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Thüringens (Noch-)CDU-Chef Mike Mohring. Er sei ein „Trickser und Spieler“, sagt ein Parteifreund.

© imago images/Steve Bauerschmidt

Erbkrieg in Erfurt: Wie die Thüringer CDU so abstürzen konnte

Die Thüringer CDU liegt nach Machtkämpfen und Richtungsstreitigkeiten am Boden. Zur Überlebensfrage wird für sie der Umgang mit Linke und AfD.

Um die Fallhöhe der Thüringer CDU deutlich zu machen, muss man ihr Wahlergebnis von vor 20 Jahren heranziehen. Bei der Landtagswahl 1999 holte sie unter dem damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel sagenhafte 51 Prozent. Vogel, zuvor Regierungschef in Rheinland-Pfalz, war ein Landesvater, der wandernd und das Geld mit vollen Händen ausgebend den 1990 wiedergegründeten Freistaat in Marktwirtschaft und Demokratie führte.

Die CDU kam mit ihrer Oppositionsrolle selten zurecht

Eine Demokratie, die ihre bisherige Musterschülerin nun zu fressen scheint. Die CDU, die von 1990 bis 2014 die Ministerpräsidenten in Thüringen stellte, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Von den 51 Prozent bei der Landtagswahl 1999 ist sie in aktuellen Umfragen auf bis zu 12 Prozent abgestürzt. Was ist geschehen, dass eine Partei derart abschmieren konnte?

Das sei eine Folge des „Erbkriegs seit 2009“, sagt ein CDU-Parlamentarier. Der damalige Ministerpräsident Dieter Althaus, der bei einem Skiunfall den Tod einer Frau verursacht hatte, ging politisch wie körperlich angeschlagen in die Landtagswahl. Die CDU verlor stark - von 43 auf 31 Prozent. Danach entriss ihm Christine Lieberknecht die Macht und wurde in einer Koalition mit der SPD Ministerpräsidentin. Der von Althaus zum Fraktionschef gemachte Mike Mohring ging leer aus. Der Erbkrieg begann.

In den Jahren der schwarz-roten Koalition galt Mohring als die eigentliche Opposition. Er warf Lieberknecht Knüppel zwischen die Beine, sorgte für eine Entfremdung zu Koalitionspartner SPD. Die Sozialdemokraten wechselten nach der Landtagswahl 2014, bei der die CDU sogar leicht auf 33,5 Prozent zulegte, zu Rot-Rot-Grün unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Mohring entriss nun seinerseits Lieberknecht die Macht.

Ministerpräsident zu werden, wurde sein Lebenstraum. Allerdings kam die CDU mit ihrer Oppositionsrolle selten zurecht. Sie behandelte die Linksregierung wie einen Betriebsunfall, der wohl von selbst vergehen würde. Der Wahlkampf 2019 war ganz auf Mohring zugeschnitten. Er duldete keine anderen CDU-Leute neben sich. Sein Konkurrent, Landtagspräsident Christian Carius, hatte schon vorher aufgegeben.

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Doch Mohrings Traum, Ministerpräsident zu werden, zerplatzte. Die CDU stürzte auf 21,7 Prozent und wurde nach Linke und AfD nur noch drittstärkste Kraft. Freilich war der Niedergang nicht nur hausgemacht. Wie bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen machten die Parteien des jeweiligen Ministerpräsidenten und die AfD das Rennen unter sich aus und zerrieben die übrigen Mitspieler. Dazu kommt der bundesweite Niedergang der CDU.

Das Wahlergebnis wäre Mohring - auch mangels personeller Alternative - wohl noch nachgesehen worden. Nicht aber sein Umgang damit. „Der Schlingerkurs des Parteivorsitzenden nach links und rechts nach der Landtagswahl (...), hat zu einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust geführt, der sich in den jüngsten Umfragen widerspiegelt“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski.

Mohring bot sich der Linken als Partner an

Mohring bot sich der Linken als Partner an, was etwa der Landrat im katholisch-konservativen Eichsfeld, Werner Henning (CDU), unterstützt. Er ließ aber auch eine Debatte über eine Annäherung an die AfD laufen, die Vize-Fraktionschef Michael Heym vorantrieb.

Mohring begründete seinen Kurs mit staatspolitischer Verantwortung. Als eigentliche Triebkraft gelten jedoch seine Machtgelüste. Er sei ein „Trickser und Spieler“, sagt ein CDU-Parlamentarier. Nach dem Desaster um Thomas Kemmerich (FDP), der mit Stimmen von AfD und CDU zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, nutzte die CDU-Landtagsfraktion die Situation, die sie ja selbst mitverursacht hatte, um Mohring zum Rückzug zu drängen. Der hat inzwischen angekündigt, als Fraktions- und Landeschef aufzuhören.

Zustand von Verwirrung und Orientierungslosigkeit

Job weg, Ehe kaputt, Kinder aus dem Haus: So in etwa fühlt sich für die Thüringer Christdemokraten an, was seit dem Herbst mit ihnen geschieht. Der Absturz bei der Landtagswahl und das folgende Chaos haben die Partei in einen Zustand von Verwirrung und Orientierungslosigkeit gestürzt. Das hat mit dem medialen Tsunami zu tun, der nach der Kemmerich-Wahl losbrach, mit dem Ärger über Schulmeisterei aus Berlin und der unbeantworteten Frage, wie noch eine Politik der Mitte möglich ist, wenn Linke und AfD zusammen eine Mehrheit im Landtag haben.

Während die Bundes-CDU auf strikter Abgrenzung nach Rechts- und Linksaußen besteht, werben bekannte Thüringer CDU-Leute inzwischen für eine Öffnung zumindest nach Links. Zuerst sprach sich Alt-Ministerpräsident Althaus für eine „Projektregierung“ mit Ramelows Linkspartei aus. Nun warb Nachfolgerin Lieberknecht faktisch für eine Koalition mit der Partei, die in Umfragen aktuell auf 40 Prozent kommt. Ein Parlamentarier sagt: „Wenn wir jetzt nicht zusammenarbeiten, bricht das Land auseinander.“

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