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Marburg, Solar

© Fotoa. dpa

Erneuerbare Energien: Marburger werden zu Solaranlagen gezwungen

In der hessischen Stadt Marburg sollen Solaranlagen künftig zur Pflicht werden. Dass die solare Baupflicht nicht nur für neue Häuser gelten soll, wie es die Bundesregierung ursprünglich geplant hatte, bezeichnen Gegner als "Ökodiktatur".

Umweltschutz durch die Nutzung erneuerbarer Energie wird in Marburg zur Bürgerpflicht. Das Stadtparlament der hessischen Universitätsstadt verabschiedete am späten Freitagabend ein Gesetz, das Bauherren die Nutzung von Solarenergie vorschreibt . Nach hitzigen Diskussionen fand das bundesweit einmalige Projekt die Zustimmung der rot-grünen Koalition sowie der Linken. Die Stadt möchte damit nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern ihre Bürger auch vor drastisch steigenden Energiekosten schützen. Oppositionspolitiker lehnten die Vorgaben hingegen als "Ökodiktatur" ab.

Schon ab Oktober soll die umstrittene "solare Baupflicht" nicht nur für neue Häuser gelten: Die Satzung greift auch bei größeren Anbauten, beim Austausch der Heizanlage oder einer größeren Dachsanierung. Damit geht sie deutlich über Pläne der Bundesregierung hinaus, die die teilweise Nutzung erneuerbarer Energien nur für Neubauten vorschreiben will. Auf Marburgs Dächern soll nicht Strom, sondern vorrangig Wärme erzeugt werden. Eine "Solarthermie-Anlage" sei schon ab 5000 Euro zu haben und rechne sich bereits nach zehn bis 15 Jahren, wirbt Marburgs Bürgermeister Franz Kahle.

"Mit Zwang erreicht man gar nichts"

Als Ersatz für diese solarthermischen Anlagen soll auch die Stromerzeugung mit Photovoltaik-Anlagen zulässig sein, wenn dies besser zum Energiekonzept des Hauses passt. Auch Kraft-Wärme-Kopplung oder Energieeinsparung sind ersatzweise denkbar, etwa wenn Hausdächer überwiegend im Schatten liegen. Unternehmen schließlich können sich von der solaren Baupflicht befreien lassen, wenn sie der Stadt ein anderweitiges Energiesparkonzept vorlegen.

Baudezernent Kahle freut sich schon seit Monaten über begeisterte E-Mails aus ganz Deutschland. Doch natürlich gibt es auch Kritik. CDU und FDP, Hauseigentümer und Industrie - alle sind sie für den Umweltschutz, wollen aber lieber auf Überzeugungskraft und finanzielle Anreize setzen. "Mit Zwang erreicht man gar nichts", meinte etwa der Hauseigentümerverband Haus und Grund. Deutlich schärfer fällt die Kritik der oppositionellen Marburger Bürgerliste aus: "Wir haben hier eine Ökodiktatur", sagte deren Stadtverordneter Hermann Uchtmann.

In einer Stadt mit 79.000 Einwohnern und 19.000 Studenten haben es die Kritiker tatsächlich nicht leicht. Mehrere ihrer Anregungen wurden aber noch in die Satzung aufgenommen - zum Beispiel um dem Denkmalschutz in der Stadt mit ihrem spätmittelalterlichen Kern noch mehr Gewicht zu verleihen als ohnehin geplant. Auch bei sozialen Härten oder in anderen Fällen wurden die Möglichkeiten für Ausnahmen oder Alternativlösungen erweitert.

Eingriff in die Eigentumsrechte der Bürger

Auch die Handwerkskammer sprach sich gegen die Solarsatzung aus - die Vertretung ausgerechnet jener "Normalbürger", die Kahle ausdrücklich "mitnehmen" und zudem auch mit Aufträgen versorgen will. Als weitere Argumente nennt die Satzung schließlich neben Umwelt- und Klimaschutz auch soziale Gründe. "Wenn künftig der Liter Heizöl drei Euro kostet, dann kann doch keiner mehr seine Heizkosten zahlen."

Das soziale Argument hat wohl auch einen rechtlichen Hintergrund. Denn anders als bei den sozialen Aufgaben sind die Befugnisse der Kommunen in Sachen Umweltschutz nur gering. Und die Gegner stehen längst in den Startlöchern, um die Solarsatzung vor Gericht anzugreifen. Die Gegner der Solarpläne sind der Meinung, dass die Satzung ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Bürger ist und zudem gegen die hessische Bausatzung verstößt.

Wie die Gerichte letztlich entscheiden werden, hängt wohl auch davon ab, ob sich die Anlagen tatsächlich rechnen. Wenn ja, dann wäre der Eingriff in die Eigentumsrechte der Bauherren zumindest finanziell gesehen nur vorübergehender Natur. In einem anderen finanziellen Punkt hat Kahle bereits nachgegeben: Das bei Verstößen vorgesehene Bußgeld wurde in der dem Stadtparlament vorgelegten und beschlossenen Fassung von ursprünglich 15.000 auf jetzt 1000 Euro gesenkt. (fg/AFP/dpa)

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