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Türkei vermutet Verschwörung: Erdogan wirft Berlin Hilfe für PKK vor

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wirft deutschen Institutionen vor, die kurdischen PKK-Rebellen finanziell zu unterstützen. Die deutschen Stiftungen reagieren verärgert und verwundert.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wirft deutschen Institutionen vor, die kurdischen PKK-Rebellen finanziell zu unterstützen. Erdogan sagte, das Geld werde über Projekte in Kurdengebieten an die PKK geleitet. Welche deutsche Institutionen Erdogan genau meinte, blieb unklar – er nannte keine Namen und hatte möglicherweise Institutionen wie die GIZ oder die KfW im Kopf. Die islamistische Zeitung „Yeni Akit“ meldete, Erdogan habe seine Kritik auf die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung gemünzt. Offen blieb auch, was den türkischen Premier zu den Vorwürfen bewegt hat.

Mit seinem Verdacht wärmt Erdogan jedenfalls alte Vorwürfe gegen deutsche Institutionen auf. „Leider sind die deutschen Stiftungen schon lange auf solchen Gebieten aktiv“, kritisierte der Premier am Montag. Türkei-Vertreter deutscher Stiftungen wurden vor fast genau neun Jahren wegen „Spionage“ vor Gericht gestellt. Damals wurde Repräsentanten der parteinahen deutschen Stiftungen – Konrad-Adenauer-, Ebert-, Friedrich-Naumann- und Heinrich-Böll-Stiftung – sowie dem deutschen Orient-Institut vorgeworfen, einen „Geheimbund“ gegründet zu haben, um die türkische Republik zu zerstören. Der Prozess endete mit Freisprüchen, doch in Verschwörungstheorien türkischer Nationalisten spielen die deutschen Stiftungen weiterhin eine große Rolle.

Erdogan äußerte sich zunächst am Freitag auf der Rückreise von einem Besuch in Mazedonien vor mitreisenden türkischen Journalisten. „Es gibt Dinge, die ärgern mich sehr“, sagte er. Eine deutsche Stiftung arbeite mit Stadtverwaltungen zusammen, die von der BDP und der säkularistischen Oppositionspartei CHP regiert würden. Bei Kreditverträgen für Projekte schreibe die deutsche Institution den Stadtverwaltungen vor, welche Firma den Zuschlag erhalten müsse. Als Beispiel erwähnte Erdogan Abwasserprojekte. „Auf diese Weise wird auf offiziellem Wege Geld an die PKK geschickt.“ Die türkische Regierung beobachte die Transaktionen und habe vergeblich den deutschen Behörden gegenüber ihre Verärgerung zum Ausdruck gebracht, sagte Erdogan weiter. Am Montag bekräftigte er seine Vorwürfe vor der Presse in Istanbul. Die Kreditvereinbarungen mit Kommunen würden als Instrument der Verschleierung eingesetzt.

Nach einem Bericht der Zeitung „Milliyet“ brachte Erdogan möglicherweise die Stiftungen mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) durcheinander. GIZ und KfW haben in mehreren türkischen Kommunen die Erneuerung von Müllentsorgung und Abwassersystemen unterstützt, nicht nur im kurdischen Osten der Türkei, aber auch dort. So wurde das Abwassersystem der Großstadt Diyarbakir, der inoffiziellen Hauptstadt des türkischen Kurdengebietes, mit deutscher Hilfe modernisiert. Insgesamt flossen 45 Millionen Euro in das Projekt. Bisher begrüßte die Türkei die deutsche Hilfe bei der Verbesserung der Infrastruktur.

Auf deutscher Seite herrschte nach Erdogans Äußerungen Verärgerung und Ratlosigkeit. Das Auswärtige Amt verwies darauf, dass die PKK in der EU als Terrorgruppe gelte. „Hinweisen auf unerlaubte Aktivitäten wird nachgegangen.“ Ulrike Dufner von der Heinrich-Böll-Stiftung, wies Erdogans Vorwürfe zurück: „Deutsche Stiftungen können grundsätzlich keine Kredite vergeben.“ Zudem arbeite die Böll-Stiftung in der Türkei auch mit Kommunen zusammen, die von Erdogans Regierungspartei AKP geführt würden. Dufner sieht die Vorwürfe als Teil einer „zunehmenden nationalistischen Welle“ in der Türkei. Ein anderer Beobachter aus dem Umfeld deutscher Stiftungen sagte, Erdogan ziele im Grunde nicht auf die Deutschen, sondern auf die Oppositionsparteien BDP und CHP. „Er benutzt solche Spielchen gegen die anderen Parteien.“

Möglicherweise sind die Vorwürfe im Zusammenhang mit Ermittlungen der türkischen Justiz gegen Erdogans Partei zu sehen: Die AKP soll von Geld profitiert haben, das Türken in Deutschland aus der Tasche gezogen wurde. Durch Erdogans Äußerungen stehen BDP und CHP auch im Verdacht, ausländische Unterstützung in Empfang genommen zu haben. Gleichzeitig wird die Stimmung gegen deutsche Stiftungen angeheizt. Schon tauchten Forderungen nach einem Rauswurf auf.

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