga auch für sie Visaerleichterungen beschlossen werden. Doch eine substanzielle Lockerung auf EU-Seite ist derzeit nicht absehbar.

Als sich die EU-Außenminister zu Beginn der vergangenen Woche in Luxemburg mit ihren Amtskollegen aus den sechs Ländern der Östlichen Partnerschaft trafen, kursierte ein 13-seitiger Entwurf für die Abschlusserklärung des Rigaer Gipfels. Der Punkt des „Visumsdialoges“ war dabei noch offen. Im Berliner Außenamt wird darauf verwiesen, dass die EU-Kommission Mitte des kommenden Monats bewerten werde, inwieweit die Ukraine und Georgien die Voraussetzungen für eine Visa-Liberalisierung erfüllen. Anschließend könne über „einen möglichen Zeithorizont“ für ein Reisen ohne Visum entschieden werden.

Die Zurückhaltung aufseiten der EU hat ihren Grund: Zwar weiß man in Brüssel sehr wohl, dass die Ukraine, Georgien und Moldau ein starkes Interesse daran haben, dass Brüssel ihnen den Rücken gegenüber Russland stärkt. Dennoch solle „keine Front gemacht werden gegen Russland“, sagt ein EU-Diplomat. Schließlich steckt der EU immer noch ihre Erfahrung mit dem Gipfel der Östlichen Partnerschaft vom November 2013 in den Knochen. Damals platzte das geplante Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. Vier Monate später begann der Krieg in der Ukraine, der bis heute andauert.

Dieser Text erschien in Agenda, dem Politik-Journal des Tagesspiegels.

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