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Erdogan möchte die säkularen Verteidigungskräfte YPJ in Syriens kurdischem Norden bekämpfen.

© AFP/Delil Souleiman; imago/Depo Photos; Gestaltung Tsp/Kostrzynski

„Erreicht uns der Krieg, verteidigen wir uns“: Syriens Kurden bereiten sich auf eine türkische Invasion vor

Eine Kommandeurin der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ spricht über Erdogans Pläne in Nordsyrien. Unklar ist die Rolle von Machthaber Assad.

Dutzende Tote, zerstörte Häuser und stete Angst vor den Kampfdrohnen – Nordsyriens kurdisch geprägte Autonomieregion wird seit Tagen von der türkischen Armee bombardiert. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte angekündigt, eine 600 Kilometer lange und 30 Kilometer tiefe Zone besetzen zu wollen.

„Wir sind eine militärische Kraft, haben uns aber nicht für Krieg entschieden“, sagt Nesrin Abdullah, Kommandeurin der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ, dem Tagesspiegel. „Doch wenn der Krieg unsere Häuser erreicht, werden wir uns verteidigen. Wir sind vorbereitet, weil wir in den letzten zehn Jahren viel Erfahrung gesammelt haben.“

Die Fraueneinheiten der YPJ gehören mit den größeren YPG-Verbänden zur multinationalen, überkonfessionellen SDF-Allianz. Die SDF verfügt über 60.000 Männer und Frauen, es ist die De-facto-Armee in Nordsyriens Autonomieregion. Die SDF besiegte mit Hilfe der USA den „Islamischen Staat“ (IS) als Territorialmacht.

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Nordsyriens Autonomieregion wird von der säkularen PYD dominiert. Die Partei steht ideengeschichtlich der Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK, nahe. Deren Führung hatte sich im Krieg mit der türkischen Armee in den Neunzigern in den Nordirak zurückgezogen.

Seit Jahren lässt Erdogan die Selbstverwaltung angreifen, gemeinsam mit islamistischen Milizen hält Ankaras Armee nordsyrische Städte besetzt. Im Irak bombardiert die türkische Luftwaffe zudem mutmaßliche Stellungen der PKK. Von Schwedens Regierung fordert Erdogan, die syrischen Kurden zu boykottieren, anderenfalls werde er dem Land nicht erlauben, der Nato beizutreten.

 Wir sind eine militärische Kraft, haben uns aber nicht für Krieg entschieden. 

 Nesrin Abdullah, Kommandeurin der kurdischen Frauenverteidigungseinheiten YPJ

Neben den Skandinaviern hatten insbesondere die USA die Autonomieverwaltung weitgehend anerkannt. Washington half der SDF im Anti-IS-Kampf mit Kriegsgerät – Flugabwehrwaffen erhielt die kurdisch geführte Allianz dabei nicht.

„In der Luftabwehr haben wir tatsächlich Probleme“, sagte YPJ-Kommandeurin Abdullah. „Insbesondere weil die Vereinten Nationen keine Flugverbotszone über Nordsyrien verhängen.“ Die türkische Armee intensiviere ihre Bombardements auch deshalb, weil es ihr nur schwer gelänge, sich am Boden gegen die lokal verankerten SDF-Einheiten durchzusetzen.

YPJ-Kommandeurin Nesrin Abdullah bei einem Italien-Besuch 2015.
YPJ-Kommandeurin Nesrin Abdullah bei einem Italien-Besuch 2015.

© Getty Images / Awakening

Die Autonomieverwaltung fordert in internationalen Gesprächen erneut eine Flugverbotszone. SDF-Offiziere sprechen dieser Tage mit Vertretern der USA und Russlands – beide Mächte haben Truppen in Syrien stationiert. Washington hilft den Kurden aber offenbar abnehmend, Moskau stützt dagegen nach wie vor den Damaszener Herrscher Baschar al Assad,

Kreml-Chef Putin ist über die Angriffspläne Erdogans informiert

Erdogan wiederum half schon bald nach Ausbruch des Krieges islamistischen Aufständischen, um Assad zu stürzen. Davon ist die türkische Regierung inzwischen abgerückt. Erdogan und Kreml-Chef Wladimir Putin sprechen regelmäßig über Syrien, weshalb als sicher gilt, dass Ankaras aktuelle Offensive mit Moskau abgestimmt ist.

Umso erstaunlicher ist, dass nun auch syrische Regierungssoldaten durch türkische Drohnen starben. Obwohl Erdogans Luftwaffe also Assad-Soldaten tötete, hält sich das Damaszener Regime zurück. Mit der Autonomieverwaltung spreche sich die Zentralregierung nicht ab, sagte YPJ-Kommandeurin Abdullah, wohl auch deshalb, weil Assad selbst mittelfristig die Kurdenregionen kontrollieren möchte.

Innerhalb der SDF wird davon ausgegangen, dass Erdogan ein größeres Areal besetzen will, als die angekündigte Pufferzone. Zuletzt habe die türkische Luftwaffe sogar Deir-ez-Zor bombardiert, hieß es, 70 km südlich der syrisch-türkischen Grenze liegt.

An Flucht dächten die kurdischen Kräfte trotz der türkischen Übermacht nicht. YPJ-Kommandeurin Abdullah sagte: „Und wenn wir sterben, dann auf unserem Heimatboden.“

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