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20.06.2022, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Berlin. Bundesminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) im Tagesspiegel Interview mit Heike Jahberg und Albrecht Meier.

© Nassim Rad für den Tagesspiegel

Update

Ernährung von Kindern und Jugendlichen: Mehr Bio und Regionales – Özdemir will Schulessen verbessern

Vor allem sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche ernähren sich schlecht. Der grüne Landwirtschaftsminister will das ändern.

Zu viel Fleisch und Wurstwaren, zu wenig Vitamine und Mineralstoffe – so lassen sich die Defizite bei der Ernährung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zusammenfassen. Die Folgen bleiben nicht aus. „Jedes sechste Kind ist übergewichtig“, sagte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Mittwoch in der ARD.

Wie es um die Ernährung des Nachwuchses in Deutschland steht, verdeutlichen Studien des Robert-Koch-Instituts (RKI), die zwischen 2006 und 2017 durchgeführt wurden. Laut den Untersuchungen essen die meisten Kinder zu wenig Obst und Gemüse. Der Verzehr von Fleisch und Wurstwaren ist zwar weiter zu hoch, hat aber über die Jahre abgenommen. Auch beim Konsum von zuckergesüßten Getränken schränkten sich die Kinder und Jugendlichen zunehmend ein.

Verringert hat sich allerdings laut den Studien auch der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die durch ihre Ernährung optimal mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt werden. Gleichzeitig nimmt beim Nachwuchs in Deutschland der Anteil derjenigen zu, die sich vegetarisch ernähren. Bis 2017 waren es 3,4 Prozent der Befragten.

Eine entscheidende Rolle für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen spielt die Qualität des Essens in Schulkantinen. Die so genannten „EsKiMo“-Studie des RKI ergab seinerzeit, dass fast alle Schüler – 87 Prozent – in der Schule essen könnten. In der Realität taten das aber nur 37,4 Prozent der Befragten. Unter den Zwölf- bis 17-Jährigen gaben mehr als 30 Prozent an, dass ihnen das Kantinenessen in der Schule nicht schmeckt. Sie verzichteten deshalb darauf.

Ob sich Kinder und Jugendliche gesund ernähren, ist zudem weiterhin häufig eine Frage des sozialen Status. Nach Erkenntnissen des RKI haben Heranwachsende mit sozial schwachem Status die höchsten Risiken für Übergewicht, Zuckerkonsum und Bewegungsmangel. Özdemir betonte am Mittwoch noch einmal, dass er selbst aus einer Arbeiterfamilie stammt und sich nach der Schule nachmittags regelmäßig von Currywurst und Pommes ernährte. „So habe ich jahrelang gelebt“, erzählte der 57-Jährige, der inzwischen Vegetarier ist.

Keine Vorschriften für die Menschen

Wenn es nach Özdemir geht, sollen künftig in den Schulmensen mehr ökologisch und regional erzeugte Lebensmittel angeboten werden, die zudem auch noch gut schmecken. Das Essen in den Schulmensen ist einer der Punkte, an denen Özdemirs Ernährungsstrategie ansetzt, deren Eckpunkte am Mittwoch im Kabinett beschlossen wurden. Allerdings stellte er auch klar, dass er den Menschen nicht vorschreiben wolle, wie sie sich ernähren sollen.

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Millionen Menschen essen täglich in Deutschland außer Haus – etwa in Schulmensen oder Firmenkantinen

Laut dem am Mittwoch beschlossenen Eckpunkte-Papier sollen allen Kindern und Jugendlichen in Kitas, Schulen sowie bei Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe unabhängig vom Einkommen der Eltern „qualitativ hochwertige und ausgewogene Mahlzeiten“ angeboten werden. Der Zugang zur Kita- und Schulverpflegung soll dabei jedem Kind zur Verfügung stehen.

Dehoga: Bio-Zertifizierung ist mit Zusatzkosten verbunden

Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, äußerte Bedenken zur Finanzierung von Özdemirs Plänen. Um gesunde und bezahlbare Ernährung in Kitas und Schulen sicherzustellen, sei vor allem der Staat gefragt, sagte sie. Der Anteil der Umsätze mit Bio-Produkten im Außer-Haus-Markt liegt nach den Angaben von Hartges bei deutlich unter zwei Prozent. „Für die Betriebe ist die Bio-Zertifizierung mit nicht unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden“, gab sie zu bedenken. 

Das Essen soll nicht nur in Schulen besser werden

Junge Konsumenten hat der Ernährungsminister auch im Blick, wenn er die Werbung für ungesunde Nahrung, die sich an Kinder richtet, einschränken will. Dass er sich dabei auf längere Diskussionen mit der Industrie gefasst machen darf, verdeutlichte Manon Struck-Pacyna, die Sprecherin des Lebensmittelverbandes. Nach ihren Worten habe Übergewicht viele Ursachen, darunter auch mangelnde Bewegung und genetische Veranlagung. „Werbeverbote machen die Kinder nicht schlanker“, meinte sie.

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Mithilfe der Ernährungsstrategie soll nicht nur das Essen in Kitas und Schulen besser werden, sondern überall dort, wo insgesamt rund sechs Millionen Menschen in Deutschland eine Gemeinschaftsverpflegung in Anspruch nehmen: in Unternehmen, Krankenhäusern, Pflege- und Senioreneinrichtungen.

Özdemirs Ernährungsstrategie, die bis Ende des kommenden Jahres endgültig beschlossen werden soll, sieht vor, dass bei der Herstellung der Speisen möglichst wenig Fett verwendet werden sowie Zucker und Salz nur moderat zum Einsatz kommen soll. Dabei orientiert sich der Grünen-Politiker an den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die bis 2030 übernommen werden sollen.

Man sollte in den Schulen den Kindern wieder das Kochen lehren. Dazu gehört neben der Theorie, also die Vermittlung von Basiswissen bezüglich Nährstoffkunde, auch die praktische Zubereitung einer warmen Mahlzeit.

Schreibt Community-Mitglied Antigone12

Auch in staatlichen Kantinen will Özdemir das Angebot gesunder Lebensmittel erhöhen. Hier gilt derzeit das Ziel, deren Anteil bis 2025 auf 20 Prozent zu erhöhen. Der Minister strebt nun an, diesen Zielwert „ambitioniert zu steigern“. Zudem solle in den staatlichen Kantinen ein Angebot von möglichst saisonalem Obst und Gemüse zur Verfügung stehen. Kurze Transportwege sollen darüber hinaus sicherstellen, dass bevorzugt Lebensmittel mit geringen Treibhausgas-Emissionen angeboten werden.

Kantinenpächter: Verbraucher können angesichts der Inflation nicht mehr zahlen

Rolf Häußler, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Kantinenpächter, sagte dem Tagesspiegel, dass zwar viele Konsumentinnen und Konsumenten eine bewusste, gesündere Ernährung befürworteten. Sie könnten dafür angesichts der Inflation aber nicht mehr zahlen. Kantinen, die vom Staat subventioniert werden und höhere Einkaufspreise nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben müssten, hätten es dagegen leichter.

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