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Rechtsextreme Tendenzen. In der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte häufen sich die Vorfälle. Doch Deradikalisierungsprogramme für die Bundeswehr gibt es nicht.

© Kay Nietfeld/dpa

„Erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit“: Experten fordern Programm zur Deradikalisierung für die Bundeswehr

Trotz rechter Vorfälle tue die Regierung zu wenig, sagt der Verein Violence Prevention Network. Auffällige Soldaten müssten deradikalisiert werden.

Von Frank Jansen

Die Bundesregierung sollte nach Ansicht von Experten für Deradikalisierung und Prävention stärker rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr entgegenwirken. Es sei unverständlich, dass in der Bundeswehr keine Deradikalisierungsprogramme existieren, sagte Judy Korn, Geschäftsführerin des Vereins „Violence Prevention Network (VPN)“, am Mittwoch bei einer Anhörung des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus.

Den Ausschuss hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im März initiiert. Korn warnte, bei Extremisten in der Bundeswehr handele es sich um an Waffen ausgebildete Personen, „von denen eine erhebliche Gefahr sowohl für einzelne Personen als auch für die Allgemeinheit ausgehen kann“.

Der Fall eines rechtsextremen Soldaten der Eliteeinheit KSK hatte im Mai erhebliches Aufsehen erregt.

Die Polizei fand auf dem Grundstück des Oberstabsfeldwebels Philipp S. in Nordsachsen eine Kalaschnikow, tausende Patronen für Gewehre und Pistolen sowie zwei Kilogramm des hochexplosiven Sprengstoffs PETN. Entdeckt wurden auch Plakate und weitere Devotionalen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Der Soldat wurde am Standort des KSK in Calw (Baden-Württemberg) festgenommen.

Verteidigungsministerin löst eine Kompanie der Eliteeinheit auf

Angesichts weiterer rechtsextremer Vorfälle in der Eliteeinheit löste Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Juli die zweite Kompanie des KSK auf.

Der Nachrichtendienst der Bundeswehr, das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD), geht in insgesamt etwa 600 Fällen dem Verdacht auf rechtsextremistische Umtriebe in den Streitkräften nach.

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Das Violence Prevention Network sieht beim Umgang mit Rechtsextremisten in der Bundeswehr ein „Handlungsvakuum“. Die nach einer Suspendierung oder dem Ausschluss auffälliger Soldaten erfolgende Fallübergabe an die Sicherheitsbehörden „kann allenfalls zur Sicherstellung der Beobachtung von gefahrenrelevanten Personen dienen“, mahnte Korn.

Notwendig seien jedoch auch „nahtlos anknüpfende pädagogische und psychologische Interventionen von Trägern, die die Fachkompetenzen im Umgang mit gefahrenrelevanten Personen aufweisen“.

Beratungsstellen fordern Merkel zum Gespräch mit Opfern rechter Gewalt auf

Eine weitere Forderung an den Kabinettsausschuss kommt vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Kanzlerin Merkel und der gesamte Kabinettsausschuss müssten "in einer separaten Anhörung die Überlebenden und Hinterbliebenen der rassistisch, antisemitisch und rechtsterroristisch motivierten Attentate von Halle und Hanau" anhören, heißt es in einer Mitteilung des Verbands vom Mittwoch.

Das gelte auch für die Familie des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie für Überlebende rassistischer Gewalt seit 1990. Für den Verband ist es auch notwendig, dass nach rechten Gewalttaten Überlebende und Hinterbliebene eine "neu zu schaffende, unbürokratische Grundrente mit einer adäquaten Existenzsicherung" erhalten.

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