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Bei Klima ist Europa nicht mehr Vorreiter.

© dpa

EU und Klimaschutz: Europa ist kein Vorbild mehr

Was der Europäische Rat in Sachen Klimaschutz mühsam ausgehandelt hat, ist enttäuschend. Europa könnte ehrgeiziger sein und sehr viel mehr tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Beim Klimaschutz ist die Europäische Union kein Vorbild mehr. Mit dem Ziel „mindestens 40 Prozent weniger Treibhausgase“ bis 2030 im Vergleich zu 1990 liegt die EU am unteren Ende dessen, was nötig ist. Um die globale Erwärmung unter der Marke von zwei Grad im Vergleich zu Beginn der Industrialisierung zu halten, müsste die europäische Minderung eigentlich eher bei 50 Prozent liegen. Was der Europäische Rat in der Nacht zum Freitag mühsam ausgehandelt hat, beeindruckt deshalb nicht besonders. In Entwicklungsländern, die mehr als andere Staaten unter den Folgen des Klimawandels leiden, wird das auch so gesehen. Die EU kann mit diesem Beschluss, der noch dazu durch zwei weitere schwache Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz ergänzt wird, nicht mehr als Musterschüler auftreten.

Es gibt viele Politikfelder, in denen es nicht besonders relevant ist, wenn die EU sich schwertut, ehrgeizige Ziele zu verfolgen. In der Klimapolitik aber spielt Europa immer noch eine wichtige Rolle. Die EU war bisher im Verhandlungsprozess immer vorn. Dass sie nun von den USA eingeholt und von China möglicherweise sogar überholt wird, ist kein Beweis dafür, dass der Klimaschutz insgesamt vorankommt. Es ist nur ein Zeichen dafür, wie gering der Ehrgeiz im globalen Klimaschutz weiterhin ist.

Die EU hätte gute Gründe für ehrgeizigere Klimaziele

Dabei hätte gerade die EU gute Gründe für ehrgeizigere Klimaziele. Wenn sie sich schon bei den aktuellen Asylbewerberzahlen und der fortlaufenden Flüchtlingskrise im Mittelmeer überfordert fühlt, kann man sich leicht ausmalen, was los sein wird, wenn zu den Menschen, die vor Kriegen oder politischer Verfolgung flüchten auch noch die Menschen kommen, die der Klimawandel bedroht. Aber auch im wohlverstandenen Eigeninteresse müsste die EU mehr Ehrgeiz zeigen. Wenn die Energieeffizienz erhöht und der Energieverbrauch gesenkt wird, sinkt die Abhängigkeit von russischem Erdöl und Erdgas. Mehr Effizienz bedeutet auch mehr Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Vor allem in Osteuropa ist die Notwendigkeit einer Modernisierung von Energieerzeugung und Industrie besonders groß. Warum nicht in einer gemeinsamen Anstrengung die Wirtschaft in Polen, Rumänien oder Ungarn auf Vordermann bringen und dabei auch noch das Klima schützen?

Die EU hat diese Modernisierungschance zunächst nicht genutzt. Das liegt am Beharrungsvermögen der alten Industrien, die in einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden. Kohlekraftwerke oder ineffiziente Zementfabriken werden sich nicht mehr lohnen. Der Kohlebergbau in Schlesien aber hat schon jetzt gegen die russische Konkurrenz verloren. Die rund 200 000 Kumpel aus dem Steinkohlebergbau müssen nicht wegen des Klimaschutzes um ihre Jobs fürchten, sondern weil die wirtschaftlich förderbaren Kohlevorkommen in Polen fast aufgebraucht sind. Je länger die EU mit ihrer Modernisierung wartet, desto größer ist die Chance, dass andere Länder die neuen kohlenstoffarmen Märkte längst besetzt haben, wenn die Europäer aufwachen.

Der EU-Ratsbeschluss hat eigentlich nur eine positive Seite: Wenn es in der disparaten EU, einer Art Mini-UN, möglich ist, sich auf ein Klimapaket zu einigen, dann müsste das in einem Jahr auch beim UN-Klimagipfel in Paris möglich sein. Um überhaupt zu einem Klimavertrag zu kommen, müssen offenbar auch Kompromisse eingegangen werden, die dem Klima nicht unbedingt nutzen.

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