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Malgorzata Manowska war Vize-Justizministerin der ersten PiS-Regierung.

© T.Gzell/dpa

Entgegen der Empfehlung des Wahlausschusses: Polens Präsident Duda beruft parteitreue Richterin

Parteiloyalität statt Empfehlung: Polens Präsident Duda übergeht den Ratschlag des Richterrats und nominiert eine PiS-treue Richterin fürs Oberste Gericht.

Die Regierenden in Polen haben bei der Besetzung höchster Richterstellen erneut die Parteiloyalität über die fachlichen Empfehlungen gestellt. Präsident Andrzej Duda berief Malgorzata Manowska, Mitglied der nationalpopulistischen Regierungspartei PiS, als neue Chefin des Obersten Gerichts, obwohl der Richterwahlausschuss einen anderen Kandidaten empfohlen hatte, Wlodzimierz Wrobel. Seit der Reform des Justizwesens 2016, die von der Opposition in Polen und in Westeuropa als Abkehr von der Unabhängigkeit der Justiz betrachtet wird, hat der Präsident die Möglichkeit, aus einer Liste von fünf Kandidaten zu wählen. Manowska war von 25 Richtern empfohlen worden, Wrobel von 50.

Manowskas Vorgängerin Malgorzata Gersdorf war noch nach altem Recht als höchste Richterin berufen worden. Sie agierte als streitbare und regierungskritische Verteidigerin der richterlichen Unabhängigkeit. Die PiS hatte versucht, sie vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. Gersdorf wehrte sich. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwang Polen, sie wieder einzusetzen. Nun hatte sie die allgemeine Altersgrenze erreicht.

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Als Grund für die Änderung der Richterwahl gab die PiS an, nur so könne man die Justiz von kommunistischen Seilschaften säubern. Dabei lag die Wende da bereits 25 Jahre zurück und es waren nicht mehr viele Richter aus der alten Zeit im Amt. Allerdings wurden die Gerichte in Polen – anders als in der ehemaligen DDR und andern Ostblockländern – nie auf Geheimdienstmitarbeiter und kommunistische Aktivisten durchleuchtet. Erst die PiS macht dies, allerdings auf seltsame Art. Manche Belastete sind ihr willkommen, andere nicht. Das scheint von deren Loyalität zur PiS abzuhängen.

Die Berufung von Manowska „ist erneut ein klarer Verfassungsbruch von Duda“, twitterte der Verfassungsrechtler Marcin Matczak am Montagabend. Das Richterwahlgesetz gebe vor, dass das Richterkollegium den neuen Vorsitzenden mit Mehrheit vorschlägt. Dagegen kommentierte der PiS-Abgeordnete Kazimierz Smolinski erfreut: „Endlich kann das Oberste Gericht anstatt zu politisieren nun wieder Recht sprechen.“

Das Oberste Gericht ist für die Bewertung von Wahlen zuständig

Manowskas Berufung beendet ein dreiwöchiges Wahlgezerre zwischen alten und neuen Richtern am Obersten Gericht. Die Mehrheit der Obersten Richter stammt noch aus der Zeit, bevor die PiS die Regierung übernahm. Sie waren nach der Wende von 1989 von ihren Berufsverbänden delegiert worden. Noch sind jene Richter in der Minderheit, die seit 2017 mit Unterstützung der PiS in den Landesjustizrat (KRS) und von dort ans Oberste Gericht berufen wurden. Diese sogenannten „Richter des neuen KRS“ sind besonders loyal zur PiS-Regierung.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) sieht im neuen Wahlmodus eine Aushebelung der Gewaltenteilung. Die PiS meint jedoch, die Organisation des Justizwesens falle in die nationale Kompetenz und die EU sei nicht zuständig. Dagegen argumentiert die EU, die Unabhängigkeit der Justiz zähle zu den Grundwerten. Und deren Einhaltung müsse sie überwachen.

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Die 56-jährige Manowska war in der ersten PiS-Regierung, die von 2005 bis 2007 amtierte, kurzzeitig Vize-Justizministerin unter dem umstrittenen damaligen und heutigen Justizminister Zbigniew Ziobro. 2018 wurde sie von der PiS ans Oberste Gericht delegiert, wo sie in der Zivilrechtskammer tätig war. Sie leitete auch die neue Akademie des Justizministeriums für Richter und Staatsanwälte, legte das Amt aber am Dienstag nieder. Die Akademie steht in Konkurrenz zur Juristenausbildung an den noch weitgehend unabhängigen Universitäten. Das alles machte Manowska zur idealen Kandidatin der PiS für die Gersdorf-Nachfolge. Auch unter regierungskritischen Juristen gilt Manowska als kompetente Zivilrechtlerin.

Durch Manowskas Berufung dürfte sich der Konflikt um die Justizreform zwischen Warschau und Brüssel verschärfen. Die EU hat vier Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Das Oberste Gericht ist für die Bewertung von Wahlen zuständig. Ein erster Fall könnte der Streit um die Präsidentenwahl im Juli sein, bei der Duda eine zweite Amtszeit anstrebt.

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