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Die Entführung von Mewis könnte mit den Bemühungen einer Stärkung der Zentralregierung in Zusammenhang stehen.

© dpa/ Zhang Miao/XinHua

Entführung auf offener Straße: Berliner Kuratorin in Bagdad verschleppt

Die Entführung einer Berlinerin auf offener Straße in Bagdad könnte Teil eines Machtkampfes im Irak sein. Sie war zudem in einer Protestbewegung aktiv.

Die Entführung einer Deutschen in der irakischen Hauptstadt Bagdad wirft Fragen auf. Hella Mewis, eine aus Berlin stammende Kuratorin, die zeitweise auch für das Goethe-Institut arbeitete, wurde von Unbekannten am Montagabend in der Innenstadt von Bagdad in ein Auto gezerrt, als sie mit ihrem Fahrrad auf dem Weg nach Hause war. Die Entführung könnte Teil des Machtkampfes im Irak sein, wo die neue Regierung die Macht bewaffneter Gruppen beschneiden will.

Mewis lebte seit einigen Jahren in Bagdad; in einem Video auf Twitter sagte sie, sie sei im Jahr 2010 zum ersten Mal in die irakische Hauptstadt gereist und habe sich gleich zu Hause gefühlt. In Bagdad kümmerte sie sich um das Kulturinstitut Tarkib, das sich mit zeitgenössischer irakischer Kunst befasst. Mewis sei in der Nähe des Instituts entführt worden, schrieb Ali Al Bayati von der irakischen Menschenrechtskommission auf Twitter. Die Täter waren am Dienstag noch unbekannt. Im Berliner Auswärtigen Amt trat ein Krisenstab zusammen.

Eine Freundin von Mewis, Dhikra Sarsam, sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Deutsche habe sich in jüngster Zeit um ihre Sicherheit gesorgt. Anlass ihrer Befürchtungen war demnach die Ermordung des politischen Analysten Huscham al Haschimi in Bagdad Anfang des Monats.

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Laut Sarsam war Mewis in der irakischen Protestbewegung aktiv, die seit dem vergangenen Herbst demokratische und wirtschaftliche Reformen fordert. Die Proteste richten sich auch gegen den großen Einfluss des Iran beim Nachbarn Irak. Sicherheitskräfte und bewaffnete Milizen – darunter proiranische Gruppen – haben Amnesty International zufolge seit Oktober mehr als 500 Menschen bei Demonstrationen getötet und viele weitere verletzt.

Ein „Signal“ an den Regierungschef?

Die proiranischen Gruppen haben auch großen Einfluss auf den irakischen Sicherheitsapparat. Nach dem Mord an Haschimi fiel der Verdacht auf die proiranische Miliz Kataib Hisbollah, die von dem Experten mehrfach kritisiert worden war. Jeder, der sich den proiranischen Gruppen entgegenstelle, werde getötet, inhaftiert oder verfolgt, zitierte der Sender Al Dschasira einen namentlich nicht genannten Sicherheitsexperten in Bagdad.

Ob diese Gruppen für die Entführung von Mewis verantwortlich waren, blieb am Dienstag unklar. Medienberichten zufolge berichteten Augenzeugen, irakische Polizisten hätten die Entführung beobachtet, seien aber nicht eingeschritten. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu zitierte einen Polizeioffizier mit den Worten, an der Suche nach Mewis seien Polizei, Innenministerium und Verteidigungsministerium beteiligt.

Bilgay Duman, Irak-Experte bei der türkischen Denkfabrik Orsam, sieht eine Verbindung zwischen der Entführung und den Bemühungen des neuen irakischen Ministerpräsidenten Mustafa al Kadhimi um eine Stärkung der Zentralregierung. Der ehemalige Geheimdienstchef Kadhimi war im Mai gegen den Widerstand einiger pro iranischer Gruppen ins Amt gekommen und hat sich zum Ziel gesetzt, nichtstaatliche Gruppen zu entwaffnen.

Bei der Umstrukturierung der Sicherheitskräfte stoße Kadhimi auf große Widerstände, sagte Duman unserer Zeitung in Istanbul. Mewis’ Entführung sei daher wahrscheinlich ein „Signal“ an den Regierungschef. Kadhimi soll demnach mit der Gewalttat gegen eine Ausländerin in eine schwierige Lage gebracht werden.

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