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Krise in Kenia: "Es gibt Leute, die kriegen nie genug“

Nach dem Scheitern der internationalen Vermittlungsbemühungen steht Kenia eine weitere unruhige Woche bevor. Die Friedensnobelpreisträgerin und Ex-Abgeordnete des kenianischen Parlaments Wangari Maathai spricht über die Motive des Präsidenten Kibaki.

Wie sind Sie und Ihre Familie durch die Unruhen in Kenia nach der Präsidentenwahl gekommen?

Uns geht es allen gut. Gott sei Dank. Allerdings mussten einige Mitarbeiter meiner Umweltbewegung Green Belt Movement ihre Häuser verlassen und wissen jetzt nicht, ob sie werden zurückkehren können.

In der vergangenen Woche ist ein Vermittlungsversuch des Vorsitzenden der afrikanischen Union und ghanaischen Präsidenten John Kufuor gescheitert. Was nun?

Es ist sehr unglückselig, dass diese Vermittlung nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt hat. Die Parteien beharren auf ihren Positionen, die keinen Kompromiss zulassen.

Das gilt ja offensichtlich vor allem für die Seite der Regierung um den umstrittenen Präsidenten Mwai Kibaki, oder?

Ja, das ist wahr.

Wer sind die Hardliner rund um Kibaki und seinen Gegenspieler Raila Odinga, die es unmöglich machen, eine Lösung zu suchen?

Auf Regierungsseite sind das auf jeden Fall die gerade neu eingeschworenen Minister. Es ist ein Machtkampf und ein Kampf um Privilegien derjenigen, die an der Macht sind. Ich bin sicher, dass diejenigen, die gerade jetzt in dieser Krise ein Ministeramt übernommen haben, eine kompromisslose Haltung einnehmen, weil sie im Falle einer Machtteilung zwischen Regierung und Opposition ihre Posten wieder verlieren könnten.

Dann war es wohl keine besonders weise Entscheidung, dass Kibaki mitten in der Krise einen großen Teil seines Kabinetts benannt hat.

Ich habe mehrfach gesagt, dass es unklug ist, dass der Präsident sich entschieden hat, einen Teil seiner Regierung zu benennen, bevor es eine politische Lösung gibt. Das sendet genau die falsche Botschaft an die Opposition: Nämlich, wir nehmen uns, was wir wollen – und können uns den Rest teilen.

Sie haben den Präsidenten lange unterstützt, auch noch vor der Wahl. Er hat seit der Unabhängigkeit 1963 Positionen in der Regierung innegehabt. Aus finanziellen Gründen braucht er diesen Posten bestimmt nicht mehr. Warum hält er so eisern an der Macht fest?

Nun, es gibt Leute, die kriegen nie genug. Aber abgesehen vom Präsidenten, glaube ich, dass die Leute, die ihn umgeben eine große Rolle dabei spielen, ihn dazu zu drängen, an der Macht zu bleiben. Weil ihre eigene Position davon abhängt, dass er Präsident bleibt.

Sollte die Gruppe, die um den früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan gebildet werden soll, um einen neuen Vermittlungsversuch zu starten, die Leute, die die beiden Anführer umgeben, stärker unter Druck setzen?

Es ist sehr wichtig, die beiden als Teil eines Teams zu sehen. Jede Entscheidung wird offensichtlich von Kibaki und seinen Beratern wie auch von Raila Odinga und seinem „Pentagon“, so nennt sich die Parteiführung seiner Orangenen Demokratischen Bewegung (ODM), mitgetragen.

Es ist schwer vorstellbar, dass eine Machtteilung herauskommen könnte.

Das Ganze hat ja eine Vorgeschichte. Als ich als Staatssekretärin im Umweltministerium von 2003 an zur Regierung gehörte, war der Wettbewerb zwischen den beiden Parteien schon im vollen Gang. Sie haben mal zusammen und oft gegeneinander gearbeitet. Man muss dazu aber wissen, dass Raila Odinga und Mwai Kibaki 2002 einen Pakt geschlossen hatten, um die Wahl zu gewinnen, und die Ära des autokratischen Vorgängers Daniel arap Moi zu beenden. Damals hat Kibaki versprochen, Raila Odinga nach einer Verfassungsreform zu seinem Premierminister zu machen. Er hat das aber nicht getan. Es gibt unglaubliches Misstrauen zwischen diesen beiden Politikern.

Sind Sie enttäuscht von ihren Spitzenpolitikern?

Eigentlich bin ich noch mehr von unserer Wahlkommission enttäuscht, die uns in diese Lage gebracht hat. Mit dieser Wahlauszählung war offensichtlich etwas nicht in Ordnung, das haben internationale und einheimische Wahlbeobachter gesehen und haben Belege vorgelegt. Es ist unfair, die Wähler zu betrügen.

Sie haben vor ein paar Jahren gesagt, die Kenianer hätten 2002 bewiesen, dass man mit einer Wahlstimme etwas verändern kann …

Und seither ist in Kenia das demokratische Bewusstsein weiter gewachsen. Wir haben eine lebendige Zivilgesellschaft.

Kibaki und seine Berater scheinen zu glauben, dass sie die Situation einfach aussitzen können. Die internationale Aufmerksamkeit wird nachlassen, und dann können sie einfach weitermachen wie bisher. Kommt Kenia dann zur Ruhe?

Die internationale Gemeinschaft darf keine Ruhe geben. Sie muss weiter auf beide Seiten Druck ausüben, dass Kibaki und Odinga nach einer politischen Lösung suchen. Die Wähler sind sehr zornig. Und der Präsident unterschätzt womöglich, dass er es mit Menschen zu tun hat, die glauben, mehrfach betrogen worden zu sein: In seiner ersten Amtszeit, in der er, ohne dass es Folgen in den internationalen Beziehungen Kenias gehabt hätte, sein Wort gebrochen und Raila Odinga nicht zum Premier gemacht hat. Und nun bei der Wahl wieder. Diese Krise kann zu einer noch viel größeren Tragödie werden. Deshalb appelliere ich an Kibaki und an Odinga, das Wohlergehen Kenias vor ihre eigenen Ambitionen zu stellen und sich endlich an einen Tisch zu setzen.

Das Gespräch führte Dagmar Dehmer.

Wangari Maathai (67) ist seit 2004 Friedensnobelpreisträgerin. Bis 2007 gehörte sie dem kenianischen Parlament an, wurde aber nicht wiedergewählt. Sie gehört wie der Präsident zu den Gikuyu.

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