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Der Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier.

© picture alliance/dpa/Metodi Popow

„Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert“: Steinmeier kritisiert Ampelkoalition ungewöhnlich scharf

Dem Bundespräsidenten missfällt der Kommunikationsstil von SPD, Grünen und FDP. Bei den Bauernprotesten rügt er die „Sprachlosigkeit“. Zudem fordert Steinmeier, die Opposition einzubinden.

Die Umfragewerte der Bundesregierung fallen seit Monaten auf immer neue Tiefstwerte, viele Bürgerinnen und Bürger im Land trauen der Ampelkoalition nicht zu, die drängendsten Probleme lösen zu können, die Opposition fordert seit Wochen vorgezogene Neuwahlen. Jetzt hat sich der Bundespräsident in die Debatte eingeschaltet und SPD, Grüne und FDP in ungewöhnlich deutlicher Form kritisiert.

Frank-Walter Steinmeier rief die Ampel in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ dazu auf, bei wichtigen Entscheidungen stärker die Menschen mitzunehmen und auch die Opposition einzubinden. Die vielen aufeinanderfolgenden Krisen schafften Verunsicherung, sagte der Bundespräsident.

„Klar ist aber auch: Wenn die Glaubwürdigkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind oder von internem Streit, der nach außen dringt, überlagert werden. Die Regierung muss ein Interesse daran haben, das zu verbessern.“ 

Wenn wir in die Geschichte zurückschauen, stellen wir fest: Extremisten waren immer das Unglück unseres Landes.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Steinmeier beklagte in diesem Zusammenhang auch den Umgang von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Bauern und ihren Protesten. „Sprachlosigkeit zwischen der Bundesregierung und den Bauern schadet allen Beteiligten“, sagte der Bundespräsident. In der augenblicklichen Situation sei es „dringend notwendig, dass persönliche Gespräche stattfinden“.

Steinmeier verwies darauf, dass er schon seit Längerem seinen Amtssitz „regelmäßig für ein paar Tage raus aus Berlin in kleine Städte, die nicht im Scheinwerferlicht stehen“, verlege. „Ich treffe jedes Jahr Bauern und Bäuerinnen bei der Erntekrone und Landfrauen in den Bundesländern – ich will den Leuten das Gefühl nehmen: für uns interessiert sich keiner, wir werden nicht gehört“. Manchmal helfe „es schon, hinzugehen und zu sagen, wir wollen euch hören“. 

Nach Bekanntwerden eines Treffens rechtsextremer Kreise mit AfD-Funktionären zeigte sich Steinmeier besorgt über den stärker werdenden Rechtspopulismus in Deutschland. „Wenn wir in die Geschichte zurückschauen, stellen wir fest: Extremisten waren immer das Unglück unseres Landes“, sagte das Staatsoberhaupt. Im Zusammenhang mit dem Potsdamer Treffen sagte er, dies zeige, „dass wir sehr wachsam sein müssen“.

Die Debatten in Deutschland seien hitziger geworden und es gebe eine wachsende Akzeptanz populistischer Positionen, die das Regieren schwerer machten, sagte Steinmeier weiter. „Das löst Unruhe aus, auch bei den politischen Verantwortlichen. Umso wichtiger ist es, die Kraft zur Zusammenarbeit zu finden.“ Der Bundespräsident betonte: „Die Bürger haben die Erwartung, dass die Verantwortlichen in den Parlamenten erkennen, wenn es wirklich ums Ganze geht.“

Es habe in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Situationen gegeben, wo Regierung und Opposition auch nach schärfsten Auseinandersetzungen zusammengekommen seien – etwa bei den Fragen der Westbindung, der Ostverträge oder beim Asylkompromiss 1993. „Ich hoffe, dass das auch jetzt nicht ausgeschlossen ist.“

Steinmeier hält wenig von vorgezogenen Neuwahlen

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz beklagt seit langem, dass Scholz auf Angebote zur Zusammenarbeit etwa für einen parteiübergreifenden Kompromiss zur Begrenzung der ungeordneten Zuwanderung nach Deutschland nicht eingehe. Der Unionsfraktionschef ist auch einer derjenigen, der seit Wochen vorgezogene Neuwahlen – möglicherweise am 9. Juni parallel zu den Europawahlen fordert.

Steinmeier machte in dem Interview deutlich, dass er wenig von vorschnellen Neuwahlen hält. Auf die Frage, ob er bei einem Scheitern der Ampelkoalition Neuwahlen ermöglichen werde, sagte er, die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten „aus Weimar die Lehre gezogen, dass es nie wieder politische Instabilität geben darf, dass es keine vorschnelle Auflösung von Parlamenten und keine regierungslosen Zeiten geben soll. Wegen dieser strikten Vorgaben schauen wir in Deutschland auf eine lange Zeit der politischen Stabilität zurück.“

Auf die Nachfrage, ob das bedeute, dass er vorzeitige Neuwahlen vermeiden möchte, sagte der Bundespräsident: „Es ist nicht meine Aufgabe, über einen Koalitionsbruch zu spekulieren. Die bevorstehenden Entscheidungen im Bundestag, etwa über den Haushalt, werden Auskunft darüber geben, wie es um die Stabilität der Koalition bestellt ist.“ Deutschland habe „eine Regierung, die für vier Jahre gewählt ist“. (lem)

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