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Friedrich Merz (r), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, spricht neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Plenum des Bundestags nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers.

© dpa / Kay Nietfeld

„Es braucht jetzt Führung und Seriosität!“: Scholz und Merz müssen die Migrationsfrage gemeinsam lösen

Die AfD-Erfolge werden getrieben von den Sorgen der Menschen in Sachen Migration, zeigen die Wahlen in Bayern und Hessen. Scholz braucht jetzt Ergebnisse – sonst könnte die Stimmung komplett kippen.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Nein, so geht es nicht weiter. So wird das auch nicht mehr – das schon gar nicht! – gut. Nach kurzem Schütteln über die schlimmen Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen fuhren SPD, Grüne und FDP am Montag in der Asylfrage mit dem fort, wofür sie am Wochenende abgestraft wurden: Streit.

Der Ton ist rau, die Stimmung mies, dabei sind, hört man genau hin, die Haltungen der drei Partner in Sachen Migration gar nicht mehr ganz so weit auseinander. Gerade die Grünen bewegen sich, dafür sorgt schon die Kraft des Faktischen. Wäre doch nur jemand da, der jetzt eine gemeinsame Linie vorgibt, der einen Plan kommuniziert. Ein Bundeskanzler Olaf Scholz etwa, bei dem man Führung bestellen kann – und dann auch bekommt.

Die kleine Bundestagswahl vom vergangenen Wochenende muss eine Zäsur sein für den Kanzler. Jeder vierte Deutsche war in Bayern und Hessen wahlberechtigt. Neben den allgemeinen wirtschaftlichen Sorgen war das wichtigste Thema ein bundespolitisches: Migration. Den Satz „Brauchen andere Asylpolitik, damit weniger Menschen kommen“ beantworteten in Bayern 82 Prozent mit Ja, in Hessen 72 Prozent. Selbst bei den Grünen-Wählern ist es inzwischen rund die Hälfte, die Deutschland an der Belastungsgrenze sieht.

Für Flüchtlinge gibt es keine Sprachkurse mehr, teils auch kein Betten

Die in weiten Teilen rechtsextremistische AfD setzt sich nach den Wahlen auch im Westen als relevante Kraft in den Parlamenten fest. Laut Bundeskanzler Scholz geht es, das sagte er am Mittwoch, nun um „die Verteidigung der Demokratie“. Wie wäre es eine Spur kleiner: Es geht um das Lösen von Ängsten und tatsächlichen Problemen.

Der Schlüssel dazu, das haben die Wahlen gezeigt, ist das Thema Migration. Die Zukunftsaussichten sind trübe. Die Zuwanderung nach Deutschland wird wegen der krisenhaften Weltlage und der Erderhitzung nicht von selbst versiegen. Fachkräfte, die Deutschland dringend braucht, werden von der politischen Stimmung abgeschreckt. Für all jene Migranten, die oft ohne Pass und auf der Suche nach einem sicheren Leben kommen, gibt es dagegen kaum noch ein Bett, geschweige denn einen Sprachkurs.

Es braucht einen Migrationsgipfel – mit der CDU

Die Sorge vor Überforderung, vor mangelnder Integration ist nicht irrational, sie ist berechtigt – man muss nur einmal mit Bürgermeistern, Mitarbeitern in Flüchtlingsämtern und Helfern sprechen. Die große Gefahr ist, dass deren Überlastungsgefühl bald die gesamte Gesellschaft mitreißt. Die in der Folge wichtigste Frage hat Alt-Bundespräsident Joachim Gauck kürzlich gestellt: „Wie bleiben wir ein Einwanderungsland mit der Zustimmung der Mehrheiten für eine demokratische Politik?“

Kann jetzt zeigen, dass er auch Kanzler kann: Friedrich Merz muss die Migrationsfrage seriös angehen.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Der Kanzler sollte jetzt zu einem Migrationsgipfel einladen. Allen voran muss er dabei auf die starke Oppositionspartei und ihren Parteichef Merz zugehen. Dazu müssen, ähnlich wie in der Pandemie, renommierte Experten eingeladen werden sowie natürlich die Bundesländer und Vertreter der Kommunen. Nein, auf so einem Gipfel wird es keine einfachen Lösungen für eine höchst komplexe Problemlage geben. Aber Scholz könnte zeigen: Ich höre zu. Ich habe verstanden. Und: Wir entwickeln einen Plan.

So ein Gipfel wäre keine Kapitulation vor der AfD, wie es dann allenthalben heißt. Er würde die demokratischen Parteien im Gegenteil endlich aus der Defensive befreien. In einem geordneten Prozess könnte der derzeitige Überbietungswettbewerb möglichst drastischer Lagebeschreibungen enden. Diskussionen über die Zahnbehandlung von Asylbewerbern, wie Merz sie anstieß, zeigen doch nur die ganze Hilflosigkeit. Mit dem Aufwiegeln verschiedener Teile der Bevölkerung gegeneinander ist niemandem geholfen.

So eine gemeinsame Aktion von Scholz und Merz, der das schon angeboten hat, beinhaltet Risiken. Wenn dieser Gipfel scheitert, wären Schaden und Häme groß. Aber ja, man muss es probieren – gerade jetzt nach diesen Wahlen. Und mit klarem Blick auf ein Landtags- und Kommunalwahljahr im Osten des Landes, durch das eine blaue Welle zu rollen droht.

Friedrich Merz könnte bei einem solchen Gipfel endlich beweisen, dass er natürlich mehr als der Hasardeur ist, für den ihn selbst viele CDU-Wähler halten. Er kann beweisen, dass er Kanzler kann. Scholz dagegen könnte zeigen, dass er nicht nur ein ruhiger Verwalter ist, sondern Ideen formulieren kann, die dieses Land beisammen halten. Ein Land mit großem Herz, aber endlicher Kraft.

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