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Viel Maschine, wenig Mensch: Archivbild von einer Intensivstation.

© Alessandro Della Valle/KEYSTONE/dpa

"Es fehlt Personal": Die tödliche Dynamik eines alten Problems

Dass es reichlich Intensivbetten gibt, aber nicht genug Fachkräfte, die damit umgehen können, ist auch Folge jahrelanger Tatenlosigkeit. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ariane Bemmer

Der vielleicht meistgesagte Satz des Jahres 2020 wird wahrscheinlich doch nicht aus vier Wörtern bestehen und „Dein Mikro ist aus“ lauten. Er könnte noch um ein Wort kürzer sein, dafür aber dramatischere Folgen haben – und vor allem lässt sich das damit Beschriebene bedauerlicherweise nicht ruckzuck mit einem Klick beheben. Er könnte nämlich lauten: „Es fehlt Personal“.

Es ist nicht so, dass es diesen Satz nicht auch vor 2020 zu hören gegeben hätte. Eigentlich fehlt in diesem Land überall Personal. In den Ausbildungsbetrieben fehlen Auszubildende, in den Schulen Lehrerinnen und Lehrer, in den Supermärkten fehlen Leute für die Kassen, in den Friseurläden fürs Frisieren, in der Logistikbranche fehlen Lkw-Fahrer, in der IT Informatiker, in allen Zukunftstechnologien die Zukunftstechnologen, in den Ortsämtern fehlen Bedienstete, der Polizei fehlen Leute (nicht mal die lukrativen Blitzgeräte können ordnungsgemäß bedient werden), die Bundeswehr sucht Personal, das Robert-Koch-Institut ebenso – und immer wieder die Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime.

Die Politik nahm diese Meldungen hin wie schlechtes Wetter, offenbar hoffend, dass das irgendwie vorbeigeht. Manchmal wurde sie aktiv, machte große Worte und schuf Planstellen, die aber unbesetzt bleiben, weil die Menschen fehlen. Kann man halt nichts machen? Sorry, aber das reicht als Antwort leider nicht.

In diesem Corona-Jahr rächt sich diese Taten- und vielleicht auch Fantasielosigkeit bitter. In den Alten- und Pflegeheimen stehen Heimleitungen traurig neben ihren zur Besuchsermöglichung angeschafften Corona-Schnelltests, weil sie nicht genug Leute haben, die diese Tests durchführen. Und Krankenhäuser melden regelmäßig Intensivbetten und Beatmungsmaschinen, die ungenutzt blieben, weil das Personal fehle. Der Personalmangel ist also – dramatisch gesprochen – inzwischen tödlich.

Wie kann das sein? Was ist los in diesem Land, dass man so schnell dabei ist, wenn es ums Bereitstellen von Geräten, Geld und sonstigen Leblosigkeiten geht, aber so lahm wird, wenn es um die Menschen selbst geht?

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Man versteckt sich hierzulande gern hinter Verwaltungsakten. Was einfach aussieht, wird dann schnell so kompliziert, dass am besten erstmal Kommissionen gebildet, Expertisen eingeholt werden, also nicht gehandelt wird. So viele neu Eingewanderte seit 2015 im Land, warum haben die nicht längst etwas Nützliches gelernt, lernen müssen?

Fehlendes Personal ist Kernproblem für fast alles

Warum werden nicht, wie von der Deutschen Stiftung Patientenschutz angeregt, die freiwilligen Helfer von THW bis Malteser für die Schnelltests vor Heimen eingesetzt? Warum hört man so viel von der Corona-Katastrophe und wartet immer noch auf eine katastrophenadäquate Problemanpackreaktion? Auf etwas Pragmatisch-Proaktives? Ist da inzwischen zu viel Verwaltung vor? Da nämlich, in der Regierungsbürokratie, ist steter Aufwuchs. Mehr als 23 500 neue Stellen kamen allein im Bund in den vergangenen zwei Jahren dazu.

Fehlendes Personal ist das Kernproblem für fast alles. Es führt dazu, dass die, die da sind, sich überarbeiten, dazu, dass ungeeignete Leute nachrücken, und in dieser Kombination dazu, dass das Niveau sinkt. Man kann nur hoffen, das die schleppende Reaktion auf die Corona-Lage kein weiteres Indiz dafür ist.

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